Bausparen: Kein Traum für jedermann
Die Deutschen sind im Immobilienfieber. Das macht viele zu Bausparern. Dabei gibt es für die meisten bessere Alternativen. Für wen sich der Klassiker wirklich lohnt.
von Markus Hinterberger und Martin Senne, Euro am Sonntag
Sichern Sie sich heute unseren günstigsten Bausparkredit aller Zeiten!" Die Werbebotschaft des Fuchses aus Schwäbisch Hall wirkt offenbar. Deutschlands größte Bausparkasse schloss 400.000 neue Verträge im ersten Halbjahr 2014 ab. Sie "profitiert dabei von den historisch niedrigen Darlehenszinsen, die sich viele Kunden für die Zukunft sichern wollen", heißt es in einer Meldung des Unternehmens.
Bei den übrigen 20 hierzulande aktiven Bausparkassen laufen die Geschäfte ähnlich gut. Sie hatten bereits 2013 ein Rekordjahr: 3,5 Millionen Neuverträge mit einer Bausparsumme von über 106 Milliarden Euro wurden nach Angaben des Verbands der Privaten Bausparkassen geschlossen. Steffen Sebastian vom Lehrstuhl für Immobilienfinanzierung der Uni Regensburg sieht diese Erfolgsgeschichte jedoch skeptisch: "Ich schätze den Bedarf an Bausparverträgen nicht so hoch ein, wie die Abschlusszahlen es vermuten lassen." Soll heißen: Für viele wäre es besser, ihr Geld anders anzulegen.
Die halbe Wahrheit
Insgesamt besitzen die Deutschen über 30 Millionen Bausparverträge. Sie sind seit einigen Jahren das meistgekaufte Sparprodukt. Vor allem Menschen, die sich nicht sofort, aber in Zukunft ein Eigenheim bauen oder kaufen wollen, wurden und werden Bausparer. Die Zinsen für Baugeld sind rekordniedrig, die Sparzinsen auch. Das lockt viele, ihr Geld sofort oder mit einem Bausparer mittelfristig in eine Immobilie zu stecken. Doch Bausparen ist längst nicht so günstig, wie viele meinen und wie es die Werbung glauben machen will. Denn auch die Darlehens- und Guthabenzinsen der Bausparkassen sind niedrig wie nie. Die Entscheidung der Europäischen Zentralbank, den Leitzins auf 0,05 Prozent zu senken, wird sie wohl weiter sinken lassen.
Was die Werbung der Bausparkassen gern verschweigt: Die Ansparphase ist mindestens so wichtig wie die Zeit, in der das Darlehen abgestottert werden muss. Denn bevor eine Bausparkasse ein Darlehen auszahlt, muss der Kunde jahrelang Geld auf ein Konto einzahlen. Klassisch ist das etwa die Hälfte der Bausparsumme. Erst dann wird das Darlehen über die restliche Bausparsumme zugeteilt. Derzeit bieten lediglich die Debeka und die Bausparkasse des Deutschen Rings mit Guthabenzinsen von jeweils 1,25 Prozent halbwegs annehmbare Zinsen. Zwar werben einige Anbieter mit Bonuszinsen von bis zu drei Prozent, doch die gibt es nur unter bestimmten Bedingungen und oft erst am Ende der Sparzeit. Von Angeboten mit niedrigeren Zinsen raten Experten ab. "Als Faustregel gilt, dass ein Bausparer in der Sparphase bei weniger als einem Prozent Guthabenzins erst nach rund sieben Jahren eine positive Rendite erwirtschaftet", sagt Jörn Hüsgen vom Deutschen Kundeninstitut. Obendrein entstehen Abschlusskosten zwischen einem und 1,6 Prozent der Bausparsumme. Wer also einen Vertrag über 50.000 Euro abschließt, zahlt zunächst einmal 500 oder 800 Euro. Dazu kassieren manche Bausparkassen Kontogebühren. All diese Kosten schmälern den Ertrag auf dem Guthabenkonto.
Nicht immer ist günstig auch gut
Sollte man nun die niedrigen Darlehenszinsen nutzen? Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich, zu klären, wie Bausparen funktioniert. Die Anbieter leben davon, dass sie Geld günstig einsammeln und es teurer in Form von Darlehen ausreichen. Auch zwischen Darlehenszins, Raten und Guthabenzins in der Sparphase gibt es Wechselwirkungen, die Bausparer beachten sollten. Erstens: Je kleiner der zugesicherte Darlehenszins, desto länger dauert es, bis ein Bausparvertrag zuteilungsreif ist. Zweitens: Besonders niedrige Darlehenszinsen werden nur bei relativ schneller und damit hoher Darlehenstilgung gewährt. Doch hohe Tilgungsraten können schnell finanziell überfordern. Wer sich mit der Tilgung länger Zeit lassen will, zahlt höhere Sollzinsen. Drittens: Die Guthabenverzinsung in der Sparphase ist niedriger, wenn das Darlehen besonders günstig sein soll.
Anleger sollten sich daher "nicht von niedrigen Darlehenszinsen blenden lassen", warnt Max Herbst, Inhaber der FMH Finanzberatung. Er empfiehlt, einen Vertrag mit höherem Darlehenszins zu wählen und somit die monatliche Rate zu reduzieren. Schneller zurückzahlen könne man das Darlehen immer.
Diese Verträge haben zudem den Vorteil, dass sie meist auch einen höheren Guthabenzins bieten. So sollte man lieber jetzt einen Vertrag mit einem hohen Guthabenzins und einem im Vergleich auch hohen Darlehenszins wählen. "Sind in sieben bis zehn Jahren die Zinsen wieder hoch, freut man sich über niedrige Darlehenszinsen. Sind die Zinsen in zehn Jahren immer noch niedrig, hatte man wenigstens einen hohen Guthabenzins", erklärt Max Herbst.
Für wen sich Bausparen lohnt
Trotz des Zinstiefs gibt es Gruppen, für die ein Bausparer sinnvoll sein kann - etwa wegen staatlicher Zulagen. Unterhalb eines zu versteuernden Jahreseinkommens von 25.600 Euro für Ledige und 51.200 Euro für Verheiratete haben Bausparer, die älter sind als 16 Jahre, Anspruch auf die Wohnungsbauprämie. Sie beträgt 8,8 Prozent des jährlichen Sparbetrags - doch dieser Betrag ist auf 512 Euro beschränkt, sodass es nur rund 45 Euro dazugibt. Verheirateten winkt das Doppelte. Je nach Zahl der Kinder steigt die Einkommensgrenze.
Doch Vorsicht: Wer die Förderung nutzt, muss mit dem Geld des Bausparers bauen, umbauen, renovieren oder eine Immobilie kaufen. Wer das Ersparte anderweitig nutzt, muss die Förderung zurückzahlen. Nur Bausparer, die bei Vertragsabschluss unter 25 Jahre sind, haben - trotz Förderung - die freie Wahl. Gleiches gilt für Verträge, die vor 2009 geschlossen wurden, allerdings erst ab dem achten Jahr der Laufzeit.
Noch etwas strenger sind die Regeln beim Wohn-Riester. Hier muss der geförderte Bausparvertrag zum Bau, Kauf, Umbau oder zur Renovierung von selbst genutztem Wohnraum eingesetzt werden. Riestern lohnt sich vor allem für Familien: Wer vier Prozent seines Vorjahresbruttoeinkommens, höchstens aber 2.100 Euro anspart, bekommt 154 Euro jährlich vom Staat; der Ehepartner erhält den gleichen Zuschuss. Für jedes vor 2008 geborene Kind gibt es 185 Euro, für jüngere Kinder sogar 300 Euro.
Wer in einigen Jahren modernisieren oder umbauen möchte, kann sich mit einem Bausparvertrag die heute niedrigen Zinsen sichern. Anders als bei Neubau oder Kauf reicht das Bauspardarlehen, um den kompletten Umbau zu stemmen. Wenn er dazu dient, den Energieverbrauch zu senken, oder dafür sorgen soll, dass die Immobilie seniorengerecht wird, können Förderkredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) günstiger sein.
Was oft vergessen wird: Mithilfe eines Bausparers kommen auch Kunden mit schlechter Bonität an einen Kredit. Das nutzt etwa Rentnern, die noch eine Restschuld zu begleichen haben und wegen ihres Alters keinen Kredit bekommen.
Wer Bausparen sein lassen sollte
Abseits der Förderung oder von kleineren Vorhaben verliert Bausparen seinen Charme. Wer etwa mithilfe eines Bausparers in etwa zehn Jahren ein Eigenheim erwerben will, kann ein Problem bekommen - vor allem wenn der Preis der Immobilie über der Bausparsumme liegt. "Wer 50.000 Euro günstig über das Bausparen erhält und die fehlenden 100.000 Euro in zehn Jahren für fünf Prozent finanzieren muss, hat keine Zinssicherheit. Und den gesamten Kaufpreis per Bausparvertrag zu finanzieren ist utopisch", warnt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg.
Auch Kombikredite, die ein endfälliges Darlehen mit einem gleichzeitig abgeschlossenen Bausparvertrag verbinden, sind keine gute Wahl. Der Bausparer zahlt zunächst nur die Darlehenszinsen. Anstatt zu tilgen, wird der Bausparvertrag aufgefüllt. Ist dieser zuteilungsreif, wird mit der Bausparsumme das Darlehen getilgt. Die Darlehensphase des Bausparvertrags beginnt, wenn dessen Zins- und Tilgungsraten bedient werden müssen. Finanzierungsexperte Steffen Sebastian rät eher zum klassischen Annuitätendarlehen, idealerweise mit Sondertilgungsrechten.
Wie bei allen Geldfragen gilt: Beratung ist wichtig. Doch die Berater der Banken und in den Niederlassungen der Bausparkassen leben von den Provisionen der Vertragsabschlüsse. "Das wäre so, als ob ich einen Autohändler frage: Soll ich eine Bahncard kaufen oder ein Auto von Ihnen?", meint Sebastian.
Besseren Rat geben Finanzberater, die unabhängig von Banken und gegen Honorar arbeiten. Das kann zwar mehrere Hundert Euro kosten, bewahrt einen aber vor Fehlern, die in die Tausende gehen können.
Gesamtwertung
Rang
Bausparkasse
Punktzahl
Note
1
Debeka Bauspar
92,0
Sehr gut
2
Schwäbisch Hall
88,0
Sehr gut
3
LBS Saar
85,9
Sehr gut
4
LBS Bayern
85,9
Sehr gut
5
Signal Iduna Bauspar
84,9
Gut
6
BHW
83,1
Gut
7
LBS Schleswig-Holstein-Hamburg
82,1
Gut
8
Alte Leipziger Bauspar
79,6
Gut
9
Bausparkasse Mainz
78,2
Gut
10
LBS Ost
78,1
Gut
11
LBS Hessen-Thüringen
77,8
Gut
12
LBS Baden-Württemberg
76,9
Gut
13
LBS West
75,8
Gut
14
Deutsche Bank Bauspar
74,9
Gut
15
LBS Nord
71,2
Befriedigend
16
Wüstenrot
70,2
Befriedigend
17
Deutscher Ring Bausparkasse
69,8
Befriedigend
18
Deutsche Bausparkasse Badenia
69,3
Befriedigend
19
LBS Rheinland-Pfalz
67,1
Befriedigend
20
Aachener Bausparkasse
64,4
Befriedigend
Ab 85 Punkte: sehr gut; ab 72,3 Punkte: gut; ab 61,4 Punkte: befriedigend.
Quelle: Deutsches Kundeninstitut (DKI)
Die Ergebnisse
So wurde
gewertet
Die Gesamtwertung setzt sich aus drei Kategorien zusammen. Bei "Beratung" ging es darum, die Situation unserer Testkunden zu analysieren, das Angebot zu erklären und die Kosten darzustellen. Die jeweiligen Angebote wurden in der Sparte "Konditionen" extra bewertet. Hier musste das Gesamtpaket aus Zinsen in der Sparphase und im Darlehen sowie aus der Ersparnis gegenüber einer alternativen Finanzierung stimmen. In der Kategorie "Service" wurden Hotlines und Internetseiten der Anbieter getestet.
Bauspar-Tipps
Was tun Mit Altverträgen?
Gefährliche Verlockungen
In vielen Aktenordnern schlummern Bausparverträge aus den späten 90er-Jahren, als sich Anbieter wie LBS, BHW, Schwäbisch Hall und Wüstenrot mit Hochzinsverträgen überboten. Zwischen 1997 und 2002 ermittelte die FMH Finanzberatung mehr als 20 Tarife, deren Renditen inklusive Bonuszinsen zwischen vier und fünf Prozent lagen. Inhaber dieser alten Bausparverträge haben in den vergangenen Jahren häufig Post von ihrer Bausparkasse bekommen: Sie möchten doch bitte ihren alten, hoch verzinsten Vertrag gegen einen neuen Vertrag mit niedrigeren Darlehenszinsen, aber - und das ist oft nur im Kleingedruckten zu lesen - niedrigen Guthabenzinsen tauschen.
Nach Ansicht von Niels Nauhauser kein gutes Geschäft. Der Finanzexperte von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg warnt vor Tarifwechseln. Die zum Teil horrenden Wechselgebühren machten jeden Zinsvorteil der neuen Offerten zunichte. Noch schlimmer stehen Bausparer da, die in nächster Zeit gar nicht bauen wollen. Sie sollten ihre Altverträge tunlichst behalten. Auf absehbare Zeit wird es solche Hochzinsangebote mit vergleichbarer Sicherheit wohl nicht mehr geben. Denn im aktuellen Zinstief sind diese Verträge wahre Goldgruben.
Alternativen sind rar: Selbst wer sich mit einem Sparbrief zehn Jahre lang bindet, bekommt derzeit 2,7 Prozent - bei einer Bank, die nur die gesetzliche Einlagensicherung bietet. Wer in naher Zukunft doch bauen oder kaufen will, kann auch ein konventionelles Darlehen aufnehmen.
Ein Kredit mit zehn Jahren Zinsbindung ist bereits für weniger als zwei Prozent Zinsen zu haben. Da können die Darlehenskonditionen alter Verträge nicht mithalten.
Was also tun? Kunden sollten sich nicht beirren lassen. Die Verträge können so lange bespart werden, bis die Bausparsumme erreicht ist. Erst dann kann die Bausparkasse mit einer Frist von drei Monaten kündigen. Kunden, die einen solchen Altvertrag besitzen, sollten also nachschauen, wie viel sie bereits angespart haben. "Wer die Bausparsumme schon fast erreicht hat, sollte gegebenenfalls seinen Vertrag stilllegen und die Zinsen für sich arbeiten lassen", rät Max Herbst, Inhaber der FMH-Finanzberatung. Vertreter der Branche hören solche Tipps selbstverständlich nicht gern: Ein Bausparvertrag sei nicht als Kapitalanlage, sondern für "wohnwirtschaftliche Zwecke", sprich die eigenen vier Wände, gedacht, heißt es aus der Pressestelle des Verbands der privaten Bausparkassen. Es besteht aber kein Zwang, tatsächlich zu bauen oder zu kaufen.
Einlagensicherung
Ein Ziel, zwei Wege
Bausparkassen stehen für das Geld ihrer Sparer in vollem Umfang gerade. Nur die Art der Absicherung unterscheidet sich. Bei den Landesbausparkassen, die zum Deutschen Sparkassen- und Giroverband gehören, gibt es die sogenannte Institutssicherung. Sobald ein Mitglied des Verbands finanzielle Probleme hat, helfen die anderen aus. Das sorgt dafür, dass es erst gar nicht zum Ernstfall kommt.
Schwäbisch Hall gehört zur Institutssicherung des Bundesverbands der Volks- und Raiffeisenbanken. Die übrigen privaten Bausparkassen haben ein zweistufiges Sicherungssystem: Geht ein Anbieter pleite, sind pro Kunde 100.000 Euro über die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken geschützt, jenseits dieser gesetzlichen Einlagensicherung greift der Bausparkassen-Einlagensicherungsfonds. Bei der Bausparkasse der Deutschen Bank hat sich die Deutsche Bank bereit erklärt, das Institut im Ernstfall zusätzlich zu unterstützen.
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