Euro am Sonntag-Meinung

Verpennt! Gefährliche Schlupflöcher im Gesetz

26.03.17 03:00 Uhr

Verpennt! Gefährliche Schlupflöcher im Gesetz | finanzen.net

Mit dem Vermögensanlage-Gesetz und der dazugehörigen Prospekthaftung wollte die Politik mehr Sicherheit für private Anleger bei Direkt-Investments schaffen. Doch es gibt gravierende Mängel.

von Wolf Brandes, Gastautor von €uro am Sonntag

Anfang 2017 hat die Bundes­regierung bei Direktinvestments ein Schlupfloch in der Regulierung des grauen Kapitalmarkts geschlossen. Sogenannte Direktinvestments -wie zum Beispiel der Kauf eines Containers - unterliegen seit Januar grundsätzlich dem Vermögensanlagegesetz. Und dieses verlangt für ­einen Großteil der Vermögensanlagen eine Pflicht zur Veröffentlichung eines Verkaufsprospekts. Bei einem Direkt­investment handelt es sich aber nur um einen Kauf auf Zeit: Nach einer vertraglich vereinbarten Laufzeit kauft der Anbieter solcher Investments die Güter (wie etwa den Container) vom Anleger zurück.



Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes 2015 hatten Emittenten von Direktinvest­ments in einigen Fällen den bis dahin üblichen Rückkauf nur noch versprochen, aber nicht vertraglich zugesichert. Und schon galt das Gesetz nicht mehr. Das Problem versteckte sich in Paragraf 1 Absatz 2 Nr. 7. In der ursprünglich Fassung stand: "Verzinsung und Rückzahlung gewähren". So liest sich also ein Schlupfloch.

Anbieter preisen viel an und
versprechen gar nichts mehr

Um das Gesetz zu umgehen, wurde der Rückkauf nur noch vage versprochen. Beispielsweise fanden sich in einem Angebot zum Kauf von Eisenbahnwaggons genaue Angaben zu Laufzeiten und Zinsen pro Jahr. Ja, selbst die Veräußerungserlöse wurden in die Prognoserechnungen mit einbezogen. Doch im Vertrag wurde nichts in Aussicht gestellt - rein gar nichts. Der Anbieter konnte sich den Hinweis auf einen Totalverlust, die Prospekterstellung und weitere Pflicht-Infos sparen.



Das Beispiel zeigt, wie schnell "Löcher" in ein Gesetz hineinkommen können - und wie schwierig es ist, sie wieder zu stopfen. Das Problem bei den ­Direktinvestments war zwar schon bei Inkrafttreten des Gesetzes aufgefallen. Doch es dauerte anderthalb Jahre, bis der Fehler behoben war.

Aber ist nun alles gut? Wohl kaum. Seit der neuerlichen Gesetzesänderung Anfang dieses Jahres heißt es: "Verzin­sung und Rückzahlung in Aussicht stellen". Klingt nicht viel anders, doch nun ist das Wegducken schwieriger. Aber nicht unmöglich. Noch immer werden Direktinvestments verkauft, die sich mit noch unbestimmteren Formulierungen vor der Aufsicht drücken. Genauso wie jenes Unternehmen, das seine Anlage als "innovative Anlageklasse für private und institutionelle Investoren" anpreist. Die "Investments in historische Fahrzeuge bieten neben einer attraktiven Renditeperspektive auch Schutz vor Inflation". Eine Anlage in Oldtimer, die nach Vermögensanlage klingt, aber keine - im Sinne des Gesetzes - ist.


Neben den Direktinvestments werden weitere Ausnahmen im Gesetz missbraucht. So hatte man im Vermögens­anlagegesetz noch ein paar "Gummi­paragrafen" eingebaut. Genossenschaften, die Geld für eigene Anteile einsammeln und zum Beispiel Verträge für vermögenswirksame Leistungen (VL) verkaufen, müssen sich nicht an das Vermögensanlagegesetz halten.

Diese Ausnahmeregelung ist für Verbraucher problematisch, weil die Anbieter trotz Totalverlustrisiko keinen Warnhinweis veröffentlichen müssen. Außerdem unterliegen Genossenschaften keiner staatlichen Kontrolle durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Die Begründung: "Pflichtprüfung durch qualitätskontrollierte Prüfungsverbände". Wie private Kleinst-Prüfverbände mit der Aufsichtsbehörde Bafin gleichziehen wollen, bleibt ein Rätsel.

20-Anteile-Ausnahme öffnet Möglichkeiten für Missbrauch

Es ist zu beobachten, ob aus dieser scheinbar kleinen Ausnahme eine große Lücke im Anlegerschutz wird. Darauf deutet eine Vielzahl von Verbraucherbeschwerden leider hin.

Sicher, der graue Kapitalmarkt wird strenger reguliert. Es überrascht jedoch nicht, dass sich bei der Lektüre der Paragrafen weitere Schlupflöcher finden. Kein Prospekt, keine Warnhinweise - das gilt auch, wenn von einer Vermögensanlage nicht mehr als 20 Anteile ­angeboten werden. Gedacht war diese Ausnahme für Produkte, die sich nicht an ein breites Publikum richten. Mittlerweile werden jedoch solche Anlagen auch im Internet offeriert - beispielsweise im Bereich Gesundheit oder Immobilien. Durch Gründung immer neuer Gesellschaften kann die "Ausnahme" missbraucht werden.

"Die rechtlich gebotene formale Betrachtung der Vermögensanlage eröffnet Konstellationen, bei denen der Anlegerschutz versagen muss", heißt es in einem Kommentar zum Vermögensanlagegesetz, der unter anderem von einem Experten der Aufsichtsbehörde ­Bafin herausgegeben wird. Wenn An­bieter beispielsweise separat Geld für den Grundstückskauf, dann für das Haus und anschließend für das Dach einsammeln und jeweils nur 20 Anteile verkaufen - dann greift der Verbraucherschutz nicht mehr.

Kurzvita

Wolf Brandes
Teamleiter bei der Verbraucherzentrale Hessen
Die erste berufliche ­Station nach dem Volkswirtschaftsstudium war für Brandes die Stiftung Warentest, danach hat er als ­Finanzjournalist bei BÖRSE ONLINE, ­"Capital" und "Financial Times Deutschland" für Anleger geschrieben.
Seit drei Jahren arbeitet Brandes als Finanzreferent und Teamleiter im Marktwächter-Projekt bei der Verbraucher­zentrale Hessen. Das Projekt beobachtet den grauen Kapitalmarkt, warnt Verbraucher und nimmt unseriöse Anbieter ins Visier.

Bildquellen: Jan Zappner/Raum11, NBC/Getty Images