Euro am Sonntag-Meinung

Zukunftstrends: Mythos Automatisierung

24.02.18 17:00 Uhr

Zukunftstrends: Mythos Automatisierung | finanzen.net

Es klingt so schön nach Zukunft: Sogenannte Fintechs und die künstliche Intelligenz werden Investorengeld viel ­besser anlegen als menschliche Manager. Doch nicht alle glauben an die alleinige Macht der Maschinen.

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von Charles Ellis, Gastautor von Euro am Sonntag

In Zeiten von selbstfahrenden Autos, Roboter-Operationen und Computern, die Menschen in hochkomplexen Spielen wie Schach oder dem asiatischen Go zu Fall bringen können, scheint für viele ausgemacht zu sein: Die Automatisierung der Wall Street, der City of London, des Finanzplatzes Frankfurt und anderer Finanzzentren steht unmittelbar bevor.



Es wird davon ausgegangen, dass künstliche Intelligenz (KI) den klassischen Stockpicker und Fondsmanager in Kürze historisch gesehen in dieselbe Vergessenheit geraten lassen wird wie einst den Textilweber. Es ist schon richtig, dass KI ein großes Potenzial im Bereich von Finanzdienstleistungen hat. Aber im Hier und Jetzt müssen die übertriebenen Erwartungen technophiler Beobachter leider enttäuscht werden.

Wenn das geschieht, reagieren diese Beobachter häufig, indem sie ins andere ­Extrem umschlagen und sich beschweren, dass sich die Finanzdienstleistungsindustrie KI nicht zunutze mache und technologisch in einem dunklen Zeitalter stecke.

Maschinen sollten nicht ohne
Aufsicht arbeiten dürfen

Grundlage dafür ist ein Missverständnis hinsichtlich der Anwendung von Technologie im Bereich von Finanzdienstleistungen. Maschinelles Lernen, ein weniger griffiges Konzept als KI, wird seit Langem verwendet. Letzten Endes ist eine einfache lineare Regression in einer Excel-Tabelle ein Beispiel für maschinelles Lernen, wenn auch in einer sehr grundlegenden Form.

Nein, das ist nicht das Äquivalent des selbstfahrenden Autos im Finanzdienstleistungsbereich. Es ist auch nicht so gemeint. Maschinelles Lernen ist ein weniger faszinierender Name als KI, aber es wird allgemein und gewinnbringend verwendet. Darüber hinaus kann weiterentwickeltes maschinelles Lernen als ein starker Partner für menschliche Manager fungieren. Es kann Vorhersagen entwickeln und diese Vorhersagen dann in eine Strategie umwandeln. Es kann schneller als ein Manager Long-/Short-Positionen auswählen, aber in allen Fällen ist eine Kontrolle durch den Menschen erforderlich, um das vorgeschlagene Vorgehen nachzuprüfen.



Hier ein sehr zutreffendes Beispiel: Wie wir alle wissen, ist der Außenwert des Pfund Sterling stark gesunken, nachdem das Ergebnis des Referen­dums über die Mitgliedschaft in der ­Europäischen Union am 23. Juni 2016 in Großbritannien bekannt wurde. Ein maschinelles Lernprogramm würde die riesige Menge historischer Daten untersuchen, die ihm zur Verfügung stehen, und sofort feststellen, dass auf jeden so starken Rückgang des Pfund-Werts in der Vergangenheit - wie 1976, 1985 und 1992, als Großbritannien den Euro- Wechselkursmechanismus verließ - ein Kurssprung folgte.

Dies wäre aus Sicht des maschinellen Lernens eine offensichtliche Kaufge­legenheit gewesen. Es würde einen menschlichen Manager brauchen, um festzustellen, dass "es dieses Mal anders ist", dass das Ergebnis des Referendums uns in unbekannte Gewässer geführt hat, und dass es als Investor klug wäre, vorerst keine starke Erholung des Pfund Sterling zu erwarten. Ein Manager, der sich nach dem maschinellen Lernen richtet, wäre natürlich bestätigt gewesen, wenn das Pfund Sterling von seinen unmittelbaren Tiefständen nach dem Referendum nach oben abweicht. Zum Zeitpunkt, als dieser Beitrag geschrieben wurde, blieb das Pfund gegenüber dem Euro aber deutlich unter seinen Niveaus vor dem 23. Juni des Jahres 2016.

Kurz gesagt, die Automatisierung wird den Menschen in absehbarer Zeit nicht ersetzen. Aber das heißt nicht, dass die Bedeutung von Entwicklungen im Bereich Big Data anzuzweifeln ist, die das maschinelle Lernen wesentlich verbessern können, um Ergebnisse für Kunden zu verbessern, auch wenn es nicht so schön klingt wie "Robotermanager". In der Tat können Firmen mit der richtigen Verwendung von Daten sowohl ein besseres Verständnis ihrer Kunden für die Produkte erreichen als auch helfen, diese in verschiedenen Handelsstilen zu schulen.

Mitarbeiter bei der Nutzung
der Technologien fördern


Es verwundert nicht, wenn man erfährt, dass kein Vermögensverwalter weniger Geld für Daten aufwendet als noch vor fünf Jahren - die meisten geben deutlich mehr aus. Dies spiegelt zum Teil den Stellenwert wider, den die Asset-Management-Branche diesen Daten beimisst. Zum Teil gibt es die Realisierung der Produkte durch die Anbieter wieder, sodass die Preise stark gestiegen sind.

Eine Herausforderung für Manager in der Branche besteht darin, die Fähigkeiten der Mitarbeiter in ihren Teams ständig zu verbessern, insbesondere in Bezug auf Technologien. Sie werden mehr und mehr nach vielseitig qualifizierten Personen suchen, zum Beispiel nach einem Händler, der gleichzeitig Programmierer ist.

Partnerschaft zwischen Mensch und
Rechnern schafft Rendite

Wenn man über Entwicklungen in diesem Bereich nachdenkt, werden die wichtigsten Gradmesser immer die Rendite einer erheblichen Investition sein und zweitens der Nutzen für die Kunden - das ist es, worum es überhaupt geht. Die Menschen sind, wie auch anderswo, begeistert vom Science-Fiction-Aspekt der Technologie im Finanzdienstleistungssektor. Sie fühlen sich im Stich gelassen, wenn sie erfahren, dass der Roboterfondsmanager auf dem Reißbrett bleibt. Die aufregenden und innovativen Entwicklungen im Bereich der ­Datenanalyse, die die Partnerschaft zwischen menschlichen Managern und Maschinen noch leistungsfähiger machen werden, sollten ihnen jedoch Mut machen.

Das Ziel ist es, die besten Renditen für die Kunden zu erwirtschaften. Und das bedeutet aktuell, dass die Technologie als Werkzeug genutzt wird, das letztlich von einem menschlichen Manager eingesetzt wird.

zur Person:

Charles Ellis,
Mediolanum Asset Management

Ellis ist Trader und Quantitative Strategist bei Mediolanum Asset Management, Dublin. Er hat sich darauf spezialisiert, durch die Anwendung von maschinellem Lernen und Datenanalyse Alpha zu erzielen. Zuvor war Ellis Head of Global Macro Research bei Eagle ­Alpha und arbeitete mit Asset-Managern und Hedgefonds zusammen, um maschinelles Lernen und alternative Daten in ihren Anlageprozess zu integrieren.



Bildquellen: Ociacia / Shutterstock.com, Mediolanum Asset Management