Tanz auf dem Vulkan
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Auf den ersten Blick können sich Anleger freuen: In den ersten sechs Monaten legten die Kurse so kräftig zu wie selten zuvor, der DAX steht im Bereich des Jahreshochs und die US-Indizes markierten neue Bestmarken.
Doch der Schein trügt, denn die eigentlichen Gründe der Rally sind klare Warnsignale. Wie sollten sich Anleger positionieren?
"Politische Börsen haben kurze Beine" lautet eine bekannte Börsenregel. Die Realität sieht hingegen anders aus: Eigentlich sollte der Brexit Ende März vollzogen sein und auch beim Thema Handelsstreit rechneten die meisten Experten in den ersten Monaten des Jahres mit einem Deal. Doch die Wünsche wurden nicht erfüllt, beide Risikofaktoren werden Investoren weiter beschäftigen und immer stärker auch die Geldpolitik der Notenbanken beeinflussen.
In Deutschland verdichten sich die Signale, dass die Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal geschrumpft sein könnte, eine Rezession rückt näher. Die starke Exportabhängigkeit der heimischen Wirtschaft wird nun zum Bumerang: Kühlt sich die Weltwirtschaft ab, leidet die einstige Konjunkturlokomotive der Euro-Region überdurchschnittlich stark.
So lag der Einkaufsmanagerindex für die weltweite Industrie im Juni auf dem niedrigsten Niveau seit gut sechseinhalb Jahren und zum ersten Mal seit Mitte 2012 den zweiten Monat in Folge unter der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Der Trend dürfte sich fortsetzen: Schon jetzt blickt US-Präsident Donald Trump auf den Präsidentschaftswahlkampf im kommenden Jahr. Er will einen Deal als Sieg vor den Wahlen nutzen, um sich als starker Präsident feiern zu lassen, der seine Wahlversprechen eingelöst hat. Eine schnelle Lösung zeichnet sich nicht ab, die US-Regierung wird auf Zeit spielen.
Notenbanken reagieren
Aufgrund der globalen Konjunkturabkühlung steht nun auch die US-Notenbank unter Zugzwang. Statt zwei weiterer Zinserhöhungen in 2019 wird die Fed sehr wahrscheinlich auf der nächsten Sitzung am 31. Juli die Zinsen senken. "Mit der 180-Grad-Wende rauschen seit Wochen die Renditen am Anleihemarkt in den Keller, zumal auch die EZB weitere Lockerungsmaßnahmen angedeutet hat", meint Carlo Alberto de Casa, Chefanalyst beim britischen Brokerhaus ActivTrades. Global gesehen werfen Anleihen in einem Volumen von rund 13 Billionen Dollar negative Zinsen ab, dies entspricht dem BIP Chinas. Um überhaupt noch positive Renditen zu erwirtschaften, steigen zunehmend mehr Investoren in riskantere Anlagen wie Aktien ein. Der Anlagenotstand spitzt sich zu mit der Folge, dass die Bewertungen am Aktienmarkt bei unverändert hohen Risiken ebenfalls steigen.
Wie so häufig wurden vor der anstehenden Berichtssaison die Erwartungen deutlich reduziert. Die Vorgaben liegen sehr tief und können umso einfacher von den Firmen übertroffen werden. Für das zweite Quartal rechnet der Markt bei den Unternehmen im S&P 500 mit einem Gewinnrückgang von 2,6 Prozent, auch für das dritte Quartal wird derzeit ein kleines Minus prognostiziert. Erst im vierten Quartal sollen die Gewinne wieder sprudeln und 2020 weiter zulegen. Doch ob die erhoffte Erholung zum Jahresende tatsächlich einsetzen wird, ist mehr als fraglich.
Konjunkturunabhängige Aktien laufen
Die Wetten auf eine Trendwende sind somit sehr riskant. Aktien von Unternehmen, deren Geschäfte trotz der globalen Konjunktureintrübung weiter gut laufen, bleiben daher weit oben in der Favoritenliste. Dazu zählen Deutsche Börse (DM31QK), Deutsche Telekom (CQ8UPL), die beiden Versicherer Allianz (HW9CZ8) und Munich Re (VN3NZZ) sowie die Versorger RWE (DD8PX0) und E.ON (TD8NEF). Die in Klammern genannten Kaufgelegenheiten sind günstig bewertete dreifach gehebelten Knock-out-Bull-Papiere als Alternative.
Ausdruck dieser generellen Zuversicht ist auch die niedrige Volatilität, also die geringe Schwankungsbreite in diesen Aktien. "Das eröffnet wiederum Chancen für Anleger, die Optionsscheine gerne als strategisches Instrument einsetzen", erläutert Stefano Angioni, Derivate-Experte bei der Société Générale. "Denn je niedriger die implizite Volatilität, desto günstiger sind Optionsscheine bei sonst gleichen Marktbedingungen. Deshalb werden diese Papiere in der aktuellen Marktphase von Kunden gerne für gehebelte Investments eingesetzt", so Angioni weiter. Neben dem Aktienkurs hat die implizite Volatilität einen großen Einfluss auf den Optionsscheinpreis.
Bei den Rohstoffen glänzt Gold, mit dem kürzlich markierten Sechs-Jahres-Hoch könnte eine langjährige Bodenbildungsphase abgeschlossen sein. Da zugleich die Zinsen unter Druck bleiben, hellt sich das makroökonomische Umfeld für das Edelmetall weiter auf. Fazit: Das zweite Halbjahr stellt Anleger vor große Herausforderungen, bietet aber auch reichlich Chancen.
Benjamin Feingold ist seit mehr als 20 Jahren Börsianer und langjähriger Redakteur bei Börse Online sowie bei der Financial Times Deutschland gewesen. Zusammen mit Daniel Saurenz gründete er 2013 das Investmentportal Feingold Research, das täglich Analysen und Investmentideen zur Börsenentwicklung veröffentlicht.
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