Steuer auf Fonds & ETFs: Was Anleger unbedingt wissen müssen
Die Steuerspielregeln für Fonds und ETFs ändern sich ab 2018. Auf welche Fallstricke Anleger jetzt achten und wann sie handeln sollten.
von Stefan Rullkötter, Euro am Sonntag
Wolfgang Schäuble hat sich in den acht Jahren seiner Amtszeit als Finanzminister den Ruf eines strengen Sparkommissars erworben.
Unstrittig ist auch, dass der künftige Bundestagspräsident mit dem Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung ein lang wirkendes Vermächtnis hinterlässt. Das InvStRefG, so die amtliche Abkürzung, lotste Schäuble bereits im Sommer 2016 ohne großes Aufsehen durch Bundestag und Bundesrat. Dahinter verbirgt sich ein tief greifender Wandel der Besteuerung von Investmentfonds ab 2018.
Denn alle vor dem Jahr 2009 gekauften Fondsanteile genossen bisher einen rechtlichen Bestandsschutz: Hielten Anleger diese Wertpapiere länger als ein Jahr im Depot, konnten sie die beim Verkauf realisierten Kursgewinne steuerfrei einstreichen.
Das ändert sich ab dem nächsten Jahr. Nur Gewinne aus Altanteilen, die bis Jahresende 2017 tatsächlich realisiert werden oder als Buchgewinne auflaufen, bleiben ab 2018 in jedem Fall verschont. Verkaufsgewinne aus Anteilen, die vor 2009 angeschafft wurden und ab dem Jahr 2018 neu entstehen, werden dagegen nur bis 100.000 Euro pro Anleger steuerfrei gestellt. Unabhängig vom Kaufdatum gelten dann alle Fondsanteile per 31. Dezember 2017 als "fiktiv veräußert" und zum 1. Januar 2018 als "fiktiv wieder angeschafft". Mit dem bürokratischen Akt wird die zuvor unbefristet garantierte Steuerfreiheit von Altbeständen ausgehebelt. Denn jeder ab 2018 neu erwirtschaftete Euro oberhalb des Freibetrags wird so steuerpflichtig.
Wer aber über Jahrzehnte kontinuierlich in Investmentfonds angelegt hat, etwa über einen Sparplan, kann bei guter Börsenentwicklung - und entsprechendem Depotvermögen - durchaus auch diese Gewinnschwelle erreichen. Die neuen Besteuerungsregeln gelten für alle inländischen und ausländischen Investmentfonds gleichermaßen. Auch ETFs fallen als börsengehandelte Fonds unter das Reformgesetz. "Fondsgebundene Lebensversicherungen und vermögenswirksame Leistungen, die in Fonds angespart werden, sind ebenfalls davon betroffen", erklärt die Berliner Steuerexpertin Anja Kleversaat.
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Ausgenommen von der Investmentsteuer sind lediglich Riester- und RürupFonds. Bei diesen staatlich geförderten Altersvorsorgeprodukten bleibt es bei der "nachgelagerten" Besteuerung. Auch für Zertifikate gilt die Neuregelung nicht. Sämtliche vor 2009 gekauften Wertpapiere dieses Typs sind wie gehabt kapitalertragsteuerpflichtig.
Die mögliche Steuerlast für ab 2018 realisierte Kursgewinne mit Altfonds könnte durch einen Systemwechsel sogar noch größer werden. CDU und CSU sowie Grüne haben in ihren Wahlprogrammen festgeschrieben, die 25-prozentige Abgeltungsteuer für Kapitalerträge abzuschaffen und diese wieder mit dem persönlichen Einkommensteuersatz zu belegen. Dieser Tarif beträgt bis zu 45 Prozent.
Fallen bei Fondsausschüttungen
Außerdem gibt es Änderungen bei Fondsausschüttungen. Bei Investmentfonds werden ab 2018 schon auf Fondsebene 15 Prozent Körperschaftsteuer abgezogen, wenn sie deutsche Dividenden vereinnahmen. Um die zusätzliche Abgabenlast auszugleichen, werden Ausschüttungen und Verkaufsgewinne der Fonds auf Anlegerebene teilweise von der Steuer freigestellt. Bei Aktienfonds sind das 30 Prozent, bei Mischfonds mit einem Aktienanteil von mindestens einem Viertel im Portfolio 15 Prozent. Die höchste Teilfreistellungsquote (6O Prozent) für Ausschüttungen und Veräußerungsgewinne gibt es bei Offenen Immobilienfonds. Liegt deren Anlageschwerpunkt bei Objekten im Ausland, werden sogar 80 Prozent freigestellt (siehe pdf-Grafik).
So schön dieser Steuerbonus bei hohen Fondsausschüttungen sein mag - bei Kleinsparern läuft er ins Leere: Liegen die Kapitalerträge unterm Sparerfreibetrag (801 Euro Alleinstehende, 1.602 Euro zusammen Veranlagte), bringt eine Teilfreistellung nichts.
Das neue Prozedere führt zu mehr Bürokratie: Die freizustellenden Erträge müssen abgegrenzt und herausgerechnet werden - gegenüber Zinsen, Veräußerungsgewinnen aus Wertpapieren und Termingeschäften sowie gegenüber ausländischen Dividenden und Immobilienerträgen, die auf Fondsebene auch künftig steuerfrei sein werden.
Zusatzarbeit beschert die Investmentsteuerreform vor allem Anbietern von Mischfonds, die Aktien- und Rentenpositionen halten. "Um Anlegern die 30-prozentige Teilfreistellung bei Ausschüttungen zu sichern, müssen sie ab 2018 mindestens 51 Prozent ihres Portfolios in Aktien anlegen", warnt Jürgen Dumschat, Geschäftsführer des Fondsdienstleisters Aecon. "Um dies der Bafin als zuständiger Aufsichtsbehörde nachzuweisen, müssen sie die Anlagerichtlinien im Verkaufsprospekt bis Jahresende anpassen." Auf Antrag wird eine Fristverlängerung bis Ende 2018 gewährt - bis dahin muss umgestellt sein.
Davon besonders betroffen sind alternative Fondskonzepte, die flexibel auf Marktentwicklungen reagieren - und deren Aktienanteil daher zwischen null und 100 Prozent schwanken kann.
Hinzu kommt: Depotbanken sind als Zahlstellen des Fiskus an die Vorgaben des WM-Datenservice gebunden, der in Abstimmung mit der Finanzverwaltung den steuerpflichtigen Anteil der Fondsausschüttungen festlegt. Sollte es hier Unstimmigkeiten geben, können betroffene Anleger zu viel abgebuchte Abgaben nur via Einspruch zurückholen.
Nachbesserungen von Amts wegen
Noch vertrackter ist die Lage bei Dachfonds, die im Portfolio Aktien- und Anleihefonds haben: Selbst wenn diese nur in Aktienfonds investieren, sind sie nach Vorgaben des InvStRefG lediglich zu 50 Prozent anrechenbar. Eine Teilfreistellung der Ausschüttungen für Anleger wäre demnach auch bei den beliebten Dach-ETFs nicht möglich.
Nicht verwunderlich, dass die Finanzverwaltung schon vor dem Inkrafttreten der Investmentsteuerreform mit Hochdruck an Auslegungs- und Detailfragen des neuen Gesetzes arbeitet. Mitte Juli legte das Bundesfinanzministerium ein erstes Anwendungsschreiben zur Bestimmung der Teilfreistellungssätze vor (Gz. IV C 1 - S 1980-1/16/ 10010:001).
Bei Dachfonds soll demnach auf die Anlagebedingungen der Zielfonds abgestellt werden. Zudem sollen die Fonds die Anlagegrenzen nur sechs Monate im Jahr einhalten müssen.
Ein anderer Ausweg für Anleger: Sollte die rechtliche Dokumentation eines Investmentfonds keine hinreichenden Aussagen zu diesen Schwellenwerten enthalten - und somit keine entsprechende Schlüsselung erfolgt sein -, besteht die Möglichkeit, später im Rahmen der Steuererklärung nachzuweisen, dass der Investmentfonds die Anlagegrenzen während des Geschäftsjahres tatsächlich durchgehend überschritten hat. In der Praxis sollte dies aber nur bei Fonds vorkommen, die in Deutschland nicht aktiv vertrieben werden.
Gewinner der Fondssteuerreform
Das neue Investmentsteuergesetz hat aber auch eine anlegerfreundliche Seite. Ab 2018 wird die Besteuerung von in- und ausländischen Investmentfonds angeglichen. Wer gemanagte Investmentfonds im Depot hat, die im Ausland aufgelegt sind und Dividenden sowie Zinsen "ansparen", muss diese Daten dann nicht länger per Hand in seine Steuererklärung einfügen. Derzeit müssen Auslandsfondsanleger ihre jährlichen Erträge noch umständlich in der Anlage KAP (Zeile 15) deklarieren, weil die deutsche Abgeltungsteuer von den Auslandsgesellschaften nicht an den Fiskus abgeführt wird.
Zudem entfällt die Pflicht, die Unterlagen bis zum Verkauf aufzubewahren. Künftig wird von der Depotbank automatisch die fällige Pauschalabgabe (maximal 27,98 Prozent) auf die jährliche Wertsteigerung der Fondsanteile abgeführt, sofern der Sparerfreibetrag ausgeschöpft ist. Auch bei ETFs zahlen Anleger künftig jährlich Abgeltungsteuer auf eine pauschale Wertsteigerung, eine sogenannte Vorabpauschale.
Depotbanken müssen auch beim späteren Verkauf ausländischer Fondsanteile ab 2018 bei der dann fälligen Pauschalabgabe stets die erforderliche Gegenrechnung durchführen, um Doppelbesteuerungen zu vermeiden. In der Vergangenheit kam es in dieser Konstellation häufig vor, dass Geldinstitute die Abgeltungsteuer zum Nachteil ihrer Kunden gleich zweimal an den Fiskus abführten, um sich selbst zu enthaften.
Abgaben vermeiden können Fondsanleger, indem sie vorausschauend planen: Sie sollten rechtzeitig vor dem 31. Dezember 2017 prüfen, welcher steuerlichen Periode ihre Investmentanteile zuzuordnen sind. Die Grundregel: Fondsaltbestände sollten eher im Bestand bleiben als Investmentanteile, die nach 2009 erworben wurden und deren realisierte Kurgewinne in jedem Fall abgeltungsteuerpflichtig sind.
Auch für Fondsanteile, die ab 2009 gekauft wurden, ist der Gewinn aus der fiktiven Veräußerung erst anzusetzen, wenn diese tatsächlich verkauft werden. Dadurch wird zumindest ein Steuerstundungseffekt erzielt.
"Wer schon vor Einführung der Abgeltungsteuer ein großes Fondsportfolio hatte, Anteile derzeit nicht verkaufen möchte und den Steuerfreibetrag bei einer künftigen Börsenhausse wahrscheinlich überschreitet, kann diese noch 2017 an Familienangehörige übertragen", empfiehlt Fondsprofi Dumschat. Denn der 100.000-Euro-Steuerfreibetrag für künftige Gewinne mit Altfondsanteilen gilt pro Person - und nicht für jeden einzelnen Altfonds. Eine in vielen Fällen lohnende Option für Fondsanleger, um Schäubles Vermächtnis steuerlich optimal zu nutzen.
Neue Besteuerungsregeln (pdf)
Beispielrechnung Abgeltungssteuer (pdf)
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