Lässt der Ölpreis die Zinsen steigen?
Für Autofahrer ist es seit Wochen offensichtlich, die Tankfüllung wird von Mal zu Mal teurer. Vorbei sind die Zeiten, als der Liter Diesel für weniger als ein Euro zu bekommen war. Im Schnitt kostet der Liter aktuell, je nach Tageszeit und Ort, zwischen 1,20 und 1,30 Euro. Hintergrund ist der der deutliche Preisanstieg für Rohöl, der sich in den letzten zwölf Monaten von rund 50 Dollar auf aktuell 78 für die Sorte Brent erhöht hat.
Die Einigung der Opec und Russlands im November letzten Jahres, die Reduktion der Erdölproduktion um 1,8 Mio. Barrel täglich bis Ende 2018 zu verlängern, verfehlte im Umfeld der gut verlaufenden Weltwirtschaft und damit weiterhin robusten Nachfrage der Industrie somit nicht ihre Wirkung.
Die Entscheidung Donald Trumps, das Atomabkommen mit dem Iran einseitig zu kündigen und die Sanktionen gegen das Land stufenweise wieder zu aktivieren, gab dem Ölpreis noch einmal einen Schub. Angesichts der Bedeutung, die Iran für den Ölmarkt hat, verwundert die Reaktion bei den Ölpreisen daher nicht. Immerhin besitzt der Iran die viertgrößten Ölreserven nach Canada, Saudi-Arabien und Venezuela.
So schmerzhaft der Preisanstieg beim Tanken oder bei der Bestellung von Heizöl auch sein mag, die Auswirkungen sind bereits an anderer Stelle zu spüren: Ein steigender Ölpreis treibt auch die globale Inflation an, was wiederum Nährboden für steigende Zinsen bedeutet. In den USA sind die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen bereits auf ein Niveau von über drei Prozent gestiegen und trotz des anhaltenden Kaufprogramm der EZB, können auch sich deutsche Staatspapiere dieser Tendenz nicht entziehen.
Für zehnjährige Bundesanleihen muss der Staat mittlerweile einen Zinssatz von 0,6 Prozent aufwenden. Historisch gesehen ist das immer noch sehr wenig, aber im Vergleich zum Mai 2016, als der Bund noch Zinsen für neu ausgegebene Anleihen bekam, ist dies ein enormer Anstieg.
Für die USA gilt es nun auch technische Signale zu beachten. Sobald die Zinsen die Charttechnische Hürde von 3,07 Prozent nachhaltig überschreiten, sehen viele Analysten den Weg auf einen Anstieg der langfristigen Zinsen bis zu vier Prozent als geebnet. Dieses Zinsniveau bietet vielen Investoren wieder eine Alternative zu Aktien, sodass es zu einer Abkehr vom Aktienmarkt, zumindest aber zu Umschichtungen kommen könnte.
Ebenso sind Anleger auf der Suche nach Rendite in den letzten Jahren bewusst höhere Risiken eingegangen. Ein Anstieg des Zinsniveaus wird unweigerlich zu einem Risikoabbau in den Portfolien führen, was wiederum Druck auf die Kurse von Anleihen mit minderer Qualität haben wird.
Letztendlich wird die Ausgabenpolitik des amerikanischen Präsidenten nebst seiner Steuerreform die USA zu einer höheren Neuverschuldung zwingen. Es wird damit gerechnet, dass in den nächsten fünf Jahren monatlich rund 60 Mrd Dollar an zusätzlichen Staatsanleihen an den Kapitalmärkten platziert werden müssen. Da die Notenbanken als Auffangbecken sukzessive wegfallen, muss der Kapitalmarkt diese Volumina auffangen. Dies kann zu Kursrückgängen im Sekundärmarkt und erhöhten Zinsdruck bei Neuemissionen führen.
Fazit: Der Ölpreis ist nicht allein verantwortlich für die aktuelle Zinsentwicklung, hat aber einen Anstoß für die aktuelle Entwicklung gegeben. Eine regelmäßige Überprüfung des Portfolios ist obligatorisch. Im aktuellen Zinsumfeld tun Anleger gut daran, im Bestand befindliche Anleihen in Bezug auf Qualität, Laufzeit, Währung und auch Region mit der persönlichen Markteinschätzung abzugleichen.
von Ralph Rickassel, PMP Vermögensmanagement in Düsseldorf, eine Niederlassung der Donner & Reuschel Lux S.A.
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