Geldanlage-Report Armin Brack

Alternative Bio-Investments und Natural-Dividenden: Was Zukunft hat!

08.07.15 17:14 Uhr

Alternative Bio-Investments und Natural-Dividenden: Was Zukunft hat! | finanzen.net

Im Rahmen eines Specials in meiner Premium-Publikation Trend-Trader habe ich mich damit beschäftigt, wie sich Aktien und andere Anlageklassen in früheren Krisenzeiten verhalten haben, z.B. während bzw. nach Währungsreformen

Dabei ist mir noch klarer geworden, dass es mit herkömmlichen Anlage(klasse)n nur sehr bedingt einen wirklichen Vermögensschutz vor einem Zusammenbruch des Finanzsystems geben kann.

Sollte es in Deutschland irgendwann mal soweit kommen, dass die Banken - wie in Griechenland - in Folge einer schweren Finanzkrise geschlossen bleiben müssen (und so weit waren wir ja 2008/2009 nicht mehr davon entfernt), wäre es von großem Vorteil, wenn man sich als Bürger zumindest teilweise autark vom normalen Geld-Kreislauf mit Nahrungsmitteln versorgen könnte.

Bei meinen Recherchen bin ich auf interessante Konzepte gestoßen, die - ganz unabhängig vom Zustand des Finanzsystems - die Umwelt schützen, lokalen Biobauern Kredite für Investitionen zur Verfügung stellen und noch dazu im Trend liegen.

SoLaWi = Solidarische Landwirtschaft

In der solidarischen Landwirtschaft tragen mehrere Privat-Haushalte die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebs, wofür sie im Gegenzug dessen Ernteertrag erhalten. Durch den persönlichen Bezug zueinander erfahren sowohl die Erzeugerinnen als auch die Konsumentinnen die vielfältigen Vorteile einer nicht-industriellen, marktunabhängigen Landwirtschaft.

Der Buschberghof in Schleswig-Holstein war 1988 der erste seiner Art in Deutschland und leistete lange auf eigene Faust Pionierarbeit. Inzwischen gibt es das Konzept auf der ganzen Welt, international bekannt unter dem Kürzel CSA für Community Supported Agriculture.

Betriebskosten werden von den Mitgliedern der Wirtschaftsgemeinschaft finanziert, die dafür im Gegenzug die gesamte Produktion des Hofs erhalten. Kurz: Es wird nicht mehr für Lebensmittel bezahlt, sondern für die Bewirtschaftung des Hofs. "Wir nehmen den Lebensmitteln ihren Preis und geben ihnen so ihren Wert zurück", bringen Anhänger die Idee dahinter auf den Punkt.

SoLaWi ist ein Statement gegen Massentierhaltung, gegen Monokulturen und die Vernichtung von Lebensmitteln und für eine vielfältige, naturnahe Landwirtschaft. Produziert werden z.B. Brot, Butter, Joghurt, Käse, Gemüse, Salat, Fleisch, Eier. Die Lebensmittel werden häufig auf Wunsch auch frei Haus geliefert, z.B. via Gemüsekiste oder wohnnah in entsprechenden Depots zur Abholung gelagert.

Viele Betriebe haben das Demeter-Ökosiegel, alles Tierfutter wird selbst angebaut, der Mist dient als Dünger für die Pflanzen etc. Bedrohte Haustierrassen (wie z.B. das Angler Rotvieh) werden nachgezüchtet. Die Arbeit teilen sich auf den Höfen mehrere Landwirte, so dass auch die Möglichkeit besteht, Urlaub zu machen. Ein modernes Konzept!

Erst nach zehn Jahren, 1998, kam der zweite SoLaWi-Hof in Deutschland dazu, seit etwa fünf Jahren explodiert die Zahl aber. Da wurden die Globalisierungsgegner Attac auf das anthroposophisch geprägte Konzept (Arbeit wird hier häufig mit Sozialtherapie kombiniert, z.B. Eingliederung von Behinderten etc.) aufmerksam und rührten kräftig die Werbetrommel.

Im Herbst 2013 stellte eine soziologische Studie der Universität Frankfurt fest, dass nur noch die Hälfte der damals 39 SoLaWi-Betriebe einen anthroposophischen Hintergrund habe. Inzwischen gibt es bereits über 80 Höfe und über 90 neue Initiativen wollen demnächst starten. Hier gibt es eine Übersicht.

Wie läuft das konkret? Beim Buschberghof liegt das Jahresbudget aktuell bei gut 360.000 Euro, die 95 Haushalte mit rund 300 Menschen aufbringen. Die Mitglieder zahlen im Schnitt etwa 100 Euro pro Person im Monat oder 330 Euro pro Familie.

Dabei zahlt aber jeder nur soviel wie er aufbringen kann. Dennoch gelang bisher in jedem Jahr die Deckung des Etats. Häufig beteiligen sich die Mitglieder auch an Mitmachtagen, organisieren gemeinsame Feste u.ä.

Auch im Ausland gewinnt der Trend an Fahrt: In den USA gibt es inzwischen bereits rund 12.000(!) solcher Höfe. Einer der Pioniere ist dort Trauger Groh, der das Konzept 1998 mit seinem in viele Sprachen übersetzten Buch "Farms of Tomorrow" bekannt gemacht hat. Auch Frankreich und sogar Japan ziehen inzwischen nach.

Eine Geldanlage im eigentlichen Sinn ist das Ganze natürlich nicht, weil ja kein Geld zurückfließt, dafür aber eine Investition in eine lebenswerte Umwelt und gesunde Ernährung zum Wohle des eigenen Körpers.

Food Funding

Johannes Tschesche und seine Frau Monika Elias, die über die Plattform www.erzeugerwelt.de bisher Direktvermarkter von Lebensmitteln und deren Kunden vernetzen, wollen das Konzept der Solidarischen Landwirtschaft ins Digital- bzw. Projektzeitalter hieven.

Dabei investieren Interessierte ihr Geld nicht mehr direkt in einen Hof oder eine Produktionsstätte, sondern in ein bestimmtes Projekt, den Produktanbau selbst quasi. Das kann beispielsweise die Herstellung einer bestimmten Menge Fleisch, Wurst, Wein, Käse oder Honig sein. Die zu investierende Summe soll pro Person bei 50 bis 250 Euro liegen, die vom Erzeuger für Saatgut, Weinreben und Betriebsmittel eingesetzt werden.

Die "Rückzahlung" erfolgt wie bei der SoLaWi zu 100 Prozent in Naturalien. Foodfunding nennt sich das Ganze und bereits in wenigen Wochen will die Plattform die ersten Bauern an den Start bringen. Vertreten sein werden dann u.a. Orangenbaumzüchter, Imker und Garnelenzüchter.

Die Idee ist ohne Zweifel spannend und verbindet die Vorteile der SoLaWi mit einem modernen digitalen Vermarktungskonzept, das sich zu einem Trend entwickeln könnte.

Regionale Wirtschaftsgemeinschaften als kommerzielle AGs

Unterstützt wird Erzeugerwelt.de von der Bürgeraktiengesellschaft Regionalwert AG aus Emmendingen bei Freiburg.

Bürger können sich mit eigenem Kapital direkt an der Gesellschaft beteiligen und damit in die Wertschöpfungskette des Öko-Landbaus in der Region investieren.

Die Erzeuger nutzen das Kapital für Hofübergaben, Landkäufe und Investitionen in Betriebsmittel. Dabei wird innerhalb der Wertschöpfungskette eine faire Verteilung der Ertragschancen zwischen Erzeugern, Verarbeitern und dem Handel angestrebt.

Ziel dieser AG ist nicht die Renditemaximierung, sondern die Sicherung der Bodenfruchtbarkeit und Biodiversität, von bäuerlichen Strukturen und Versorgungs-Netzwerken sowie von Qualifikationen, Arbeitsplätzen und Einkommen.

Das Projekt ist bisher eine Erfolgsgeschichte. Das Grundkapital wurde Ende Januar erneut um 739.000 Euro erhöht und liegt inzwischen bei 2,97 Millionen Euro. Es wurde in 19 Unternehmen der regionalen ökologischen Land- und Regionalwirtschaft investiert, darunter auch in etliche Existenzgründer, die ohne das Kapital der Regionalwert AG ihren Betrieb nicht hätten gründen können. Allerdings gab es bisher keine Ausschüttungen in Form von Gelddividenden und bis auf eine Ausnahme wurden in jedem Jahr Verluste geschrieben.

Als reine Kapitalanlage ist das Ganze also nicht zu empfehlen bzw. nur für Investoren mit sehr langem Anlagehorizont. Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg rät entsprechend zur Vorsicht. Durch die anhaltenden Verluste ist das Unternehmen auf regelmäßige Kapitalzufuhren angewiesen, und für die braucht es Investoren.

Die Banken sind sehr zurückhaltend, was Gründer Christian Hiß auch entsprechend bemängelt: Die Kreditgewährung der Banken sei an industrielle Maßstäbe angelehnt. Demnach ist das Verhältnis von Investitionsbedarf zu späterem Umsatz ungünstig, so dass den Erzeugern als erste Wertschöpfungsstufe das nötige Startkapital meistens verwehrt bleibt. Genau dann springt die Regionalwert AG ein. Theoretisch existiert auch hier ein Insolvenzrisiko.

Dass trotzdem neues Geld eingesammelt werden konnte und die Regionalwert AG somit weiter expandieren kann, zeigt aber auch dass in der Bevölkerung ein Umdenken einsetzt und nicht mehr nur die Profitmaximierung bei Investments im Mittelpunkt steht.

Hiß ist so oder so zuversichtlich, dass das Unternehmen mittelfristig in die Gewinnzone kommen wird. Viele Unternehmen sind erst seit weniger als fünf Jahren dabei und müssen sich zunächst noch entwickeln. Über 500 Menschen sind inzwischen bereits Aktionäre der Regionalwert AG, überwiegend sind es Freiburger.

Er ist mehr denn je von der Zukunftsfähigkeit des Modells überzeugt: "Biolandbau steht zunehmend auch für Handlungsfähigkeit und Eigenständigkeit des Landwirtes anstelle der Abhängigkeit von monopolistischen Großkonzernen und deren Produkten.

Wenn sich künftig die Nebenkosten, die durch konventionellen Landbau entstehen, in den Preisen der Produkte widerspiegeln, werden Bio-Erzeugnisse auch preislich konkurrenzfähig sein", sagte Hiß am Rande der Feierlichkeiten zu 60 Jahren Bioanbau in seinem Heimatort Eichstetten.

Dennoch ist hier etwas in Gang gekommen und inzwischen gibt es auch Regionalwert AGs in Hamburg, der Region Isar-Inn und für den Herbst ist eine Neugründung für Nordrhein-Westfalen geplant.

Mir gefällt an dem Konzept, dass eine grundsätzliche Gewinnabsicht vorhanden, auch wenn diese nicht unbedingt im Vordergrund steht. Viel wird auch von den Marketing-Bemühungen abhängen damit es gelingt breitere Bevölkerungsschichten von der Idee zu überzeugen. Ist erst einmal eine kritische Masse an Menschen erreicht, könnte das Ganze zum Selbstläufer werden. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.

Ackerhelden

Das Ganze passt irgendwie auch zum Trend hin zum Rückzug in den Nahbereich, der sich auch medial im Erfolg von Zeitschriften wie LandLust, Mein schönes Land, LandLiebe, LandIDEE usw. ausdrückt. Auch wenn einerseits immer mehr Menschen vom Land in die Staat flüchten, gibt es andererseits auch eine Rückbesinnung auf traditionelle Werte und Normen, altes Kunsthandwerk und heimische Küche.

Mit diesem Trend schwimmt auch ein erfolgreiches deutsches Start-Up, Ackerhelden. Auf der Seite kann jeder, der Lust dazu hat, für 50 Euro im Monat eine eigene Ackerparzelle in Biobodenqualität mieten und dann selbst drauf los ackern. Das Ganze ist auch für Anfänger geeignet und artet nicht in Knochenarbeit aus.

Die Firma bestellt den Acker schon im Voraus. Rund 20 verschiedene Gemüsesorten sind bereits vorab eingepflanzt. Wer ein Ackerheld werden will, muss dann nur noch jäten, bewässern - und ernten. Eine Rundum-sorglos-Beratung für alle, die Fragen haben, ist in Form einer digitalen Community inklusive.

Bereits mit wenigen Stunden Aufwand pro Woche lassen sich gute Ernteerfolge erzielen. Inzwischen gibt es die Ackerhelden an 18 Standorten jeweils im Dunstkreis größerer Städte. 2500 Leute ackern bereits mit. Die Gründer Birger Block und Tobias Paulert legen dabei beim Einpflanzen der Setzlinge noch selber Hand an.

Die Nachfrage ist groß. Immerhin durchschnittlich 13 Interessenten melden sich pro Tag. Das Problem besteht eher darin, ausreichend viele geeignete Ackerflächen zu bekommen. Auch Konkurrenz gibt es bereits, nämlich in Form des Bonner Start-Ups MeineErnte.

Beide Anbieter finanzieren sich bisher aus Eigenmitteln. Ackerhelden.de will Ende des Jahres den Sprung in die Profitabilität schaffen.

Urban Farming

Eine Mischung aus Bio und moderner Technik bieten die Berliner ECF Farmsystems. Aquaponik nennt sich die Technologie bei der Fischaufzucht und Gemüseanbau auf engem Raum innerhalb der Stadt miteinander kombiniert werden.

Das bei der Produktion von Rosé Barsch mit Nährstoffen angereicherte Wasser wird in das Gewächshaus geleitet und versorgt dort die Pflanzen mit natürlichem Dünger. Durch diese lokale Produktion braucht es keine Transportwege und Kühlketten und ECF kommt ohne Pestizide, Antibiotika und Gentechnik aus.

Im angeschlossenen ECF Farmer´s Market können Kunden dann wöchentlich ihre frische Farmbox mit Gemüse abholen und ab Oktober 2015 auch frischen Fisch. Weitere Infos gibt es hier.

MEIN FAZIT:

Die vorgestellten Projekte taugen überwiegend nur am Rande zur echten Geldanlage, zumal es Dividenden bzw. Rückflüsse häufig nur in Form von Naturalien gibt. Gerade die gesicherte Versorgung mit Nahrungsmitteln könnte aber in Krisenzeiten und im Falle eines Zusammenbruchs des Finanzsystems besonders wertvoll und wichtig werden.

In regionale Wirtschaftsgemeinschaften wie die Regionalwert AG können Sie dagegen auch große Beträge investieren. Hier können Sie als Aktionär früher oder später auch auf eine Dividende hoffen. Ob sich ein Investment aus reinen Renditegesichtspunkten lohnt ist zwar sehr fraglich, aber zumindest taugen Sie gut zur Diversifizierung ihres Depots und Sie unterstützen damit den Bio-Wirtschaftskreislauf der Region und letztlich auch die Versorgung mit gesunden, lokalen Bio-Lebensmitteln.

Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.