17.000 Punkte im DAX wären fair
Von wegen Wonnemonat Mai: Der schockte in den ersten Tagen Anleihe-Sparer mit herben Kursverlusten . Dabei war dies nur ein kleiner Vorgeschmack auf die zu erwartenden Folgen einer Zinswende.
von Gottfried Urban, Vorstand der Bayerische Vermögen AG, Traunstein
Auch bei Aktien müssen Anleger mit zwischenzeitlichen Kursverlusten rechnen. Langfristig führt jedoch kein Weg an dieser Anlageklasse vorbei.
Seit der Finanzkrise 2008 haben die wichtigsten Notenbanken der Welt Schritt für Schritt immer weiter gesenkt. In der Folge stiegen die Kurse vieler Zinspapiere weit über ihren Rückzahlungsbetrag. Je länger die Restlaufzeit eines Zinspapieres ist, desto stärker wirken Zinsänderungen auf die Kurse der Anleihen. Von den Kursanstiegen profitierten die Anleihebesitzer, darunter vor allem Rentenfonds und rentenlastige Mischfonds.
Im April 2015 erreichte die Umlaufrendite die Nulllinie. Dieser Wert stellt den durchschnittlichen Jahresertrag aller deutschen Zinspapiere bester Bonität bis zur Fälligkeit an. Staatsanleihen bis zu einer Restlaufzeit von neun Jahren lagen im Renditeminus.
Ohne Risiko keine Rendite
In den ersten Mai-Tagen stieg die Umlaufrendite von Null wieder auf 0,4 Prozent. Für lange Laufzeiten bedeutete der plötzliche Zinsanstieg Kursverluste von fünf Prozent und mehr. Die hohen Vergangenheitsrenditen von Rentenfonds, die sich aus Zinseinnahmen plus Kursgewinnen ergaben, sind realistisch nicht wieder zu erwirtschaften. Ohne Risiken einzugehen, sind für Anleger keine Erträge mehr zu erzielen.
Doch die Erwartung, dass die Gewinne von börsennotierten Unternehmen wieder fallen müssen oder die nächste Krise vor der Türe steht, lässt viele Privatanleger bei Aktien zögern. Dabei reicht es für ein Langfristinvestment, wenn die Gewinne von Unternehmen auf dem derzeitigen Niveau verharren. Immerhin verdienen die Unternehmen in Euroland aktuell pro Jahr um die sieben Prozent auf das eingesetzte Kapital. Davon wird etwa die Hälfte an die Aktionäre ausbezahlt. Damit liegt der Unternehmerlohn leicht unter dem langfristigen Durchschnitt von acht Prozent.
Unternehmensgewinne rechtfertigen höhere Kurse
Der Abstand zum risikolosen Ertrag - zum Beispiel von Staatsanleihen bester Bonität - war aber noch nie so hoch. Eine Gesetzmäßigkeit am Kapitalmarkt belegt, dass alle Bewertungen immer wieder zum langfristigen Durchschnitt zurückkehren. Im Schnitt soll der Unternehmerlohn etwa vier Prozentpunkte über dem risikolosen Zins - derzeit knapp über Null - liegen. Der DAX wäre jetzt also bei einer Umlaufrendite von drei Prozent fair bewertet. Da die Umlaufrendite tatsächlich nur 0,4 Prozent beträgt, wäre nach dieser These ein DAX-Stand von 17.000 Punkten gerechtfertigt. Stiege die Umlaufrendite bis 2018 wieder auf drei Prozent, wären durch die Gewinnthesaurierung der Unternehmen immerhin noch 15.000 Punkte im DAX eine faire Bewertung.
Doch die Wirtschaft und der Kapitalmarkt verbringen nur wenig Zeit am Durchschnitt. Diese Phase der "Normalität" ist in der Wirtschaftswelt noch lange nicht eingekehrt. Anleger würden aber am liebsten investieren, wenn die Dinge normal sind. Sie bezahlen scheinbar gerne einen hohen Preis für Komfort und kaufen lieber Aktien in wirtschaftlichen Boomphasen und geldpolitischer Stabilität. Wenn dies nicht der Fall ist, dann investieren Anleger lieber in Tagesgeld und sichere Anleihen, auch wenn der Zins gegen Null geht. Eines ist sehr sicher: Der Zinsanlagen sind extrem überbewertet, und wir befinden uns in einer manipulierten Preisblase für Rentenpapiere.
Die meisten Leute interessieren sich für Aktien bei wirtschaftlicher Stabilität. Die beste Zeit ist aber, wenn Aktien nicht als Beteiligung an wunderbaren Unternehmen, sondern als gefährliche Spekulation gesehen wird.
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