Warum eine Vier-Tage-Woche nicht weniger Geld heißen muss
"Samstags gehört Vati mir" - so warben die Gewerkschaften in den 50er und 60er Jahren für die Fünf-Tage-Woche. Auch eine Vier-Tage-Woche muss nicht zwangsläufig mit einem leichteren Geldbeutel einhergehen.
Dass die Lebensqualität unter zu viel Arbeit leidet, dieser Gedanke ist wohl jedem schon gekommen. Studien belegen, dass sowohl die körperliche als auch die seelische Gesundheit durch zu viel Arbeit beeinträchtigt wird. Deshalb fordert etwa Wirtschaftsprofessor David Spencer eine Reduzierung der Arbeitszeit auf 30 Stunden in der Woche. Das Wochenende sollte drei, idealerweise sogar vier Tage lang sein.
Interessant ist, dass Spencer mit dieser Forderung nicht alleine steht. Unter Ökonomen wächst die Zahl der Stimmen, die sich für ein Drei-Tage-Wochenende aussprechen. Es steigere nicht nur die Gesundheit und Lebensqualität, sondern auch die Produktivität und sei deshalb auch für die Arbeitgeber von Vorteil.
Produktivitätssteigerung ermöglicht unverändertes Einkommen
Eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit muss nicht zwangsläufig mit einem Lohn- bzw. Gehaltsverzicht einhergehen. Denn Unternehmen können Kostensteigerungen, die durch ein Zurückfahren der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich entstehen, durch die Intensivierung der Arbeit - Stichwort: Produktivität - auffangen.
Die volkswirtschaftliche Kennzahl "Produktivität" ermittelt sich aus dem Verhältnis zwischen produzierten Gütern und den dafür eingesetzten Produktionsfaktoren, und beschreibt die Leistungsfähigkeit.
Zudem gibt es noch einen weiteren Grund, warum weniger Arbeit wirtschaftlich sinnvoll ist: Menschen mit mehr Freizeit konsumieren auch mehr - weil sie mehr Zeit zur Verfügung haben und weil sie mehr Freizeitprodukte benötigen. Damit steigt die Nachfrage bei den Unternehmen - diese können es sich somit durchaus leisten, ihren Angestellten einen unveränderten Verdienst auszuzahlen.
Dass eine Reduzierung der Arbeitszeit durchaus auch aus ökonomischer Sicht Sinn macht, beweist ein Blick zurück: So ist zwischen 1950 und 2000 das Arbeitsvolumen in Westdeutschland zwar um etwa ein Drittel zurückgegangen, trotzdem hat sich das Bruttoinlandsprodukt im gleichen Zeitraum verfünffacht.
Vier-Tage-Woche im Praxistest
Unternehmen, die eine kürzere Arbeitswoche in der Praxis getestet haben - wie etwa das US- Unternehmen Treehouse oder der App-Entwickler Basecamp - können berichten, dass in vier Tagen mehr und bessere Arbeit geleistet wurde als in fünf Tagen, weil die Beschäftigten fokussierter gearbeitet haben. Mitarbeiter mit einer ausgeglichenen Work-Life-Balance sind erholter, zufriedener und können folglich im Job mehr Energie und Leistung bringen. Zudem wurde beobachtet, dass weniger Mitarbeiter kündigten.
Was wohl bei einigen ein zweifelndes Stirnrunzeln auslöst, lässt sich jedoch ganz einfach erklären: Weil die Arbeitnehmer mehr Zeit zur Regeneration haben und weil sie Arzttermine auf den zusätzlichen freien Tag legen können, gibt es weniger krankheitsbedingte Ausfälle. Gleiches gilt für alle sonstigen Termine die oft in die Arbeitszeit fallen, wie Termine mit Kindern oder handwerkliche Tätigkeiten im Haushalt.
Die Rechnung ist einfach: In vier energiegeladenen Tagen schafft ein zufriedenes Team genauso viel wie ein unzufriedenes, gestresstes in fünf Tagen. Und das bei geringerem Aufwand.
Gesundheit und Wirtschaftlichkeit gehören zusammen
Das Thema Arbeitszeit sollte aber nicht nur auf die rein ökonomische Sichtweise beschränkt werden. Auch die Auswirkungen auf die Gesundheit sollten beachtet werden, weil sich diese beiden Aspekte nicht voneinander trennen lassen.
Wissenschaftler der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin sind durch die Analyse von Studien zu dem Schluss gekommen, dass das Risiko für gesundheitliche Beschwerden wächst, je länger die Arbeitswoche dauert. Die Daten der insgesamt über 50.000 Befragten ergaben einen direkten Zusammenhang zwischen den geleisteten Arbeitsstunden und Schlafstörungen, Rückenschmerzen und Herzbeschwerden. Deshalb lautet das Fazit der Studienautoren: "Die Diskussion um die Arbeitszeitverlängerung muss deren gesundheitliche und soziale Effekte unbedingt berücksichtigen, da diese wiederum wirtschaftliche Konsequenzen nach sich ziehen".
Für eine Reduzierung der Arbeitszeit spricht auch, dass die Zahl der psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz kontinuierlich zunimmt. Dass Stress krank macht, wird inzwischen weithin anerkannt. Wenn der Druck im Job zu groß wird, die Leistungsfähigkeit abnimmt, Angestellte unter Angstzuständen leiden und nicht mehr schlafen können - bis nichts mehr geht - dann lautet die Diagnose oft: Burn-out-Syndrom.
Professor John Ashton von der UK Faculty of Public Health hat nachgewiesen, dass eine kürzere Arbeitswoche zu geringeren Stresswerten und einem niedrigeren Blutdruck führt - und damit auch zu weniger krankheitsbedingten Ausfällen. Damit das zutrifft, muss die Arbeit allerdings so umverteilt werden, dass sie sich an vier Tagen auch erledigen lässt, so der Mediziner.
Vier-Tage-Woche bei unveränderter Wochenarbeitszeit
Für Unternehmen die trotzdem noch glauben, dass ihnen durch die Vier-Tage-Woche ein Tag in der Woche verloren geht, für die könnte kreative Schichtarbeit eine Lösung sein. Um etwa Wettbewerbsnachteile durch freie Freitage oder freie Montage zu vermeiden, könnte jeder Mitarbeiter an einem anderen Tag frei nehmen.
Einen anderen Weg hat eine Unternehmensberatung in Houston (Texas) gewählt: Die Mitarbeiter wurden einfach in zwei Teams eingeteilt: Eines arbeitete montags bis donnerstags, das andere Team dienstags bis freitags. Das Ergebnis: Trotz einer unveränderten Wochenarbeitszeit von 40 Stunden (zehn pro Tag), verringerte sich der Krankenstand positiv und auch die Moral sei gestiegen, berichtet Consultant David Stephens.
Auch die japanische Modekette Uniqlo hat die Vier-Tage-Woche getestet - bei unveränderter Anzahl der Wochenarbeitsstunden. Diese wurden lediglich auf vier Tage umverteilt. Diese Regelung sollte es Vollzeitbeschäftigten ermöglichen, Familie und Job besser unter einen Hut bekommen. Und weil die geleistete Arbeitszeit unverändert blieb, bedeutete dies auch keine Gehaltseinbußen für die Angestellten.
Wer jetzt noch am Sinn einer Vier-Tage-Woche zweifelt, dem sei gesagt, dass selbst der mexikanische Milliardär Carlos Slim - zeitweise der reichste Mensch der Welt - der Ansicht ist, dass Arbeitnehmer statt fünf nur noch drei Tage arbeiten sollten. So hätten die Menschen mehr Zeit sich zu entspannen, für ihre Familie oder auch für die persönliche Weiterbildung. Allerdings sollten die Mitarbeiter dann dennoch 40 Stunden pro Woche - verteilt auf vier Tage - arbeiten, schränkte der Unternehmer, zu dessen Imperium unter anderem Telmex und América Móvil gehören, ein.
Redaktion finanzen.net
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