Korrektur oder Krise - wie geht es weiter in Europa?
Die aktuellen Konjunkturdaten in Europa und die Stimmungsbarometer haben die Anleger zuletzt enttäuscht.
von Wolfgang Juds, Geschäftsführer CREDO Vermögensmanagement GmbH
War die Prognose für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr doch zu hoch gegriffen? Und was bedeutet das für die Aktienmärkte?
Enttäuschende Konjunkturdaten in Europa…
Die Wirtschaft in der Eurozone stagniert auch im 2. Quartal 2014. In Deutschland und Italien schrumpft die Wirtschaft jeweils um 0,2 Prozent, in Frankreich stagniert das Bruttoinlandsprodukt. Spanien und Portugal hingegen setzen ihren Aufwärtstrend fort und wachsen mit 0,6 Prozent. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Krise in Russland und der Ukraine signifikant ihre Spuren hinterlässt. Auch der DHIK senkt inzwischen seine Exportprognose von 4,5 Prozent auf 3,5 Prozent und sieht deutlich Bremsspuren bei den Ausfuhren aufgrund der Krise. Ähnlich kritisch sieht die EZB sieht die Lage. In ihrem aktuellen Monatsbericht geht die Notenbank jedoch weiterhin davon aus, dass "die Erholung der Wirtschaft des Euro-Währungsgebiets weiter moderat und uneinheitlich verlaufen wird."
… und positive Zahlen in den USA
In den USA hingegen sieht die Situation ganz anders aus. Hochgerechnet auf das Gesamtjahr ist die Wirtschaft von April bis Juni um 4,0 Prozent gewachsen, nachdem sie aufgrund des harten Winters im 1. Quartal noch um 2,1 Prozent geschrumpft ist. Zwar handelt es sich um eine Hochrechnung auf das Gesamtjahr und um vorläufige Zahlen, die vermutlich Ende August noch einmal korrigiert werden, aber dennoch bleibt festzuhalten, dass die Wachstumsdynamik in den USA deutlich stärker ausfällt als in Europa. Für die Weltwirtschaft könnten die verschiedenen geopolitischen Krisen in den verschiedenen Regionen der Welt durchaus negative Spuren hinterlassen - wundern wird es mich nicht.
Wie haben sich die Zinsen zuletzt entwickelt…?
Infolge der sich abschwächenden Wirtschaft und der Krisenherde haben die Bundesanleihen wieder einmal ihre Funktion als "sicherer Hafen" eingenommen. Die Renditen für 10-jährige Bundesanleihen sind auf nunmehr ein Prozent gesunken - der Bund Future konnte die Rekordmarke von 150 Punkten kurzzeitig überschreiten. Auch die Renditen in Frankreich, Italien und Spanien fallen, denn auch auf diesem Niveau steigen die Staatsschulden der Länder in Relation zum BIP weiter an, denn bei Nullwachstum führen auch historisch niedrige Zinsen zu steigenden Schulden und zu schlechteren Kennzahlen. Daher wundert es nicht, wenn die Rufe nach der EZB nach weiteren geldpolitischen Maßnahmen lauter werden. Allerdings helfen der Eurozone nur Strukturreformen. Spanien und Portugal zeigen den Weg aus der Krise - daran könnten sich Italien und Frankreich ein gutes Beispiel nehmen und die Zeit nutzen, die sie durch die EZB bekommen haben.
… und was machen die Aktien?
Seit Anfang Juli haben die Aktienmärkte deutlich korrigiert. Besonders betroffen waren die europäischen Aktien und insbesondere die deutschen Dividendentitel. Der DAX hat seit dem 3. Juli 2014 acht Prozent verloren und der EuroStoxx 50 etwa sieben Prozent. Demgegenüber sind die US-amerikanischen und die japanischen Titel stabil geblieben - der Hang Seng Index in Hongkong konnte sogar um fünf Prozent in diesem Zeitraum zulegen. Das zeigt wie unterschiedlich sich die einzelnen Märkte zuletzt entwickelt haben. Aber auch die Berichtssaison hat zum Teil zu deutlichen Korrekturen bei einzelnen Titeln geführt. Nach Gewinnwarnungen oder korrigierten Gewinnerwartungen wurden manche Aktien wie Adidas um bis zu 40 Prozent abgestraft. Bei K+S belasten die ungünstigen Kalipreise. Andere Unternehmen wie Bayer und Linde klagen über ungünstige Entwicklungen der Währungskurse. Bei Unternehmen wie Osram kommen Strukturprobleme und hausgemachte Fehlentwicklungen hinzu. Positiv ragen Unternehmen wie der bayrische Autobauer BMW heraus. In den USA hingegen haben die Unternehmen die Investoren mehrheitlich positiv überrascht. Vor allem die Technologieaktien konnten überzeugen. Microsoft legte im Cloud-Geschäft zu, Apple verkaufte im vergangenen Jahr wiederum mehr iPhones und Intel verzeichnete eine steigende Nachfrage nach Speicherchips.
Wie geht es weiter?
Nach einer längeren Phase niedriger Volatilität ist das Risiko zuletzt deutlich angestiegen. Es ist davon auszugehen, dass sie in den nächsten Wochen und Monaten weiterhin hoch bleiben dürfte. Während der Aufschwung an den Aktienmärkten in der ersten Phase von den niedrigen Zinsen und der lockeren Geldpolitik der Notenbanken angetrieben wurde, kam in der zweiten Phase die Hoffnung auf eine anziehende Konjunktur hinzu.
Aktuell befindet sich der Markt in einer Reife, wo die Investoren sehr genau hinschauen wie die Gewinnentwicklung verläuft und wie sich die Fundamentaldaten tendenziell gestalten. Enttäuschende Zahlen und schwache Ausblicke werden sofort abgestraft, weil die Bewertungen bereits ambitioniert waren. Die Mehrzahl der Anleger verhält sich momentan wie die Lemminge. Die meisten Investoren möchten stabile Erträge und attraktive Dividenden und geringe Risiken- also Qualitätsaktien. Hier sind die Renditen inzwischen äußerst niedrig und die Chance-Risikoprofile haben sich verschlechtert.
Wenn die Unsicherheit zunimmt, kommt es bei den Aktien zu Gewinnmitnahmen und zu teils drastischen Verkäufen wie das Beispiel Adidas nach einer Gewinnwarnung gezeigt hat. Gerade in diesen schwierigen Phasen lässt sich mit antizyklischem Handeln und Zukäufen bei Aktien Geld verdienen. Investoren sollten dort hinschauen, wo die Märkte nicht sehr attraktiv erscheinen und die Risiken zu überwiegen scheinen. Dort liegen oft die unerkannten Perlen verborgen. Gerade in Krisenphasen tun sich hier neue Möglichkeiten für Investments auf. Der Ansatz hat sich bereits 2009 und auch im Herbst 2011 bewährt. Der mutige und konsequente Anleger wird dafür belohnt, wie die Ergebnisse der Vergangenheit zeigen.
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