Tagesgeld und Festgeld: Schrumpfzinsen und Strumpfzinsen
Die Zinsen sind niedrig und werden es auch noch eine Weile bleiben. Was Anleger nun tun sollten und wo es noch leidlich gute Angebote gibt.
von S. Gröneweg und
M. Hinterberger, Euro am Sonntag
Rund 237.000 Treffer erzielt die Suchmaschine Google für den Begriff "Sparstrumpf". Beim Portal Dawanda, auf dem Menschen Selbstgemachtes feilbieten, gibt es allein 142 verschiedene Sparstrümpfe in vielen erdenklichen Größen, Farben und Formen zu kaufen. Ob sich die Zahlen in den vergangenen Jahren erhöht haben, lässt sich nicht nachvollziehen. Gerade bei Dawanda werden einige Angebote mit dem nahenden Weihnachtsfest zusammenhängen.
Nachvollziehbar ist jedenfalls, dass die Deutschen beim Sparen über Alternativen zur Bank nachdenken - zumindest wenn Negativzinsen drohen. 46 Prozent der Bundesbürger wollen laut einer Umfrage der ING-DiBa und des Mannheimer Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) ihr Geld abheben, wenn ihre Hausbank Zinsen von 0,1 Prozent oder mehr verlangen sollte.
Dass Banken Geld fürs Geldanlegen fordern, ist glücklicherweise noch kein echter Trend. Nach einer Umfrage des Vergleichsportals Verivox erheben bundesweit 16 Institute, in der Regel kleinere Banken, von ihren Kunden Negativzinsen. Das heißt grob gesagt, jedes 90. Geldhaus, das Geschäfte mit Privatkunden macht, kassiert Minuszinsen. Betroffen sind in der Regel höhere Einlagen ab 100.000 Euro.
Teure Treue
Abseits der Negativzinsen offenbart die Studie von Deutschlands größter Direktbank und dem ZEW noch mehr: Auch wenn der Zins im Nullkommanullbereich liegt, bleiben die Deutschen ihrem Konto treu. Dabei sind die Zinsen der meisten Tagesgeld-, Festgeld- und Sparkonten schon heute faktisch negativ. Seit gut einem Jahr liegt die Inflationsrate über einem Prozent, zuletzt sogar bei 1,8 Prozent. Selbst wer sich den aktuellen Tagesgeldspitzenzins gesichert hat, zahlt unterm Strich 0,8 Prozentpunkte drauf. Das zeigt das Dilemma der Sparer im aktuellen Zinstief: Nur wer sich lange bindet, kann zumindest den Wert seines Geldes erhalten. Andererseits ist es keineswegs sicher, dass die Zinsen in den kommenden fünf bis zehn Jahren so niedrig bleiben.
Noch einige magere Jahre
Aus diesem Grund hat €uro am Sonntag bundesweit aktive Banken, Zinsvermittler und Vergleichsportale nach deren Zinsprognose und Tipps für Sparer befragt. Ein Drittel der befragten Häuser hat keine Prognose gewagt. Laut denen, die sich einen Blick in die Zukunft zutrauen, wird das Jahr 2018 keine Zinswende nach oben bringen. "Eine Leitzinswende planen die europäischen Währungshüter nicht vor dem Sommer 2019", sagt beispielsweise Chris-Oliver Schickentanz, Chefanlagestratege der Commerzbank. Was aber auch nicht heißt, dass ab Mitte 2019 die Sparzinsen sprunghaft ansteigen werden. "Auskömmliche Zinsen - sprich ein Leitzins in Inflationshöhe - wird es nicht vor dem Jahr 2022 geben", prognostiziert Schickentanz.
Die meisten Kollegen von der Konkurrenz pflichten ihm bei. Ebenso einig sind sich die Banker, dass Sparer, die kein Geld verlieren wollen, nicht die Hände in den Schoß legen dürfen. "Im aktuellen Zinsumfeld nichts zu tun und abzuwarten, ist keine Alternative", meint Matthias Hach von der Comdirect. Er empfiehlt, einen Teil des Geldes - zwei bis drei Monatsgehälter - für unvorhergesehene Ereignisse auf einem leidlich verzinsten Tagesgeldkonto zu halten, den Rest aber am Kapitalmarkt, etwa in Aktien und Fonds, zu investieren. Ein sinnvoller Tipp, der aber längst nicht zu jedem Anleger passt.
Wer die Schwankungen der Finanzmärkte nicht aushalten kann oder will, hat mehrere Möglichkeiten, sein Geld so anzulegen, dass es nur zu einem kleinen Teil der Inflation anheimfällt. Das bringt Aufwand mit sich, schließlich heißt aktiv werden nichts anderes, als Zinsofferten im Auge zu behalten und gegebenenfalls zu wechseln. Andererseits müssen Sparer sich vom Gedanken verabschieden, auf todsicheren Konten den Wert ihres Geld zu erhalten und vielleicht sogar Gewinne zu machen.
Beim Tagesgeld machen mit Consorsbank und ING-DiBa zwei bekannte Banken mit deutscher Einlagensicherung derzeit die Frage unter sich aus, wer den höchsten Zins bietet. Die Spitzenreiter bei Festgeldern, egal ob über wenige Monate oder viele Jahre, sind weniger bekannte Banken mit der europäischen Einlagensicherung. Diese schützt pro Kunde nur Sparvermögen bis zu 100.000 Euro, einheimische Institute haben meist einen umfassenderen Schutz.
Nichtsdestotrotz sollten Anleger sich von diesen Offerten nicht abschrecken lassen, die Einlagensicherung ist europaweit inzwischen so vereinheitlicht, dass Kunden ausländischer Geldhäuser, die eine deutsche Niederlassung unterhalten, im Fall einer Bankpleite ihre Forderungen gegenüber der deutschen Einlagensicherung geltend machen können.
Auf Sicht fahren
Bevor Sparer sich nun ein neues Konto suchen, sollten sie für sich klären, wie lange sie ihr Geld anlegen wollen. Zwar winken hoch verzinste Sparbriefe mit Laufzeiten über fünf und mehr Jahre mit Zinsen von 1,4 bis 1,95 Prozent - das würde zumindest im letzteren Fall reichen, die aktuelle Teuerungsrate zu schlagen und noch einen kleinen Gewinn zu machen. Sollten die Zinsen zwischendurch allerdings wieder steigen, wäre man gebunden. Und nur wenige Anbieter von lang laufenden Festgeldern zahlen die bis dato aufgelaufenen Zinsen aus, wenn der Sparer vorzeitig aussteigt.
Daher lohnt es sich, auf Sicht zu fahren: "Wir empfehlen zwei Festgeldanlagen mit zweijähriger Laufzeit, die im jährlichen Wechsel auslaufen", rät Verivox-Geschäftsführer Christoph Jennen. "Aktuell zahlen Topbanken dafür 1,33 Prozent Zinsen. Damit kommen Sparer dem Inflationsausgleich zumindest nahe. Da jedes Jahr eine Anlage fällig wird, sind sie dann flüssig, wenn die Zinsen wieder anziehen." Um den Zinssatz, den Jennen nennt, zu bekommen, braucht es allerdings einen Vermittler.
Bei diesen Onlineanbietern können sich Sparer registrieren lassen. So haben sie die Möglichkeit, von Angeboten ausländischer Banken zu profitieren, zu denen sie mangels deutscher Repräsentanz und Sprachbarriere keinen Zugang hätten. Dazu eröffnen sie in der Regel ein Referenzkonto bei einer deutschen Partnerbank des Vermittlers. Von diesem Konto fließt über die Anlagemaske des Vermittlers der gewünschte Betrag zu einer ausländischen Bank der Wahl.
Im genannten Angebot handelt es sich um eine Offerte des Anbieters Zinspilot. Die rumänische Alpha Bank bietet ab dem ersten Euro 1,33 Prozent für Festgeldanlagen über zwei Jahre. Die Offerten von Zinspilot und den beiden Wettbewerbern Weltsparen und Savedo sind in der Tabelle links zusammengestellt.
Obwohl diese Angebote in der Regel noch über den Offerten liegen, die Kunden am deutschen Markt direkt abschließen können, trifft das Zinstief auch die Banken im Ausland. Im Vergleich zur jüngsten Erhebung, die €uro am Sonntag vor einem Jahr machte, sind die Zinsen bei den Angeboten mit Laufzeiten bis zu drei Jahren im Schnitt um 0,4 bis 0,5 Prozentpunkte gesunken. Bei langfristigeren Engagements ging es im Schnitt um 0,4 Prozentpunkte nach unten.
Das Gros der Vermittlerangebote kommt aus dem EU-Ausland oder aus Staaten, die eine gesetzliche Einlagensicherung von nur 100.000 Euro haben. Die Anbieter versprechen ihren Kunden, bei der Quellensteuer, die in einigen Ländern auf die Zinserträge anfällt, und auch im Fall von Bankinsolvenzen zur Seite zu stehen. Denn dadurch, dass bei den Zinsvermittlern gelistete Banken in der Regel keine deutsche Dependance haben, müssten hiesige Sparer sich im Fall einer Pleite mit der jeweiligen Einlagensicherungsbehörde im Ausland auseinandersetzen.
Unterm Strich sprechen für die Angebote von Zinsvermittlern nicht nur die höheren Zinsen im Vergleich zu den direkt abschließbaren Angeboten. Auch der Umstand, dass die Angebote jederzeit und unbürokratisch gewechselt werden können, ist ein Vorteil. Hier reicht es, sich einmal via Post- oder Video-Ident-Verfahren beim Vermittler anzumelden. Wer sein Wunschangebot direkt abschließt, hat diese Prozedur bei jedem Wechsel vor sich.
Um diesen Aufwand in Grenzen zu halten, lohnt es sich, nach einer Bank Ausschau zu halten, deren Topzinsen keine Eintagsfliegen sind. Daher hat die Redaktion gemeinsam mit dem Datenlieferanten FMH-Finanzberatung die Zinsübersichten des vergangenen Jahres analysiert.
Anders als in den Vorjahren ist das Feld der Banken, die besonders häufig in den wöchentlichen Zinsübersichten ganz oben gelandet sind, vergleichsweise klein. So liegen beim Tagesgeld mit hoher deutscher Einlagensicherung Consorsbank und ING-DiBa mit Abstand vorn. Derzeit bietet die Consorsbank ein Prozent mit einer Zinsgarantie für ein halbes Jahr - allerdings nur für Neukunden. Bei Offerten mit europäischer Einlagensicherung war die Renault Bank Direkt als einzige Bank fast durchgängig in der Übersicht vertreten. Die Tochter des französischen Autokonzerns bietet Neukunden aktuell 0,7 Prozent mit drei Monaten Zinsgarantie.
Beim Festgeld mit einem Jahr Zinsbindung hatten Sparer im abgelaufenen Jahr die Qual der Wahl, sowohl bei den Anbietern mit deutscher Einlagensicherung - hier waren die Akbank und die Bank11 vorn - als auch bei Konten mit anderer Einlagensicherung. Hier lagen die niederländische Leaseplan Bank, die österreichische Denizbank und die schwedische Klarna vorn. Derzeit bietet Letztere mit 1,1 Prozent den höchsten Zins. Schweden ist zwar kein EU-Mitglied, die Obergrenze der Einlagensicherung entspricht aber in etwa dem Standard der Staatengemeinschaft. Sie liegt nach dem aktuellen Umrechnungskurs bei rund 96.000 Euro pro Kunde.
Bei Sparbriefen mit fünf Jahren Laufzeit ist neben der Ziraat Bank wieder die Akbank vertreten. Sie bietet derzeit 1,4 Prozent. Da kann selbst die Vakifbank, ein Institut mit österreichischer Einlagensicherung, das 2017 am häufigsten in den Zinsübersichten auftauchte, nicht mithalten.
Festgeldangebote der Zinsportale (pdf)
Einlagensicherung:
Mindestens 100.000 Euro
Europäischer Sicherungsfonds: Die Europäische Union will Bankenpleiten verhindern. Dabei helfen soll ein Fonds, in den jede Bank der EU einzahlt und der bis 2024, dem Jahr, ab dem voraussichtlich die gemeinsame Einlagensicherung gilt, 45 Milliarden Euro schwer sein soll. Bis dahin gelten noch die
nationalen Sicherungssysteme.
Die 100.000-Euro-Grenze: Grundsätzlich gilt in Europa: Geht eine Bank pleite, haben alle Kontoinhaber einen Rechtsanspruch, ihr Geld bis zu 100.000 Euro (für Ehepaare mit Gemeinschaftskonto 200.000 Euro) zurückzubekommen. Dazu zählen Guthaben auf Giro-, Tages- und Termingeldkonten. Auch Zinsen, die zwar aufgelaufen, aber noch nicht gutgeschrieben wurden, werden erstattet. Derzeit darf es in Deutschland sieben Arbeitstage dauern, bis Kunden entschädigt sind. EU-weit beträgt die Frist in vielen Ländern noch 20 Tage. Bankkunden erhalten ihr Geld automatisch zurück. Kunden, die zwischenzeitlich mehr Geld auf dem Konto haben, etwa weil sie ihre Privatwohnung verkauft oder eine Abfindung bekommen haben, sind hierzulande besonders geschützt. Wird ihre Bank zahlungsunfähig, gilt für sie sechs Monate lang eine Sicherungsgrenze von 500.000 Euro. Allerdings müssen sie in diesem Fall einen Antrag stellen, um eine Entschädigung zu erhalten.
Freiwillige Einrichtungen: Wenn Kunden einer Privatbank durch eine Bankpleite über 100.000 Euro verloren haben, steht die private Einlagensicherung des Bankenverbands (BdB) für den darüber hinausgehenden Betrag gerade. Welche Summe je Kunde maximal abgesichert ist, richtet sich nach dem haftenden Eigenkapital der jeweiligen Bank. Bis 2025 wird die Sicherungsgrenze schrittweise von derzeit 20 Prozent des haftenden Eigenkapitals auf 8,75 Prozent gesenkt. Selbst dann beträgt die Absicherung noch mindestens 437.500 Euro. Anders als die gesetzliche Einlagensicherung umfasst der Fonds des Bankenverbands auch Fremdwährungskonten (mehr dazu unter www.bdb.de).
Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben eine Institutssicherung: Geht es einem Institut finanziell schlecht, wird es von den übrigen Verbandsmitgliedern unterstützt, bis es wieder solvent ist. Mehr dazu unter www.dsgv.de (Sparkassen) und www.bvr.de (Genossenschaftsbanken).
Sicherheit im Ausland: Die 100.000-Euro-Grenze gilt in der gesamten Europäischen Union. In EU-Staaten wie Großbritannien, die eine andere Währung als den Euro haben, wird entsprechend umgerechnet. Seit Juli 2015 erhalten Kunden
von Banken aus dem Europäischen Wirtschaftsraum, die hierzulande eine Zweigstelle haben,
im Ernstfall die Entschädigung von der deutschen Einlagensicherung (www.edb-banken.de). Sie müssen ihre Ansprüche nicht mehr im Ausland beantragen.
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