Atemberaubende Volatilität am Gesamtmarkt
Deutsche Erdgaspreise fallen stark: Lenkt Putin ein?
Die Volatilität am deutschen Aktienmarkt ist atemberaubend. Der DAX knüpft exakt dort an, wo er im Dezember aufgehört hat.
Soll heißen: Extreme Ausschläge in beide Richtungen, die kurzfristig orientierte Trendanleger zur Verzweiflung treiben können. Das potenzielle Black Swan-Ereignis im Hintergrund bleibt der Ölpreis, der trotz des vorausgegangenen historischen Kursverfalls bisher nur marginale Erholungsbewegungen zustande brachte. In der zurückliegenden Handelswoche wurde ein neues Sechs-Jahres-Tief bei weniger als 48 US-Dollar je Barrel WTI Crude (US-Sorte) markiert. Begleitet wird das schwarze Gold auf seinem Absturz vom Euro, der gegenüber dem US-Dollar zwischenzeitlich die 2010er-Tiefs unterschritten hat und auf den tiefsten Stand seit Dezember 2005 gefallen ist.
Panikverkäufe wie beim Absturz im Dezember blieben aber aus. Im Gegenteil: Am Mittwoch und Donnerstag gab es eine kurze, dafür aber umso heftigere Erholungs-Rallye. Mr. Markt ist also weiter manisch-depressiv. Ausgerechnet der "Zündler vom Dienst", Wladimir Putin, scheint nun aber zur Entspannung beizutragen.
Zu meinen täglichen Pflichtlektüren gehört der US-Trend-Trading-Dienst Investors Business Daily (IBD). IBD hat einen trendorientierten Gesamtmarktindikator entwickelt. Dieser wechselt immer dann von "Bestätigter Aufwärtstrend" zu "Markt in Korrektur", wenn die Distribution Days über Hand nehmen.
Distribution Days sind Tage an denen der Markt bei im Vergleich zum Vortag und zum Durchschnitt der letzten Monate erhöhtem Handelsvolumen deutlich an Wert verliert - bevorzugt nach einem relativ starken Handelsbeginn.
Diese "Verteilungstage" signalisieren, dass institutionelle Anleger vermehrt auf der Verkaufsseite stehen, und kündigen wenn sie gehäuft auftreten, eine stärkere Korrektur am Gesamtmarkt an. Zumindest in der Theorie!
Momentan gibt es aber Fehlsignale in Hülle und Fülle. Am Dienstag dieser Woche war es mal wieder soweit: Es hatten sich so viele Distribution Days angesammelt, dass der Marktausblick auf "Markt in Korrektur" gewechselt hat. "Markt in Korrektur" heißt in der Praxis: Den Lesern des Dienstes wird empfohlen, die Stopps nach oben anzupassen und durch Verkäufe, Gewinne mitzunehmen bzw. Verluste zu begrenzen. Neue Käufe sollten ganz unterlassen werden.
Prompt folgten aber am Mittwoch und Donnerstag zwei Handelstage mit fulminanten Kursgewinnen, die die großen Indizes NASDAQ, Dow Jones und S&P 500 wieder nach oben katapultierten. Erneut scheint es so, als ob die Anleger, die nach dem Indikator von IBD traden, genau zum falschen Zeitpunkt aus dem Markt gekegelt worden sind.
Prompt wechselte das Signal am Donnerstag nach Handelsschluss wieder auf "Bestätigter Aufwärtstrend". Nicht wenige IBD-Leser dürften inzwischen der Verzweiflung nahe sein. Glücklicherweise arbeite ich in meinem Premium-Dienst Trend-Trader mit einem anderen, weniger "nervösen" Gesamtmarktindikator, so dass uns in 2014 trotz der "widrigen Umstände" eine mehr als ordentliche Performance von +26 Prozent gelungen ist.
So oder so: Es ist unerlässlich bei der Umsetzung einer trendorientierten Strategie mit einem Gesamtmarktindikator zu arbeiten, der sich am vorherrschenden Trend orientiert. Wir müssen den Finger am Puls des Marktes haben. Denn Aktien zu kaufen, die nach Konsolidierungen auf neue Hochs ausbrechen, ist nur dann sinnvoll, wenn das Umfeld zumindest neutral ist. Ansonsten passt das Chance-Risiko-Verhältnis einfach nicht.
Und vor allem: Früher oder später werden wir wieder einen massiven, länger anhaltenden Einbruch am Aktienmarkt erleben. Das zyklisch adjustierte KGV nach Shiller (auch KGV10 genannt, weil es die jährlichen Gewinnschwankungen der Unternehmen über einen Zeitraum von zehn Jahren glättet) ist ein guter Langfrist-Indikator für die Entwicklung eines Gesamtmarkts.
Wenn Sie den Geldanlage-Report schon länger lesen, kennen Sie diese Kennzahl wahrscheinlich schon. Das KGV10 für den S&P 500 ist inzwischen bis auf 26,8 gestiegen.
Dieser Wert liegt satte 61,4 Prozent höher als der historische Durchschnitt von 16,6. Das heißt: Die Aktienkurse sind viel schneller gestiegen als die Gewinne der Unternehmen. Das ist gefährlich! Die zu erwartende jährliche Rendite in den kommenden zehn Jahren für den S&P 500 (bzw. die 500 darin enthaltenen Aktien) ist damit auf 0,5 Prozent gesunken. Das ist ungefähr das, was Sie aktuell auch für Tagesgeld bekommen, also verschwindend wenig. Schaut man sich die Ausschläge in den letzten ein, zwei Dekaden an, in denen sich extreme Bullenmärkte mit extremen Bärenmärkten abwechselten (Jahrtausend-Salami-Crash, Terroranschläge 2001, Weltfinanzkrise 2008/2009 usw.), ist es höchst unwahrscheinlich, dass die aktuelle Überbewertung durch eine lange Seitwärtsbewegung abgebaut wird.
Die exzessive Flutung der Märkte mit Liquidität durch die Notenbanken (Quantitative Easing) beschwört quasi zwangsweise Blasenbildungen in bestimmten Asset-Klassen herauf, die dann jeweils mit einem lauten Knall und entsprechenden Verwerfungen am Aktienmarkt zu platzen pflegen.
In dieser Konstellation nach nun bald sechs Jahren Bullenmarkt "kostolany-like" mit Buy-and-Hold zu agieren, also Aktien zu kaufen und sich dann "schlafen zu legen", ist meiner Ansicht nach pures Harakiri.
Ich halte es für ziemlich verantwortungslos, wenn sich hier altbekannte Börsenstrategen und Meinungsmacher in den Medien hinstellen und - quasi wie jedes Jahr - von glänzenden Perspektiven für den Aktienmarkt schwadronieren. Für einige könnte es dann - wieder mal - ein böses Erwachen geben...
Verstehen Sie mich nicht falsch. Der "Roaring Bull" könnte in 2015 durchaus noch eine Art finalen Amoklauf starten und die Kurse in ungeahnte Höhen katapultieren. Im Millenniums-Jahr hatte das Shiller-KGV im Zuge der Internet-Bubble sogar einen historischen Höchststand von 44 erreicht, bevor dann der Absturz folgte. In solchen Phasen lässt sich mit der Trendstrategie extrem viel Geld verdienen. Ich spreche hier aus eigener Erfahrung. Wir tanzen auf den Tischen, solange die Musik spielt, hat Nicolas Darvas damals formuliert. Man darf nur keinesfalls den Absprung verpassen.
Trendstrategie - Nie war sie so wertvoll wie heute
Ich bin mir sicher: Wir werden innerhalb der nächsten ein bis drei Jahre wieder einen heftigen Absturz erleben, wo Sie allen Heiligen und Scheinheiligen danken werden, wenn Sie sich rechtzeitig aus dem Staub gemacht haben und nicht zum Aussitzen verdammt werden. Denn diese Sitzphase könnte dann verdammt lang und unangenehm werden. Wenn es in den letzten 150, 200 Jahren eine Konstante an den Börsen gab, dann ist es das "Reversion to the mean"-Konzept. Es besagt, dass Märkte zu Übertreibungen neigen, die sich im Zeitablauf nicht nur zufällig korrigieren, sondern ein "Gedächtnis" haben, und vorherige Trends umkehren.
Daher folgt aus einem Kursanstieg die Notwendigkeit eines künftig sinkenden Kurses und umgekehrt. "Diesmal ist alles anders", sind die wohl teuersten Worte, die im Umfeld von Börsen gesprochen werden. 1999 hieß es auch "diesmal ist alles anders", weil das Internet die Parameter des Geschäftslebens völlig verändere und daher auch die alten Bewertungsmaßstäbe hinfällig seien. Ersteres war richtig, aber letzteres leider komplett falsch.
Im aktuellen Bullenmarkt ist einer der Kurstreiber die "Mobile Commerce/Mobile Internet"-Thematik, in Kombination mit dem Siegeszug der Smartphones. Das wird aber trotzdem nichts daran ändern, dass auch die aktuelle Bewertungsübertreibung wieder abgebaut werden wird. Gerade deshalb ist die Trendstrategie aktuell so wertvoll wie nie zuvor. Nur mit den Eckpfeilern "Kauf von Qualitätsaktien nach enger Konsolidierung bei Ausbruch mit hohen Handelsvolumina" und "Sofortige Absicherung der Position mit relativ engem Stopp" kommen Sie schnell in den Markt rein und frühzeitig wieder raus, wenn der Trend kippt.
Natürlich kann das dazu führen, dass Sie in trendlosen Jahren wie 2014 das eine oder andere Mal ausgestoppt werden. Das mag von Zeit zu Zeit frustrierend sein. Aber das große Geld wird an der Börse mit den großen Bewegungen verdient - oder eben verloren. Dann MÜSSEN Sie auf der richtigen Seite stehen!
Wenn ich immer vom US-Markt rede: Zwar ist der deutsche Markt im direkten Vergleich mit einem Shiller-KGV von aktuell rund 18 deutlich niedriger bewertet, aber die Vergangenheit zeigt, dass sich deutsche Aktien nicht in nennenswertem Umfang vom US-Markt abkoppeln können. Zu eng sind die Verzahnungen.
Der drohende Bärenmarkt wird eventuell in Deutschland und anderen relativ niedrig bewerteten europäischen Märkten nicht ganz so heftig ausfallen, ausbleiben wird er aber trotzdem nicht.
Sorgt Putin für eine neue Börsen-Rallye?
Wie geht es nun aber kurzfristig weiter? Ohne eine konkrete Prognose abgeben zu wollen: Unübersehbar ist, dass die Angst vor den Folgen eines fallenden Ölpreises immer mehr nachlässt. Auch in der zurückliegenden Woche ist der Ölpreis noch deutlich weiter gefallen, den Aktienmarkt hat es aber nicht mehr wirklich interessiert. Sogar viele Ölaktien arbeiten nun an einer Bodenbildung.
Die Vehemenz mit der der Markt die Kursverluste der vorangegangenen fünf Tage in nur zwei Handelstagen (Mittwoch und Donnerstag) fast komplett wieder wettgemacht hat, ist beeindruckend. Der Risikoschalter scheint wieder auf "on" umgelegt zu werden. Was aber steckt dahinter?
Nun, in den letzten Tagen sind - von vielen unbemerkt - die Erdgaspreise in Deutschland extrem gefallen, um mehr als 15 Prozent. Das ist überraschend, denn bisher war ja befürchtet worden, dass Wladimir Putin als eine Art Vergeltungsschlag gegen die Wirtschaftssanktionen des Westens, den Gashahn zudrehen könnte. Weil Putin das Wasser aber derart bis zum Hals steht und Russland eine massive Rezession droht, scheint er nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen zu wollen. Prompt hat sich auch der Rubelkurs wieder etwas gefangen. Es könnte im Vorfeld des angekündigten Krisengipfels also zu einer Entspannung der Lage kommen.
In den Medien rücken dazu passend derzeit wieder die positiven Aspekte des Ölpreisverfalls in den Blickpunkt: Goldman Sachs schätzt, dass in den USA in 2015 rund 300.000 neue Jobs geschaffen werden, wenn der Ölpreis niedrig bleibt. Speziell profitieren würden die Autoindustrie, der Transport-/Logistik-Sektor, Restaurants und der Immobilienmarkt, aber auch der klassische Einzelhandel.
Leiden würden zwar Öl- und Gasfirmen und deren Zulieferer, aber hier arbeiten nur 1,4 Prozent der US-Bevölkerung. Für den Großteil der Amerikaner bedeutet der Ölpreissturz geringere Energiekosten und damit mehr Geld für den Konsum. Wie oben beschrieben wurde zudem während der jüngsten Mini-Korrektur viel spekulatives Kapital aus dem Markt gespült. Das Sentiment hatte sich extrem verschlechtert. Und gemäß der alten Weisheit, dass sich der Markt am liebsten an einer Wand der Angst nach oben hangelt, scheint diese Gemengelage ein guter Nährboden für steigende Kurse zu sein.
MEIN FAZIT:
Extreme Ausschläge in beide Richtungen ohne dass ein klarer Trend vorhanden wäre, prägen das derzeitige Bild am Aktienmarkt. Für Trendanleger ist das schwierig, weil sie immer wieder im falschen Moment ausgestoppt werden. Angesichts extrem hoher Bewertungsniveaus, speziell in den USA, und eines nun bereits sechs Jahre währenden Bullenmarktes, ist ein größerer Einbruch aber nur eine Frage der Zeit. Anleger können nur mit einer diszipliniert umgesetzten Trendstrategie den Bullenmarkt ausreizen und dann im Anschluss rechtzeitig in Cash gehen. Es wird eine große Bewegung kommen und dann müssen Sie richtig positioniert sein! Ganz kurzfristig nimmt der Risikoappetit der Anleger wieder zu nachdem Russland im Gasstreit einzulenken scheint und der Markt sich auf die positiven Aspekte des Ölpreisverfalls konzentriert.
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Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.