Mit Zusatzpolicen sorglos in die Pflege
Reicht das Ersparte nicht für die Pflegekosten, müssen die Kinder ran. Wie Zusatzpolicen generationenübergreifend Vermögensschutz bieten.
von Michael H. Schulz, Euro am Sonntag
Das größte Handicap der gesetzlichen Pflegeversicherung besteht seit ihrer Geburt. Seit 1994 krankt sie am Umlageverfahren. „Die heute Pflegebedürftigen erhalten Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung, ohne selbst je nennenswert eingezahlt zu haben“, kritisiert Professor Bernd Raffelhüschen, Chef des Forschungszentrums für Generationenverträge in Freiburg. Wer derzeit pflegebedürftig ist, verfrühstückt also Reserven der gesetzlichen Pflegeversicherung zulasten künftiger Generationen.
Dieser Geburtsfehler, kombiniert mit einer wachsenden Anzahl von Pflegebedürftigen sowie Leistungserweiterungen sind schuld daran, dass der Überschuss der Pflegeversicherung schon 2012, und somit zwei Jahre früher als erwartet, aufgezehrt ist. Kein Wunder, dass 84 Prozent der Deutschen laut aktueller DEVK-Umfrage kein Vertrauen zur gesetzlichen Pflegeversicherung haben. Und 94 Prozent sorgen sich, dass bei Pflegebedürftigkeit die eigene Familie zahlen muss.
In der Tat sind die Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung ein Teilkaskoschutz mit hoher Selbst- oder Sippenbeteiligung. Reicht nämlich das Ersparte nicht, sind nahe Verwandte verpflichtet, einander Unterhalt zu zahlen. Auch wenn laut Bundesgerichtshof Kinder bis zu fünf Prozent des Bruttoeinkommens für ihre private Altersvorsorge aufwenden dürfen, bevor sie Vater Staat zum Unterhalt heranziehen darf (Az. XII ZR 98/04), kann der Pflegefall der Eltern und später der eigene zum finanziellen Existenzrisiko werden.
Denn die gesetzliche Pflegeversicherung zahlt in Pflegestufe III maximal 1510 Euro im Monat. Ein Pflegeplatz im Heim verschlingt aber leicht 4000 bis 5000 Euro monatlich. Da sind eigene Rente und Ersparnisse schnell aufgezehrt.
Doch gegen dieses Risiko kann man sich schützen. Private Zusatzpolicen bieten Schutz, da sie helfen, die Deckungslücke zwischen Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung und tatsächlichen Kosten zu schließen. Vier Varianten gibt es: Die Pflegekostenpolice und das Pflegetagegeld der privaten Krankenversicherer sowie die Pflegerente der Lebensversicherer. Zudem gibt es inzwischen auch Unfallpolicen mit Pflegeleistung.
„Wegen der Flexibilität ist das Pflegetagegeld bei häuslicher Pflege besonders geeignet“, betont Hajo Köster vom Bund der Versicherten. Das Pflegetagegeld zahlen die Anbieter unabhängig von tatsächlichen Kosten zur freien Verwendung steuerfrei aus. „Wir empfehlen einen Satz von 50 bis 60 Euro pro Tag“, sagt Hajo Köster. Nachteil: Viele Anbieter zahlen das vereinbarte Tagegeld in häuslicher und teilstationärer Pflege in voller Höhe nur bei Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III).
Eine Ausnahme macht hier etwa die Continentale Krankenversicherung. Im Komforttarif PTK wird das Tagegeld bis zu 100 Euro in voller Höhe unabhängig von den Pflegestufen gezahlt. Und zwar schon dann, wenn ein Arzt die Pflegebedürftigkeit attestiert. Nach sechs Monaten muss jedoch eine Einstufung durch den medizinischen Dienst vorgelegt werden. Da private Krankenversicherer das Langlebigkeitsrisiko in die Prämienhöhe einkalkulieren, sind die Beiträge nicht nur von der Höhe der Absicherung, sondern auch vom Alter und Geschlecht abhängig. Darüber hinaus erschweren Gesundheitsfragen die Antragsannahme.
Für die Pflegekostenpolice gilt das ebenfalls. Im Gegensatz zum Tagegeld beteiligten sich die privaten Krankenversicherer prozentual an den tatsächlichen Kosten abzüglich der Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung. Die Kosten sind anhand von Belegen nachzuweisen.
Die Variante Pflegerente ist dagegen zwar nicht billig. Sie bietet aber Vorteile: Tritt der Pflegefall nicht ein, können Versicherte die Police allerdings stornieren oder verkaufen. Sie bekommen dann den Rückkaufswert ausgezahlt. Und: Ein Risiko, dass die Beiträge steigen, existiert praktisch nicht.
Übersicht: Vier Varianten gegen das Kostenrisiko (PDF)
Eine Kombination aus Pflegekosten- und Pflegerentenpolice bietet die Stuttgarter Versicherung mit der AktivPflege an. Das ist eine Unfallversicherung mit Pflegeleistungen. Die Schutzbriefvariante für häusliche Pflege leistet auch bei nicht unfallbedingter Pflegebedürftigkeit. Wer die Vollschutzvariante wählt, profitiert von der Hilfe bei Demenz in allen drei Pflegestufen. Ferner bezahlt der Anbieter sogenannte Assistance-Leistungen wie MenüService, Arzt- und Einkaufsbegleitung durch die Malteser.
Zudem ist auch eine monatliche Pflegerente von wahlweise 600 beziehungsweise 1200 Euro bei Einstufung in Pflegestufe III und voraussichtlich dauerhaft stationärer Pflege inklusive. Der Betrag verdoppelt sich, wenn Schwerstpflegebedürftigkeit durch einen Unfall verursacht wurde. Billig ist die Vollkaskopflege nicht. Eine Frau, die mit 45 Jahren den Vollschutz wählt, zahlt monatlich 68,83 beziehungsweise 75,06 Euro. Eine weitere Hürde ist das Eintrittsalter. Der Abschluss ist für Frauen und Männer erst ab 45 Jahren möglich. Und wer über 75 ist, wird nicht mehr genommen. Aber vielleicht korrigiert der Anbieter diesen Geburtsfehler noch.