Unsicherheiten an den Finanzmärkten sind dafür da, dass sie beseitigt werden
Nachdem sich die Schwellenländer in den letzten Jahren als solide Stütze für die Weltkonjunktur erwiesen, haben sie aktuell mit konjunkturellem Gegenwind zu kämpfen.
Der von der Citigroup veröffentlichte Economic Surprise Index der Schwellenländer - er misst die positiven sowie negativen Abweichungen tatsächlicher Wirtschaftsdaten von den Konsensschätzungen der Volkswirte - zeigt sich seit Jahresbeginn kontinuierlich im Enttäuschungsbereich. Aufgrund des erfolgreichen, aber zeitaufwendigen Aufbaus der Binnenkonjunktur und des Übergangs von einer starken Wirtschaftsdynamik zu mehr nachhaltigem Wirtschaftswachstum ist zwischenzeitliches konjunkturelles Enttäuschungspotenzial nicht auszuschließen.
In Kombination mit einer befürchteten Liquiditätsverknappung der Fed hat eine regelrechte Kapitalflucht aus den Zinsmärkten der Emerging Markets eingesetzt.
Ebenso werden die Aktienmärkte der Schwellenländer nicht verschont, die auf breiter Basis Kursverluste zu verzeichnen haben. Dabei bekommen insbesondere die Branchen Konsum, Einzelhandel und Industrie den Gegenwind zu spüren. Einzig Technologiewerte können sich von dieser Entwicklung abkoppeln.
Währungsverfall als Brandbeschleuniger
Der dramatische Kapitalabzug aus den Schwellenländern setzt zudem deren Währungen unter starken Abwertungsdruck. Aus Angst vor Anlageverlusten verkaufen internationale Investoren präventiv, was den Währungsverfall erneut beschleunigt. Insbesondere Staaten, die abhängig sind von Güterimporten wie Energie oder ausländischem Kapital zur Finanzierung heimischer Infrastrukturprojekte, trifft es hart. So hat die indische Rupie auf handelsgewichteter Basis seit Mai 18, die indonesische Rupie knapp 10 und der brasilianische Real 15 Prozent an Wert verloren.
Die Währungsseite verstärkt insbesondere die Kursverluste aus Rentenanlagen in den Schwellenländern. Haben indische bzw. brasilianische Staatstitel seit Anfang Mai in lokaler Währung gerechnet bereits Kurverluste von knapp 7 bzw. gut 10 Prozent zu verbuchen, fallen diese aus Sicht eines US-Dollar-Investors mit 27 bzw. 25 Prozent wesentlich gravierender aus.
Unterstellen wir einen Anleger aus dem US-Dollar-Raum, der Anfang Mai in 5-jährige indische Staatsanleihen investiert hat, um den Zinsvorsprung zu US-Staatstiteln gleicher Laufzeit von rund acht Prozent auszunutzen. Die einsetzende Währungsabwertung der indischen Rupie zum US-Dollar hätte diesen Zinsvorsprung jedoch bis Mitte Juni aufgezehrt. Das gleiche Schicksal hätte brasilianische Staatstitel ereilt, die Ende Juni unter die Break Even-Schwelle gefallen wären. Spätestens wenn der Zinsvorsprung der Emerging Markets von Währungsverlusten kompensiert wird, sieht sich der US-Investor zum Verkauf gezwungen, um weitere Verluste zu vermeiden.
Die Lage ist besser als ihr Ruf
Insbesondere die Liquiditätsängste rund um die Tapering-Debatte haben den Kapitalabzug aus den Emerging Markets in Gang gesetzt, der im schlimmsten Fall zu einer ungehinderten Abwärtsspirale von Aktien, Renten und Währungen führen kann. Erinnerungen an die Asienkrise 1997 werden bereits wieder wach. Damals konnte die Realwirtschaft nicht mehr ausreichend refinanziert werden.
Jedoch stellt sich die aktuelle Situation an den Finanzmärkten dramatischer dar, als die eigentliche fundamentale Lage in den Schwellenländern ist. Im Vergleich zu den westlichen Industrieländern weisen die Emerging Markets ein deutlich dynamischeres Konjunkturwachstum bei gleichzeitig wesentlich niedrigerem Schuldenstand auf. Wächst die US-Konjunktur laut Schätzungen des IWF 2016 um 3,4 Prozent bei einem Schuldenstand im Verhältnis zum Wirtschaftswachstum von knapp 108 Prozent, so können Indien, Brasilien, Südkorea oder die Türkei ein Wachstum zwischen vier und sieben Prozent vorweisen bei einem allerdings nur halb so hohen Schuldenstand. Zu Zeiten der Asien-Krise sah das deutlich anders aus.
Ifo trotzt den Problemen der Schwellenländer
Eine unerwartet deutlichere Wirtschaftsbaisse in den Emerging Markets würde grundsätzlich auch konjunkturellen Gegenwind für die deutsche Wirtschaft bedeuten.
Im Augenblick geben aber z.B. die chinesischen Frühindikatoren - in China tendiert der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe fest über der Expansion anzeigenden Schwelle von 50 - bislang keinen Hinweis auf eine markante realwirtschaftliche Schwäche. So zeigt sich die deutsche (Export-)Industrie insbesondere aufgrund der Nachfrage aus China - die chinesische Volkswirtschaft ist größer als die der restlichen BRIC-Staaten zusammen genommen - nach deutschem Industrie-Know How anhaltend robust. So konnten die ifo Geschäftserwartungen nach einer Stabilisierung in den Vormonaten zuletzt sogar weiter - wenn auch nur leicht - zulegen.
Überhaupt, setzt man die ifo Geschäftslage und -erwartungen gemäß den vier Phasen eines Konjunkturzyklus zueinander in Beziehung, bewegt sich die deutsche Wirtschaft weiter im Boom-Bereich.
Blackbox Syrien
Syrien bereitet den Anlegern grundsätzlich Kopfzerbrechen, schließlich ist das Land ein politisches wie religiöses Pulverfass. Dem hat das britische Parlament - Großbritannien hat als frühere Kolonialmacht in der Region einen besonders tiefen Einblick - mit einer Absage an Militärschläge Rechnung getragen. Syrien könnte als Gegenreaktion auf einen Militärschlag die Nachbarländer Türkei oder Israel in Mitleidenschaft ziehen. Dann würde der Konflikt zu einem Regionalkonflikt eskalieren, der auch die Verbündeten Syriens, den Iran, Russland und China mit einbezieht. Nicht zuletzt würde der Ölpreis steigen.
Aus heutiger Sicht ist aber zu erwarten, dass es bei einer kurzen Intervention - einem „chirurgischen“ Militärschlag - bleibt und sich der Konflikt nicht ausweitet. Dafür spricht, dass die USA das Regime Assads nicht beseitigen wollen und insofern kein langwieriger Bodenkrieg droht. Es geht darum, ein Zeichen gegen den Gasangriff zu setzen. Das nährt die Hoffnung, dass - wenn die Kanonen dann tatsächlich anfangen zu donnern, dies aber nur kurzfristig tun - wieder der alte Status Quo an die Finanzmärkte zurückkehrt.
Nicht zuletzt würde sich durch eine Eskalation des Syrien-Konflikts auch die Entscheidung in punkto Tapering verzögern und die Finanzmärkte zusätzlich lähmen.
Aktuelle Marktlage und Charttechnik
Die Finanzmärkte zeigen sich zwischenzeitlich weiter nervös. Mehr Klarheit wird sich jedoch im Laufe des Septembers mit der Abarbeitung der anstehenden Entscheidungen Syrien, Bundestagswahl und Tapering zeigen.
Um Kollateralschäden einer unklaren Fed-Politik auf die Weltkonjunktur zu verhindern, sind insbesondere klare Aussagen der US-Notenbank zum Tapering möglichst schon auf ihrer Zinssitzung am 18. September dringend notwendig. Danach dürfte der DAX die Jahresendmarke von 8.800 Punkten ansteuern.
Durchbricht der DAX aus charttechnischer Sicht die unterstützende Kurslücke zwischen 8130 und 8085, müssen weitere Kursverluste bis zur Marke bei 8000 Punkten einkalkuliert werden. Knapp darunter verläuft der seit September 2011 bestehende langfristige Aufwärtstrend bei derzeit 7980 Punkten. Im Falle einer heftigen Korrektur gibt die 200-Tage-Linie bei zurzeit 7909 Punkten soliden Halt.
Eine mögliche Erholung trifft in der Kurslücke zwischen 8219 und 8242 auf einen ersten Widerstand und darüber bei 8266 Punkten. Wird die obere Begrenzung des kurzfristigen Aufwärtstrendkanals bei aktuell 8491 Punkten dynamisch überschritten, liegen die nächsten Hürden bei 8557 und darüber an der Marke von derzeit 8615 Punkten.
Und das passiert in der 36. Kalenderwoche
Im Fokus der Anleger steht eine Fülle von US-Konjunkturdaten, die kritisch auf mögliche Hinweise zum Beginn des Taperings der Fed abgeklopft werden. Zwar wird sich der ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe deutlich in expansivem Terrain zeigen. Allerdings dürften die Auftragseingänge in der Industrie im Juli deutlich zurückgegangen sein und auch der US-Arbeitsmarktbericht wird keine klaren Schlüsse zulassen. Vor allem der Konjunkturbericht der US-Notenbank (Beige Book) wird die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
In Euroland sind von der kommenden Zinssitzung der EZB keine neuen Impulse zu erwarten. Der politische Termin der Bundestagswahl ist zu nah.
In Deutschland ändert sich nichts an dem Positivtrend der Industrieproduktion, auch wenn für Juli mit schwächeren Zahlen zu rechnen ist. Der Export zeigt sich jedoch weiter robust. Die deutsche Wirtschaft folgt grundsätzlich weiter den Frühindikatoren und befindet sich auf Erholungskurs.
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Nach Abschluss seines betriebswirtschaftlichen Studiums begann Robert Halver seinen beruflichen Werdegang zunächst als Wertpapieranalyst bei der Sparkasse Essen. Anschließend arbeitete er als Analyst und Aktienstratege bei der Privatbank Delbrück & Co in Frankfurt.
2001 wechselte Robert Halver zur Schweizer Privatbank Vontobel. Sein Aufgabenschwerpunkt war die Formulierung der Anlagestrategie der Vontobel Gruppe in Deutschland.
Seit 2008 leitet Herr Halver die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG in Frankfurt. In dieser Funktion ist er auch für die Außendarstellung der Baader Bank tätig.
Robert Halver ist durch regelmäßige Medienauftritte, auf Fachveranstaltungen und Anlegermessen sowie durch Fachpublikationen und als Kolumnist präsent.