Interview mit Florian Schulz
„Aktien sind aktuell unterbewertet!“ – Teil 2
Geldanlage-Report: Sie sprechen von der Manipulation der Anleihenmärkte durch die Zentralbanken. Torpediert diese Manipulation nicht Ihre Argumentation? Wenn die FED in rauen Mengen eigene Staatsanleihen kauft, wissen wir doch gar nicht wie hoch der Markt das Risiko US-Staatsverschuldung wirklich einschätzt.
Florian Schulz: Auch hier bekommen Sie von mir zunächst einmal Zustimmung. Unterm Strich sehe ich in der Quantitative Easing Politik der Zentralbanken aber vielmehr den wichtigsten Grund, der für eine Aktien-Rallye spricht. Wenn der Markt mit Liquidität geflutet wird, sind schlicht mehr Anlagegelder vorhanden als vernünftig investiert werden können und dann entsteht eine Situation in der die renditehungrigen Investoren immer risikobereiter werden.
Sieht ein Investor, dass weder an den danieder liegenden Immobilienmärkten, noch an den Anleihenmärkten und erst recht nicht an den Geldmärkten akzeptable Renditen erzielt werden können, dann greift er irgendwann zu Aktien.
Geldanlage-Report: Sie argumentieren also mit dem sogenannten Anlagenotstand als Auslöser einer Aktienrallye. Können Sie noch einmal anschaulich erklären warum Sie daraus eine Unterbewertung der Aktienmärkte ableiten?
Florian Schulz: Stellen Sie sich vor, dass das durchschnittliche Gewinnwachstum aller AGs weltweit 10 Jahre lang bei 0% liegt und nehmen Sie weiter an, dass diese Unternehmen trotz ihrer gigantischen Barmittelberge zu verunsichert sind um die Dividendenausschüttungsquote zu erhöhen. Würden Sie das als ein pessimistisches Szenario bezeichnen?
Anmk. Der Red.: Aktuell sitzen alleine US-Firmen auf über 2 Bio. USD an Barmitteln!
Geldanlage-Report: Ja, sicher.
Florian Schulz: Eben. Selbst in diesem sehr pessimistischen Szenario stehen Sie wenn Sie heute einen durchschnittlichen globalen Korb von Aktien kaufen mit Ihrer Investition in 10 Jahren genauso gut da wie wenn Sie heute 10-jährige US-Staatsanleihen kaufen, denn wir erleben aktuell etwas sehr ungewöhnliches: die durchschnittlich für 2011 erwartete Dividendenrendite an den globalen Aktienmärkten liegt mit 2,7% über der Rendite von 10-jährigen US-Staatsanleihen.
Wenn man genauer ist, preist der Markt nach dieser Rechnung aktuell sogar 10 Jahre fallende Unternehmensgewinne ein, denn Unternehmen zahlen nicht alle Gewinne aus, sondern akkumulieren mit einem Großteil der Gewinne Vermögenswerte. Analysten vergleichen daher die Anleihenrendite in der Regel nicht mit der Dividendenrendite sondern mit der sogenannten Gewinnrendite am Aktienmarkt, also dem inversen KGV. Hier sind die Unterschiede aktuell so groß wie nie zuvor.
Geldanlage-Report: Sie vergessen Risikofaktoren wie z.B. Volatilität und Liquidität. Es heißt doch „höhere Gewinnerwartung gleich höhere Risiken“.
Florian Schulz: Natürlich. Daher sehe ich auch nicht den Spread zwischen der Gewinnrendite von Aktien zu den Renditen von US-Treasuries oder deutschen Bunds als das entscheidende Zeichen für eine Unterbewertung des Aktienmarktes sondern den Spread zwischen den Renditen von Aktien und Risiko-Anleihen.
Hier könnte das Bild nicht klarer sein: Das erste Mal in der Geschichte liegt die Gewinnrendite des MSCI World Index über der Verzinsung von durch das Hause Moodys mit Baa3 bewerteten Anleihen. Auch die Verzinsung des JP Morgan Emerging Markets Bond Index ist innerhalb der vergangenen 10 Jahren von fast 15% auf ein Allzeittief bei 5,29% gefallen und sie liegt unter dem inversen KGV von Emerging Markets Aktien.
Aktuell verhält sich der Anleihenmarkt als würde es den Unternehmen und Staaten finanziell so gut gehen wie selten zuvor und der Aktienmarkt verhält sich so als würde eine tiefe und langanhaltende Krise bevorstehen. Entweder Anleihen sind überbewertet oder Aktien sind unterbewertet!
Geldanlage-Report: Gilt das für Aktien allgemein oder nur für Emerging Markets Aktien?
Florian Schulz: Die in diesem Gespräch beschriebenen Kräfte betreffen fast alle Aktienmärkte. Allerdings sprechen drei entscheidende Alleinstellungsmerkmale dafür, dass die Aktienmärkte der Emerging Markets auch zukünftig die Liquidität stärker anziehen werden wie die Börsen der Industrieländer.
1. Außerhalb Osteuropas hat die Finanzkrise die Banken der Emerging Markets weitestgehend verschont, so dass hier ein gesundes Bankensystem für funktionierende Kreditmärkte sorgen kann.
2. Die Emerging Markets haben ihre Wachstumsperspektive in der Krise nicht verloren. Im Gegenteil: Das BIP Chinas liegt heute mehr als 30% über dem Vorkrisenwert, wohingegen in den Industrieländern bisher noch nicht einmal das Vorkrisenniveau wieder erreicht wurde. Anleger, die heute nach Wachstum suchen, kommen daher an den Emerging Markets nicht vorbei.
3. Insbesondere in Asien besteht ausgesprochen starke Währungsaufwertungsfantasie, denn die USA unternehmen alles um den Dollar gegenüber asiatischen Währungen zu schwächen und um den Yuan zur Aufwertung zu zwingen.
Geldanlage-Report: Sehr geehrter Herr Schulz, wir bedanken uns für das Gespräch!
Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.