Euro am Sonntag

Vorausgefüllte Steuererklärung: Gute Daten, böse Daten

06.03.16 18:35 Uhr

Vorausgefüllte Steuererklärung: Gute Daten, böse Daten | finanzen.net

Wer die Finanzverwaltung auf persönliche Daten zugreifen lässt, kann sich bei der Steuererklärung 2015 lästige Arbeit sparen. Blind vertrauen sollte man dem Fiskus dabei nicht.

von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag

Die Steuererklärung mit nur wenigen Mausklicks und ohne lästige Handarbeit erledigen - seit 2014 bietet die Finanzverwaltung Bürgern diesen Service. Dahinter steckt die "vor­ausgefüllte Steuererklärung", im Amtsjargon "VaSt" genannt.



Die Idee: Bei Steuerbehörden und Sozialversicherungsträgern gespeicherte Daten von Arbeitnehmern und Rentnern müssen nicht mehr mühsam von Hand in die Steuererklärung eingepflegt werden, sondern werden bequem per Onlineabruf in die Formulare übertragen. Danach müssen die Steuerpflichtigen die Richtigkeit der übermittelten Daten nur noch per elektronischer Unterschrift bestätigen.

"Unsere Bilanz fällt zwei Jahre nach Einführung dieses kostenlosen Serviceangebots absolut positiv aus - wir zählen bei der Vast bundesweit bereits mehr als drei Millionen Teilnehmer", sagt Roland Krebs, der einer der verantwortlichen Verfahrensmanager für die amtliche Steuersoftware Elster ist.


Um die bei der Finanzverwaltung gespeicherten Daten abzurufen, müssen sich Steuerzahler in einem ersten Schritt auf dem Portal www.elsteronline.de anmelden und mit ihrer persönlichen steuerlichen Identifikationsnummer authentifizieren.

Daneben können sie auch Dritte - zum Beispiel einen Steuerberater oder einen Lohnsteuerhilfeverein - bevollmächtigen, die Daten abzurufen. Die Freischaltung für den Datenabruf erfolgt mit einem Code, der aus Sicherheitsgründen per Post zugeschickt wird. Zu beachten: Wer steuerlich zusammenveranlagt wird und Daten des Ehe- oder amtlichen Lebenspartners abrufen möchte, braucht dafür eine weitere Freischaltung.

Datenpipeline zum Fiskus

Damit ein Steuerpflichtiger im zweiten Schritt auf das Eintippen seiner persönlichen Daten verzichten kann, übertragen Arbeitgeber, Versi­cherungsträger und Zulagestellen jeweils bis Ende Februar alle über den Steuerzahler gespei­cherten Vorjahresdaten direkt an die Finanzverwaltung (siehe Grafik unten). Für die vorausgefüllte Steuererklärung werden dabei Stammdaten wie Name, Adresse, Religion und Bankverbindung des Steuerzahlers sowie die vom Ar­beitgeber übermittelten Lohnsteuerbescheinigungen erfasst.


Zudem stehen Belege über Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosen- und Schlechtwettergeld für Nutzer zum Abruf bereit. "Vergangenes Jahr haben wir via Elster online schon mehr als 35 Millionen Belege elektronisch bereit­gestellt", sagt IT-Experte Krebs. Derzeit werden bis zu 100.000 Belege pro Tag abgerufen - Tendenz stark steigend.

Weiterhin übermittelt der fiskalische Datenservice sämtliche Mitteilungen über ausgezahlte Renten sowie Bei­träge zu Kranken­ und Pflegeversiche­rungen. Auch Angaben über Beiträge, die 2015 in Riester-­ und RürupVerträge geflossen sind, lassen sich via Daten­abruf beim Fiskus komfortabel in die Steuererklärung importieren.

Große Hoffnungen auf die hohen Wachstumsraten bei der vor­ausgefüllten Steuererklärung setzen auch die Anbieter kommerzieller Steuersoftware, die bislang rund vier Millionen Produkte jährlich absetzen. "An dieser Schnittstelle gibt es das größte Neukundenpotenzial", sagt Felix Bodeewes, Geschäftsführer beim Anbieter Forium ("Lohnsteuer kompakt").

Denn wer seine via VaSt eingeladenen Daten zusätzlich von einem virtuellen Steuerhelfer überprüfen lässt, kann die Höhe seiner Steuererstattung - im Schnitt 950 Euro - oft noch deutlich steigern. Welche Steuerprogramme Anwendern die größte Ersparnis und den höchsten Bedienkomfort bieten, wird €uro am Sonntag in der nächsten Ausgabe testen.

Schutz vor Hackern

Die Finanzverwaltung verspricht, dass beim Datenabruf alle gesetzlichen Sicherheitsanforderungen erfüllt werden. Die Elster-Webseiten verwenden dafür ein spezielles Sicherheitszertifikat, die Kommunikations­kanäle sind mittels des hohen SSL-Standards gesichert. Das soll gewährleisten, dass die übertragenen Daten stark verschlüsselt werden und Anwender mit einer "vertrauenswürdigen Seite" - und nicht mit einem Computerhacker - verbunden sind. Das Verfahren soll auch in den kommenden Jahren regelmäßig auf Datenschutzstandards und Netzsicherheit geprüft werden.

So bequem der Online-Datenabruf bei der Finanzverwaltung erscheint - blind vertrauen sollten ihm Steuerzahler nicht. Denn den meisten Bürgern ist unbekannt, welche persönlichen Daten den Finanzbehörden über sie vorliegen - und ob die dort gespeicherten Angaben tatsächlich korrekt sind. Typischer Fehler: Haben zwei Steuerzahler zufällig den gleichen Namen, kann die Steueridentifikationsnummer der falschen Person zugeordnet werden.

Rechtlich ungeklärt ist auch, wer die Beweislast trägt, wenn Daten falsch gespeichert wurden. Ohne nochmalige Kon­trolle durch den Steuerpflichtigen können solche Fehler nicht aufgedeckt werden - falsche Steuerbescheide sind dann nur per Einspruch korrigierbar.

"Wichtig ist, dass Bürger nicht als digitaler Datensatz den behördlichen Computersystemen ausgeliefert sind", betont Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler und "€uro am Sonntag"-Kolumnist. "Bürger sollen weiter die Kontrolle über ihre persönlichen Daten haben - und ihre Einkommensteuererklärung auch in Zukunft noch auf Papier einreichen dürfen", fordert Holznagel.

Beschleunigte Bearbeitung

Dessen ungeachtet hat das Bundeskabinett im Dezember 2015 einen Gesetzesentwurf zur "Modernisierung des Besteuerungsverfahrens" abgesegnet. Das Gesetz soll 2017 in Kraft treten. Die Umsetzung wird schrittweise bis 2022 erfolgen. Ab dann sollen Bürger "flächendeckend jederzeit und papierlos" mit den Finanzämtern kommunizieren können. IT-Systeme übernehmen dann den Datenaustausch mit Arbeitgeber, Krankenkasse oder Finanzinstituten. Und Softwareprogramme fügen die persönlichen Angaben in die Steuererklärung ein.

Sachbearbeiter ade

Folge: Die meisten Steuererklärungen werden künftig nicht mehr von Finanzbeamten persönlich bearbeitet. Die Sachbearbeiter sollen damit von Routineaufgaben entlastet werden und sich im Gegenzug auf besonders prüfungswürdige Fälle konzentrieren - die einfachen sollen fast vollständig automatisch bearbeitet werden. Um dabei Fehler zu vermeiden, soll bei der Finanzverwaltung ein neues Risikomanagement für die elektronische Datenverarbeitung eingeführt werden. Lediglich betrugsanfällige Erklärungen sollen herausgefiltert und näher betrachtet werden.

Damit wird auch die vorausgefüllte Steuererklärung weiter ausgebaut. Steuerbescheide sollen auf Wunsch des Steuerpflichtigen per Download über das Elster-Online-Portal bekannt gegeben werden. Bürger, die ihre Steuererklärung freiwillig elektronisch abgeben, sollen von einer kürzeren Bearbeitungszeit profitieren.

Ob vorausgefüllt im Internet oder klassisch auf Papier - der Fiskus will alle steuerpflichtigen Bürger zu größerer Pünktlichkeit erziehen: Wer seine Einkommensteuererklärung verspätet abgibt, soll künftig grundsätzlich 50 Euro Zuschlag zahlen. Die Geldbuße wird auch für verspätete Umsatz­steuer­ oder Körperschaftsteuererklärungen gelten. Sie wird unabhängig davon erhoben, ob später Abgaben nachzuzahlen sind oder vom Fiskus erstattet werden.

Bisher lagen Verspätungszuschläge im Ermessen der zuständigen Sachbearbeiter: Finanzbeamte konnten maxi­mal 25.000 Euro festsetzen. Die Geldbuße durfte zudem zehn Pro­zent der fälligen Steuerschuld nicht überschreiten. In der Praxis werden Verspätungszuschläge von mehr als 5.000 Euro nur selten erhoben, bei ansonsten pünktlichen Steuerzahlern häufig gar nicht.

Pünktlichkeit spart Geld

Wird der Gesetzesentwurf geltendes Recht, ist eines absehbar: Jedes Jahr am 31. Mai werden Postfächer und Mailboxen der Finanzämter über­quellen - der Tag ist der gesetzliche Abgabetermin für alle Steuerpflichtigen. Nur wer ­einen Steuerberater beauftragt, ist bald besser dran: Die Steuererklärung muss dann erst bis Ende Februar des übernächsten Jahres beim Fiskus eingehen - zwei Monate später als bisher. Ein Ausweg bleibt: Wer bis 31. Mai eine Fristverlängerung beantragt, etwa wegen Krankheit oder beruflicher Belastung, kann weiterhin Aufschub erhalten - in Ausnahmefällen sogar bis Jahresende.

Der vernetzte Steuerzahler (pdf)

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