Euro am Sonntag-Titel

Die große Schuldenkrise: So sicher ist Ihr Geld

aktualisiert 03.08.11 11:56 Uhr

Die Schuldenkrisen in Europa und den USA machen Anleger nervös. Wie gut ihr Konto und Investments in Aktien, Anleihen, Fonds, ETFs und Gold geschützt sind.

von M. Fischer, M Hinterberger, M. Kebbel, €uro am Sonntag

Vertrauen ist der Anfang von allem. Vielleicht war es Zufall oder prophetische Gabe, die dafür sorgte, dass die Deutsche Bank in den 90ern mit diesem Slogan warb. Heute, in einer Finanzwelt, in der nichts mehr sicher ist, ist Vertrauen für viele der letzte Strohhalm: Millionen Anleger hofften darauf, dass sich die US-Politiker im letzten Moment zusammenraufen und das Land vor der Zahlungsunfähigkeit und die Märkte vor einem Beben bewahren. Nach der am Wochenende erfolgten Einigung zwischen Demokraten und Republikanern scheint das Schlimmste zunächst einmal abgewendet zu sein. In der €uro-am-Sonntag-­Redaktion meldeten sich immer wieder verunsicherte Leser. „Wie sicher ist mein Geld“ ist die große Frage.

Die Antwort hat Angela Merkel bereits gegeben. Im Herbst 2008, als die US-Regierung Lehman Brothers in die Pleite geschickt hatte und auch hierzulande Großbanken wankten, erklärte sie vor laufenden Kameras: „Wir ­sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundes­regierung ein.“ Dieses Versprechen, das als „Merkel-Schirm“ durch die Medien ging, beruhigte die deutsche Volksseele. Zurecht?

Fakt ist: Der Merkel-Schirm wurde nie in Gesetzesform gebracht. Vor zwei Wochen hat die Kanzlerin ihr Versprechen erneuert, ein Gesetz wird es aber nicht geben. Dennoch ist Panik fehl am Platz. Auch ohne das Garantieversprechen aus dem Kanzleramt ist das Geld bei in Deutschland zugelassenen Banken sicher. Dafür sorgt ein ausgefeiltes Sicherungssystem. Doch wie funktioniert das?

Die Sicherungssysteme umfassen klassische Bankeinlagen wie zum Beispiel das Sparbuch. Im Banken­deutsch ausgedrückt umfassen die Systeme vor allem Sicht-, Termin- und Spareinlagen. Dazu zählen Giro- und Tages­geldkonten. Festgeld fällt unter die Rubrik Termingeld. Die Systeme in Deutschland bestehen teilweise nebeneinander, teilweise ergänzen sie sich auch.

Alle in Deutschland eigenständig tätigen Privatbanken und Bausparkassen müssen der gesetzlichen Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB) angehören. Eine Liste der teilnehmenden Institute gibt es unter www.edb-banken.de.

Die EdB sichert 100.000 Euro pro Anleger und Bank ab, wie es die EU seit Jahresbeginn 2011 fordert. Friert die Bafin im Ernstfall alle Kon­ten einer Bank ein, haben betroffene Kunden einen Rechtsanspruch auf Entschädigung. Spätestens 20 Arbeitstage, nachdem die Ansprüche angemeldet sind, muss Geld fließen. „Dazu gehören auch die Zinsen, die bis zum Tag der Pleite angelaufen sind“, sagt Alexander Heinrich, Fachanwalt für Bankrecht von der Tübinger Kanzlei Tilp Rechtsanwälte.

Ausnahmen gibt es bei Fremdwährungskonten. Sie werden nur ­berücksichtigt, wenn die Einlagen auf die Währung eines EU-Mitgliedstaates lauten. Konten in Schweizer Franken fallen also nicht darunter.

Die meisten Privatbanken haben sich zusätzlich dem Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) angeschlossen. Er ergänzt den EdB, übernimmt also die Einlagenteile, die über die 100.000-Euro-Grenze hinausreichen, bis zur jeweiligen Sicherungsgrenze. Diese Grenze ist von Institut zu Institut verschieden, sie entspricht 30 Prozent des haftenden Eigenkapitals der jeweiligen Bank, mindestens aber 1,5 Millionen Euro. Die Mitgliederliste steht im Internet unter www.bdb.de.

Anders als bei der gesetzlichen Einlagensicherung gibt es beim Fonds des Bankenverbands keine Frist, binnen derer Betroffene ihr Geld zurückbekommen müssen. Der Fonds bemüht sich jedoch um eine schnelle Entschädigung. Bislang hatten die Kunden immer innerhalb von zwei Monaten ihr Geld zurück. Der Fonds des Bankenverbands schützt auch Einlagen in allen Fremdwährungen. Der Betrag kann jedoch in Euro rückgezahlt werden. Ein Rechtsanspruch auf Entschädigung durch den Fonds besteht aber nicht.

Die privaten Bausparkassen besitzen einen eigenen Sicherungsfonds, der im Schadenfall wie der Einlagensicherungsfonds der Banken zusätzlich zur EdB einspringt. Bauspareinlagen sind unbegrenzt geschützt, Spareinlagen bis zu 250.000 Euro.

Einen anderen Weg haben die Sparkassen sowie die Raiffeisen- und ­Genossenschaftsbanken gewählt. Sie sind nicht Mitglieder im EdB, ­sondern haben eigene Haftungsverbünde gegründet. 100 Prozent der Einlagen sind garantiert.

Beide Gruppen setzen dabei auf die Institutssicherung. Will heißen, die Gemeinschaft unterstützt schwächelnde Institute. Die Solidarleistungen laufen dann über den jeweiligen Fonds. So wollen die Verbände Insolvenzen vermeiden, Probleme wie gesperrte Konten treten erst gar nicht auf. Mehr Informationen gibt es unter www.dsgv.de und www.bvr.de.

Soweit die Theorie. Geht eine Großbank mit Millionen Kunden Pleite, werden die Sicherungsverbünde wohl an ihre Grenzen stoßen. Dann wäre der Bund gefordert. Ob es je soweit kommen wird, ist fraglich. Denn eine Großbank wird nicht von jetzt auf gleich dichtmachen. Vorher würde der Staat, wie bei der Commerzbank und Hypo Real Estate, Anteile der Bank kaufen, um sie zu stützen – darauf müssen wir vertrauen.


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Regeln für Europa
Die Einlagensicherung in der EU steht derzeit nicht nur wegen der Institutssicherung auf dem Prüfstand. Der zuständige EU-Kommissar Michel Barnier möchte sie vereinheit­lichen und verstärken. Erste Schritte: Seit Jahresbeginn 2011 sind EU-weit mindestens 100.000 Euro pro Anleger und Institut abgesichert. Ist ein Staat nicht Mitglied der Eurogruppe, so kann er den Betrag in der Landeswährung runden. Die Frist im Schadenfall soll nun – bezogen auf die Grenze von 100.000 Euro - höchstens 30 Arbeitstage betragen. Kommissar Barnier macht sich für eine schnellere Auszahlung stark – er fordert sieben Arbeitstage –, scheiterte jedoch bislang am Europäischen Rat. Im September 2011 beginnen Gespräche zwischen EU-Parlament, -Rat und -Kommission, die hoffentlich rasch zu verbraucherfreundlichen Ergebnissen kommen werden. Auch das Thema Auslandskonto steht auf der Agenda. Bislang ist das Verfahren sehr ­kompliziert. Im Pleitefall laufen alle ­Forderungen über das Sicherungssystem des Landes, in dem die Bank ihren Hauptsitz hat - wenn es sich nicht um eigenständige Tochter­gesellschaften handelt. Kunden der ING-DiBa werden in Deutschland behandelt, da die Bank hier eigenständig auftritt, obwohl der Mutterkonzern aus den Niederlanden stammt.

Schweiz
Verhängt die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht über eine Bank in der Schweiz ein Moratorium oder die Zwangs­liquidation, so stellen die Mitglieder des Vereins „Einlagensicherung der Schweizer Banken und Effektenhändler“ Gelder bereit, damit die Einlagen nach dem Bankengesetz möglichst rasch den berechtigten Einlegern ausbezahlt werden können. Seit Dezember 2008 sind Einlagen bis zu 100.000 Franken pro Bankkunde geschützt, das entspricht etwa 88.000 Euro. Der größte Unterschied zum deutschen System: Die maximale Beitragspflicht der Mitglieder ist ­insgesamt auf sechs Milliarden Franken beschränkt. Als die Großbank UBS kurzzeitig in der ­Finanzkrise Milliarden vom Staat brauchte, sprach die Schweizer Regierung eine Garantie aus. Denn die Einlagen der Großbanken UBS und Credit Suisse übersteigen die Leistungsfähigkeit des Sicherungsvereins um ein Vielfaches.

Großbritannien
Im Vereinigten Königreich hat die Regierung die Obergrenze für die Einlagensicherung auf 85.000 Pfund erhöht, das entspricht nach dem Kurs vom Jahresende 2010 ungefähr 100.000 Euro. Die Briten haben auch die übrigen Vorgaben der EU übernommen. Hierzulande ist die Einlagensicherung des FSCS (Financial Services Compensation Scheme) vor allem für Kunden des Tagesgeld- und Festgeldanbieters Bank of Scotland von Interesse.

Skandinavien
In Norwegen sind pro Bank und Kunde zwei Millionen Kronen, also rund eine Viertel Million Euro staatlich garantiert. Schweden liegt mit rund 900.000 Kronen nahe dem europäischen Niveau von 100.000 Euro. Gleiches gilt für Dänemark.

USA
Anders als in Europa, wo die Obergrenzen für die Einlagensicherung erhöht wurden und wohl auch auf dem Niveau von 100.000 Euro bleiben werden, haben die Amerikaner die Sicherungsgrenze nur befristet angehoben. Zwischen 2008 und Ende 2013 sind pro Bank und Kunde Einlagen von bis zu 250.000 Dollar gesichert, das entspricht etwa 175.000 Euro. Ab 2014 garantiert die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) wieder 100.000 Dollar, also derzeit rund 70.000 Euro.

Ein Sonderfall sind Versicherungen. Die ­Ersparnisse in Lebens- und Rentenversicherungen und Kapitalisierungsprodukten von Versicherungen unterliegen einer eigenen Sicherung. Die Branche hat sich, aus Furcht vor einem zu großen Imageschaden für die gesamte Assekuranz, entschlossen, keine Versicherung pleitegehen zu lassen. Gerät eine Gesellschaft finanziell in Schieflage, werden ihre Verträge auf Protektor übertragen. Dieses Unternehmen führt die Policen weiter. Das Geld für Protektor stellt die gesamte Branche je nach Größe er einzelnen Gesellschaft zur Verfügung.

Sicher – auch ohne Hilfe von Vater Staat

Nicht alle Formen der Geldanlage sind bei einer Bankenpleite geschützt. Wie sicher Ihr Geld bei Investments in Aktien, Fonds oder auch Gold ist.

Die gute Nachricht vorweg: Geht eine Bank pleite, haben Anleger ein Recht darauf, ihre Depots auf eine andere Bank zu übertragen. Depots sind, vereinfacht ausgedrückt, wie Schließfächer. Die Bank stellt sie ihren Kunden zur ­Verfügung und erhebt dafür eine ­Gebühr. Doch Vorsicht: Droht eine Bank pleitezugehen, sollten Kunden schnell reagieren und ihr Depot auf eine andere Bank übertragen. Nicht etwa, weil das Institut sonst die Depotguthaben einfriert, sondern weil im Zuge der Insolvenz unter Um­ständen die bankeigene Internetseite und IT-Infrastruktur zum Erliegen kommt. Gerade für Anleger, die mit Optionsscheinen handeln, können wenige Tage ohne Depotzugang teuer werden. Kunden des Onlinebrokers Systracom können ein Lied davon singen. Sie kamen über Wochen nicht an ihre Depots, als Systracom 2001 ins Trudeln geriet.

Solche Fälle sind dann ein Fall für die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken (EdB). Diese Gesellschaft sorgt auch für die gesetzliche Einlagensicherung. Sie schützt 90 Prozent der Verbindlichkeiten ­aus Wertpapiergeschäften, maximal aber den Gegenwert von 20.000 Euro. Beträge darüber hinaus sind nicht abgesichert, hier bleibt Anlegern nur eine Schadenersatzklage. Die sollten sie sich aber zweimal überlegen. Denn: „Von einer Bank, die pleite ist, ist in der Regel nichts mehr zu holen“, sagt Alexander Heinrich, Fachanwalt für Bankrecht bei der Tübinger Kanzlei Tilp Rechtsanwälte.

Die Entschädigung aus Wertpapiergeschäften greift dann, wenn das Institut pflichtwidrig nicht imstande ist, im Eigentum des Kunden befindliche und für ihn verwahrte Wert­papiere zurückzugeben.

Aktien
Bei Aktien, die zum Eigenkapital eines Unternehmens zählen, tragen die Anteileigner das Risiko. Geht eine Gesellschaft pleite, sind deren Anteilscheine in der Regel wertlos.

Anleihen
Kann der Emittent, sei es ein Staat oder ein Unternehmen, seinen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen, sinkt der Wert der ­Anleihe stark. Bei einem sogenannten Haircut, wie er gerade bei griechischen Staatsanleihen stattfindet, verzichten die Anleihebesitzer auf ­einen Teil ihrer Forderungen – etwa bei der Höhe der Zinsen und/oder der Höhe der Rückzahlung. Bei nachran­gi­gen Anleihen ist das Risiko noch höher, weil zuerst die Forderungen der normalen Anleihen bedient werden. Für nachrangige Papiere ist dann oft kein Geld mehr da.

Fonds
Die ausgegebenen Fondsanteile einer Investmentgesellschaft sind nach dem deutschen Investmentgesetz Sondervermögen. Das heißt, die Anteile müssen von dem eigenen Vermögen der Investmentgesellschaft getrennt gehalten werden. Im Pleitefall können die Gläubiger darauf nicht zugreifen. Ein Beispiel. Im (extrem unwahrscheinlichen) Fall einer Pleite der Deutschen Bank würden die Fonds ihrer Investmenttochter DWS nicht in die Insolvenzmasse einfließen. Anleger leben aber mit dem Risiko, dass Fonds für einen gewissen Zeitraum geschlossen werden, sodass Anleger ihre Anteile nicht mehr verkaufen können. Zuletzt gab es das bei Offenen Immobilienfonds. Der Grund: Verkaufen viele Anteilseigner gleichzeitig ihre Fonds, muss die Fondsgesellschaft erst Immobilien aus dem Fondsbestand veräußern, um die Anteile auszahlen zu können. Das kann dauern.

Sollten die dabei erzielbaren Marktpreise nicht den Vorstellungen des Fondsmanagement entsprechen, droht die Schließung bis zu maximal zwei Jahre.

Ein ähnliches Muster hatte es in der Finanzkrise auch bei Rentenfonds oder bei Genussscheinfonds gegeben: Hier war der Handel nahe­­zu ausgetrocknet, der Verkauf von Anleihen oder Genussscheinen nur mit enorm hohen Abschlägen möglich. Deshalb entschlossen sich Fondsgesellschaften, ihre Fonds zu schließen. Theoretisch kann dies auch bei Aktienfonds eintreten – vor allem bei solchen, die nur in eine Branche oder ein Land investieren.

ETF
Indexfonds (ETFs) sind wie Fonds Sondervermögen. Allerdings gibt es Emittenten wie db xtrackers oder Lyxor, die einen Teil der im ETF abgebildeten Wertpapiere über sogenannte Swaps bis zu maximal zehn Prozent des Fondsvolumens abbilden. Als Gegenpartei dieses Tauschgeschäfts dient meist eine Bank. Sollte diese straucheln, könnte das für ETF-Besitzer Verluste in Höhe des Swap-Anteils nach sich ziehen. In diesem Fall greift keine Einlagensicherung.

Gold
Bei Gold in Form von Münzen und Barren ist die Bank verpflichtet, dem Kunden sein Eigentum auszuliefern. Sie hat keinen Zugriff auf das Edelmetall. Bei Wertpapieren, die mit Gold unterlegt sind, gilt das Gleiche wie bei anderen Wertpapieren. Man muss also unterscheiden, ob es sich um Gold-Zertifikate oder -ETCs handelt. Da es hier große Unterschiede gibt, sollten sich Anleger vor einem Investment unbedingt informieren.

Zertifikate
Bei Zertifikaten handelt es sich um Schuldverschreibungen. Sie zählen wie Unternehmensanleihen zum Fremdkapital einer Firma und tragen ein ähnliches Risiko. Die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008 hat gezeigt, dass bei Zertifikaten ein Totalverlust möglich ist. Im Falle einer Emittentenpleite können Zertifikateanleger darauf hoffen, wenigstens einen kleinen Teil ihrer Verluste aus der Insolvenzmasse des Emittenten ­ersetzt zu bekommen. Bis es soweit kommt, vergehen Jahre und die Entschädigung ist nur ein Trostpflaster.