In der Geldpolitik fallen die Tabus
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Die Maßnahmen der Europäischen Zentralbank, um die Wirtschaft anzukurbeln, greifen noch nicht nachhaltig.
Von Gottfried Urban, Vorstand der Bayerische Vermögen AG, Traunstein
Gleichzeitig ziehen neue Konjunktursorgen am Horizont auf. Vor diesem Hintergrund könnten bald weitere Tabus in der Geldpolitik fallen: Die EZB könnte nicht mehr nur Staatspapiere sondern auf risikobehaftete Anleihen und vielleicht sogar Aktien ankaufen, um eine Deflation abzuwenden.
Bald können die Märkte den ersten Geburtstag des Anleihekaufprogramms der EZB feiern. Seit März 2015 kauft die Notenbank pro Monat ca. 60 Mrd. Euro verzinsliche Staatsanleihen über den Kapitalmarkt auf. Zwischenzeitlich wurde die Laufzeit des Programmes nochmal um ein halbes Jahr bis zum Frühjahr 2017 verlängert. Zudem ist der Einlagenzins für Bankengelder bei der Zentralbank deutlich ins Minus gedrückt worden.
Genützt hat es vordergründig wenig: der Leitindex für deutsche Aktien, DAX, ist seither um 2.000 Punkte gefallen. Die Kurse für risikobehaftete Hochzinspapiere sind gesunken. Profitiert haben vornehmlich die Zielinvestments der EZB: Staatsanleihen bester Bonität rentieren so tief wie noch nie. Die durchschnittliche Rendite aller in Umlauf befindlichen deutschen Staatspapiere ist an der Nulllinie angelangt.
Wer dem Staat sein Geld für 30 Jahre leihen will, der bekommt nicht einmal ein Prozent Zinsen pro Jahr. Und obwohl wir nicht wissen nicht, ob wir in 30 Jahren noch den Euro haben, obwohl wir weder die gesellschaftlichen noch die politischen Entwicklungen der kommenden zehn Jahre absehen können, wird viel Geld in solchen Langläufern geparkt. Das drückt deren Renditen weiter.
EZB will Deflation um jeden Preis verhindern
Auch aufgrund der Zinsunterschiede hat die Eurowährung deutlich gegenüber dem US-Dollar verloren. Zugleich ist das Inflationsziel von zwei Prozent in noch weitere Ferne gerückt. Das billige Geld fließt hierzulande in Sachwerte, oder es wird in Firmenübernahmen gesteckt und weniger in neue Investitionen, die Arbeitsplätze schaffen.
Hätte die EZB also besser nicht eingegriffen? Die Folgen wären für die Wirtschaft, Banken und Unternehmen viel negativer als die aktuelle Lage. Deflation und Rezession hätten in Euroland Einzug gehalten, mit der Folge, dass die Entschuldung der Staaten hätte kippen können. Die Arbeitslosenrate wäre weiter gestiegen.
Die Führungsmannschaft der Zentralbank ist fest entschlossen alles zu tun, um die Inflation in Richtung zwei Prozent zu steigern. Ein Notfallplan mit einer Reihe von Instrumenten liegt angeblich im Schubladen. Notfalls werde man neue Instrumente schaffen. Noch mehr und noch billigeres Geld für den Markt, lautet das Rezept der Notenbanker. Denn das Risiko einer Deflation sei viel schlimmer als die Risiken, die vielleicht die Notenbank künftig in die Bücher nehmen wird.
Negativzins nimmt zu
Also werden wir in den nächsten Jahren noch höhere Negativzinsen sehe. Und die Notenbank wird noch mehr Anleihen am Markt kaufen. Nicht nur Staatspapiere, wenn nötig auch Papiere mit niedrigerer Bonität. Am Ende werden vielleicht auch Aktien gekauft werden. Wobei die Ankündigung schon reichen könnte, um die Märkte in neue Höhen zu heben.
Am Ende jeden Aufkaufprogrammes werden die Aktienkurse wohl deutlich über dem Ausgangsniveau stehen; so ist das Muster zumindest in den USA gewesen. Es bestehen also gute Chancen, dass wir in den kommenden Jahren neue Höchststände bei den Aktienkursen sehen werden.
Aktien bleiben im laufenden Jahrzehnt die beste Anlageklasse. Sie haben in der Phase einer geordneten Entschuldung die Nase vorn. Gold empfiehlt sich als Beimischung zur Absicherung, falls etwas aus dem Ruder läuft. Egal ob es Währungsreformen oder sonstige einschneidende politische Ereignisse gibt; es ist die Aktie, die gerade für die Altersvorsorge eine der wichtigsten Rollen zu spielen hat. Ein radikales Umdenken ist angebracht.
Die aktuelle schlechte Stimmung bietet Gelegenheit, Qualitätsaktien einzusammeln. Gerade in Europa gibt es viele Unternehmen, die mehr als vier Prozent Dividende bezahlen - gerade einmal die Hälfte dessen, was sie verdienen.
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