120 Städte im Standort-Check: Wo die Immobilienpreise weiter steigen
Niedrigzinsen machen den Immobilienkauf attraktiv. Welche Städte Stabilität und Renditechancen versprechen.
von Markus Hinterberger, Euro am Sonntag
Was haben eine Wohnung in München und eine Bundesanleihe gemeinsam? Für die meisten gar nichts. Für Michael Kiefer ziemlich viel: „Beide sind als Investment heiß begehrt, bieten Sicherheit und — das ist der weniger schöne Aspekt — werfen nur wenig Rendite ab“, meint der Fachmann für Immobilienbewertung vom Portal Immobilienscout24.
München, Deutschlands teuerste Stadt, was Wohnraum angeht, steht exemplarisch für den deutschen Immobilienboom. Nicht die Aussicht auf große Gewinne treibt die Anleger ins sogenannte Betongold. Sie suchen Sicherheit. Nach Schätzungen des Immobilienverbands Deutschland (IVD) haben 2011 Immobilien im Wert von gut 165 Milliarden Euro den Besitzer gewechselt. Ein Zuwachs von 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Immobilien können Sicherheit bieten, müssen aber nicht.
Tausende Westdeutsche wissen, wie es sich anfühlt, wenn man mit einem vermeintlichen Renditeobjekt Geld verbrennt. Sie haben nach der Wende vergeblich auf einen Immobilienboom im Osten spekuliert.
Wo es sich lohnt, ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen, hängt von vielen Faktoren ab. Dabei sitzen Eigenheimer und Investoren im selben Boot. Denn auch wer seine Immobilie selbst bewohnt, sollte darauf achten, dass sie zumindest nicht wegen ihres Standorts an Wert verliert. Welche deutschen Städte die besten Voraussetzungen für Wertstabilität haben, können Sie der großen Übersichtstabelle entnehmen.
Die Mär vom Häuschen im Grünen
Das von vielen Immobilienmaklern gebetsmühlenartig vorgetragene „Lage, Lage, Lage“ ist dabei nur die halbe Wahrheit: Denn was nutzt ein Haus oder eine Wohnung im Zentrum, wenn in der Umgebung die Menschen wegziehen und die regionale Wirtschaft einer Monokultur gleicht, die obendrein auf dem absteigenden Ast ist.
Auch wenn Magazine wie „Landlust“ reißenden Absatz finden und Lifestyle-Blätter von der Freude der Deutschen am Landleben schwärmen, der Trend weist in Richtung Stadt — und das nicht nur, weil die Eurokrise die Menschen dazu bringt, ihr Geld in den Sachwert Haus zu stecken.
„Es ist ein Märchen, dass sich jeder ein Häuschen im Grünen wünscht“, sagt Immobilienexperte Kiefer. Die Menschen wollen Urbanität. Denn in den Städten befinden sich nicht nur gute Arbeitgeber, sondern auch die nötige Infrastruktur mit Geschäften, Ärzten bis hin zu kulturellen Einrichtungen und Gastronomie. Diese Faktoren sorgen dafür, dass in Zukunft große Ballungszentren überaus begehrt bleiben. Und der Trend gilt weltweit.
Laut UN-Berichten leben bereits 50 Prozent der Menschen in einer Großstadt. Edward Glaeser von der amerikanischen Harvard Universität hat in seinem 2010 erschienenen Bestseller „Triumph of the City“ untersucht, warum Städte der entwickelten Welt weiter wachsen werden: Umsichtige Stadtväter nutzen das Geld, das ihnen zur Verfügung steht, um den Nahverkehr auszubauen, Bildungseinrichtungen vom Kindergarten bis zur Uni zu verbessern und günstiges Bauland auszuweisen.
Farbenlehre für Immobilien
Für Reiner Braun, Vorstand des Wirtschaftsforschungsinstituts Empirica, sind die Städte der Zukunft lila. Die etwas hintersinnige Abkürzung steht für die Begriffe Landschaft, Infrastruktur, Lebensqualität, Arbeit. „Kommen diese vier Faktoren zusammen, ist eine Stadt attraktiv und wird langfristig wachsen“, so Braun. Ein Beispiel: Freiburg. Die Stadt im Breisgau hat kaum Industrie und auch keine Konzerne, aber eine angesehene Uni, Forschungsstätten und vor allem einen dank des Klimas und der Landschaft hohen Freizeitwert.
Auch die harten Zahlen sprechen für Freiburg. Deswegen erhält der Standort im Check der 120 größten deutschen Städte auch ein grünes Ampelzeichen.
In unserer Untersuchung fasste €uro am Sonntag die Entwicklung der Kaufpreise, Mietsteigerungen sowie die Bevölkerungsprognose zusammen. Die Daten stammen von der International Real Estate Business School (IREBS), der Universität Regensburg, dem Immobiliendienstleister BulwienGesa und von demografischen Prognosen des Berliner Instituts für Bevölkerung und Entwicklung.
Ein wichtiges Ergebnis: In fast allen Städten sind in den Jahren 2009 bis 2011 sowohl die Mieten als auch die Preise im Durchschnitt gestiegen — meist haben sich beide Faktoren im Gleichschritt verteuert. Das spricht gegen eine Immobilienblase in Deutschland, vor der einige Ökonomen angesichts der niedrigen Zinsen und der Flucht der Menschen in Sicherheit warnen.
Zwar sind in einigen Städten die Mietrenditen — die Miete im Verhältnis zum Kaufpreis — in der Tat gering. Das ist meist ein Hinweis auf hohe Preise und schlechte Investments. Doch Andreas Schulten, der die Preise, Mieten und deren Verhältnis untersucht hat, glaubt, dass die Preise im Lauf des Jahres langsamer steigen werden. „Der Wohnungsmarkt ist davon abhängig, wie sich die Realwirtschaft entwickelt“, sagt der Geschäftsführer des Immobilienanalysehauses BulwienGesa. Aktuell steigende Preise bringen wenig, wenn die Stadt in den nächsten Jahrzehnten schrumpfen wird. €uro am Sonntag hat deswegen in sein Urteil die demografische Entwicklung mit einbezogen.
Mietrendite: Städte im Vergleich (pdf)
In den kommenden Jahrzehnten werden vor allem Ballungsräume immer mehr Menschen anziehen, wohingegen ländliche Gebiete eher ausbluten. „Die Preise für Immobilien werden vor allem in Städten mit mehr als einer halben Millionen Einwohnern steigen“, prognostiziert Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Andreas Schulten sieht das differenzierter. Seine Hitliste lautet von Nord nach Süd: Hamburg, Berlin, der Raum Köln-Düsseldorf, das Rhein-Main-Gebiet, der Großraum Stuttgart sowie München und die umliegenden Landkreise. Diese „A-Städte“, wie Schulten sie nennt, hätten die besten Zukunftsaussichten, jedoch auch ihre ganz eigenen Probleme und Chancen:
Hamburg ist laut Schulten neben München der wohl beste Standort. Hier gibt es neben einer breit diversifizierten Wirtschaft gute Universitäten und ein gutes Verkehrsnetz sowie einen Flughafen, der allerdings etwas zu klein ist. Dafür hat Hamburg den größten deutschen Hafen. Da die Stadt kaum mehr neue Bauflächen ausweisen kann, ist anzunehmen, dass auch die Außenbezirke bald stärker besiedelt werden.
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Berlin wird nach Ansicht der von €uro am Sonntag befragten Experten noch attraktiver werden. Als Regierungssitz zieht die Stadt Lobbygruppen und Dienstleister an. Die in einigen Stadtteilen noch sehr niedrigen Kaufpreise und Mieten locken junge Kreative an. Das macht die Stadt zum deutschen Zentrum für Kunst, Kultur und Mode.
Doch es gibt nicht den einen Berliner Immobilienmarkt. Laut Immoscout-Fachmann Kiefer ist Berlin eher eine Ansammlung von kleinen Städten, die unterschiedlicher nicht sein könnten. So werden in den Bezirken Mitte und Prenzlauer Berg inzwischen Preise aufgerufen, die man sonst nur aus München kennt. In Hellersdorf und Marzahn wechselt ein Quadratmeter Wohnraum auch für weniger als 1000 Euro den Besitzer. Dabei gilt in Berlin keineswegs, je weiter draußen, desto billiger. „Potsdam ist auf dem besten Weg, das Starnberg Berlins zu werden“, sagt Kiefer.
Köln und Düsseldorf sind die Dienstleistungszentren in Nordrhein-Westfalen. In den beiden Städten haben Versicherungen und Handelskonzerne ihren Sitz. Die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn, die auch zu diesem Ballungsraum gehört, profitiert von den noch hier ansässigen Ministerien sowie der Deutschen Post und der Deutschen Telekom als Arbeitgeber und hat sich als Standort für Kongresse einen Namen gemacht.
Das Rhein-Main-Gebiet mit Frankfurt als Oberzentrum beherbergt neben dem wichtigsten deutschen Finanzplatz auch Bauunternehmen und Lebensmittelproduzenten. Der Frankfurter Flughafen ist Fluch und Segen zugleich: Mitten im Rhein-Main-Gebiet ist er ideal gelegen, der Fluglärm sorgt jedoch nicht nur für Unmut unter den Anwohnern, sondern drückt auch die Immobilienpreise in einigen Lagen von Frankfurt, Mainz und den Vororten.
Stuttgart lebt nicht nur von Daimler und Porsche, sondern auch von Autozulieferern und Maschinenbauern. So umstritten das Bahnprojekt Stuttgart 21 auch ist — liegen die Gleise erst einmal unter der Erde, hat die Stadt neuen Baugrund, den sie dringend braucht, denn immer mehr Menschen wollen im Kessel der baden-württembergischen Landeshauptstadt leben.
München prosperiert und wächst von den deutschen Ballungsräumen am schnellsten. Diese Entwicklung sorgt für hohe und höchste Immobilienpreise, zudem wird zu wenig gebaut. „Es gibt nicht einmal genug Ersatzbauten für die Immobilien, die nicht mehr nutzbar sind“, sagt Kiefer.
Die Stadt ist sehr dicht besiedelt, die Flächen sind knapp. In die Höhe darf meist nicht oder nur unter strengen Vorgaben gebaut werden. Daher wird Bayerns Hauptstadt in die Fläche wachsen, das bedeutet, dass die Stadtväter das Nahverkehrsnetz weiter ausbauen müssen.
Neben diesen Städten nennt Schulten eine Reihe von kleineren Ballungsräumen, für die mit wenigen Abstrichen das Gleiche gilt wie für die vorgestellten A-Standorte. Auch Hannover, Nürnberg, Bremen sowie Dresden und Leipzig werden in Zukunft Menschen anziehen, und die Wohnungspreise und Mieten werden dort mindestens stabil bleiben oder steigen.
Städte-Check: Wo sich Betongold lohn (pdf)
Attraktive Uni-Städte
Eine Sonderrolle spielen die Uni-Städte Münster, Aachen, Darmstadt, Karlsruhe, Heidelberg und das bereits beschriebene Freiburg. Sie haben die Chance, dass die gut ausgebildeten Wissenschaftler in der Stadt bleiben und Unternehmen gründen. „Diese Städte haben aber langfristig das Problem, dass mit dem Bevölkerungsschwund auch die Studentenzahlen sinken“, so Schulten. Das dürfte die Kaufpreise und Mieten drücken.
Ein Problem, das München wohl auf absehbare Zeit nicht droht. Hier sind erst kürzlich im Stadtteil Schwabing sanierte Altbauten für 15.000 Euro pro Quadratmeter verkauft worden.
Bevölkerungsentwicklung und Nachfragetrend (pdf)