Finanztransaktionssteuer: Neues Gift für die Privatanleger

Das Gespenst der Finanztransaktionssteuer geht wieder um. Als "Steuer für die Armen" und gegen Spekulanten im Hochgeschwindigkeitsbereich propagiert, würde sie vor allem Privatanleger und europäische Unternehmen treffen.
von Stefan Bielmeier, Gastautor für €uro am Sonntag
Als vor einem Jahr die Verhandlungsführer zur Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer (FTT) zum letzten Mal ohne Ergebnis auseinandergingen, war die Hoffnung groß, dass dieses ungeliebte Projekt ad acta gelegt würde. Schließlich war es mit Frankreichs Präsident Macron der Vertreter eines gewichtigen Mitgliedsstaats, der offensichtlich erkannte, dass man im Wettbewerb der Finanzplätze, der nach der Brexit-Entscheidung der Briten einsetzte, Wettbewerbsnachteile tunlichst vermeiden sollte.
Und so wurden aus dem Klub der zehn, die - wohlgemerkt: seit 2013 - im Rahmen einer sogenannten verstärkten Zusammenarbeit verhandelten, nur noch neun EU-Länder, die daran glaubten, dass diese Kapitalverkehrsteuer die Finanzmärkte stabiler machen würde.
Doch nun ist dieses totgeglaubte Gespenst von der Bundesregierung in Erfüllung des Koalitionsvertrags wieder zum Leben erweckt worden - zum Nachteil für die Anleger. Wie bei der Mehrwertsteuer ist bei der Steuer auf Finanztransaktionen oder -produkte davon auszugehen, dass sie an die Kunden weitergegeben wird. Und noch immer konnte keine Lösung präsentiert werden, wie die mit einer solchen Steuer eintretenden schädlichen Auswirkungen für die Wirtschaft und die Bürger vermieden werden können.
Eine Transaktionssteuer belastet Privatanleger massiv
Und die sind enorm. Zunächst für die Realwirtschaft. Die Steuer verteuert notwendige Sicherungsgeschäfte und schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Europa. Zins-, Währungs- und Rohstoffrisiken aus Liefergeschäften werden von den Unternehmen seit Jahrzehnten mit Derivaten abgesichert. Durch die Besteuerung derartiger - nicht spekulativer - Sicherungsgeschäfte würde die Steuerung von Geschäftsrisiken deutlich teurer. Würden die Unternehmen deshalb auf Absicherungsgeschäfte verzichten, müssten sie zudem die Risiken in den Bilanzen abbilden, womit sich ihre Refinanzierungskosten erhöhen würden. Dies schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Europa gegenüber Konkurrenten aus Ländern, deren Risikoabsicherung nicht steuerlich belastet wird. Die Unternehmensberatung Oliver Wyman schätzte in einer Studie aus dem Jahr 2013 deutschlandweit eine jährliche Gesamtbelastung von rund 2,4 bis 3,7 Milliarden Euro.
Für noch fataler halten wir aber die Auswirkungen auf die Vermögensbildung und die Altersvorsorge. Fataler nicht so sehr wegen der absoluten Belastung, sondern vor allem wegen der Signalwirkung, die von einer weiteren Steuerlast ausgeht. Wie jede Art von Umsatzsteuer wird die FTT den Letzten in der Kette belasten. Das zeigt auch ein Blick auf Italien, wo solch eine Steuer bereits eingeführt worden ist. Hier sieht jeder Privatanleger auf seiner Wertpapierabrechnung: Er muss die Zeche allein zahlen. Nahezu alle Formen der privaten Altersvorsorge und der Vermögensbildung wären von einer FTT betroffen: die Direktanlage in Aktien, Anleihen und die indirekte Vermögensbildung über Investmentfonds ebenso wie die Risiko- und kapitalbildende Lebensversicherung. Oliver Wyman kommt in oben genannter Studie auf eine jährliche Gesamtbelastung von 2,6 bis 3,6 Milliarden Euro.
Dabei nutzen die künftigen Rentnergenerationen ohnehin zu wenig die Chancen der Kapitalmärkte für ihre Altersvorsorge. Die Untersuchungen, dass gerade deutsche Sparer ihr Geld vor allem in kaum produktiven Bargeld- und Sichteinlagen verkümmern lassen, sind Legion. Von über 5,5 Billionen Euro an liquidem Geldvermögen in Deutschland sind nur elf Prozent in Aktien und weitere neun Prozent in Investmentfonds investiert (circa ein Drittel davon in Aktienfonds). Die vom Deutschen Aktieninstitut (DAI) erhobene Zahl der Aktionäre kommt mit neun bis zehn Millionen aus einer Gesamtbevölkerung von über 80 Millionen schon seit Jahren nicht vom Fleck. Gleichzeitig befinden sich aber nach Erhebungen von EY knapp 58 Prozent der Anteile der DAX-Firmen in ausländischer Hand.
Auch die betriebliche Altersversorgung wird belastet. Eigentlich will der Gesetzgeber, dass Unternehmen eine größere Rolle übernehmen, wenn es darum geht, die Lücken in der gesetzlichen Rentenversicherung zu schließen. Eine europäische FTT arbeitet jedoch gegen ein höheres Leistungsniveau in der betrieblichen Altersversorgung. Versicherungen, Pensionsfonds und Pensionskassen investieren einen wesentlichen Teil der ihnen überlassenen Mittel in Finanzanlagen. Keine hochspekulativen, sondern im Gegenteil fast ausschließlich langfristige und sichere Anlagestrategien - schließlich erstrecken sich auch die Verpflichtungen über Jahrzehnte. Gleichwohl wären sie von der als Spekulationsbremse gedachten Abgabe betroffen.
Insgesamt leidet unter einer FTT die Effizienz der Kapitalmärkte, und die Falschen werden belastet. Für den Handel von Aktien, Anleihen und Derivaten erwartet Oliver Wyman in einer überschlägigen Rechnung zusätzliche Transaktionskosten in Höhe von etwa zwei bis 4,7 Milliarden Euro. Damit steht die Finanztransaktionssteuer in klarem Widerspruch zu Initiativen sowohl auf EU- als auch auf nationaler Ebene, den Kapitalmarkt zur Sicherung der Altersvorsorge zu stärken.
Kapitalinvestitionen zur Deckung der Versorgungslücke
Dabei müsste angesichts der sich verschärfenden Ungleichheit, der demografischen Entwicklung und der sich daraus ergebenden Versorgungslücken genau das geschehen: Die Politik sollte die Kapitalbeteiligung stärker als bisher fördern. Die Teilhabe am Kapital, und damit an der Risikoprämie, kann einen abnehmenden Beitrag aus Erwerbsarbeit kompensieren. Wir wissen noch nicht, wie die Digitalisierung wirkt, wie viel menschliche Arbeit in Zukunft noch gebraucht wird und zu welchem Preis. Fest steht nur: Roboter und künstliche Intelligenz übernehmen immer mehr Routinetätigkeiten. Was liegt näher, als sich mittels Aktien an den Robotern zu beteiligen und diese für sich arbeiten zu lassen?
Die jüngst wiederbelebte Finanztransaktionssteuer sollte endlich beerdigt werden. Sie ist nichts weiter als eine Mehrwertsteuer, die auf eine Veränderung der Vermögenszusammensetzung erhoben wird: Geld wird in Wertpapiere getauscht, sonst passiert nichts. Wer investiert, spekuliert nicht. Er unterstützt Wachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Neue Steuern, mit denen der Privatanleger dafür bestraft wird, dass er das eigentlich Richtige tut, senden das falsche Signal.
Kurzvita
Stefan Bielmeier
Vorstandsvorsitzender DVFA
Der DVFA e. V. ist die Standesorganisation aller Investment Professionals in den deutschen Finanz- und Kapitalmärkten. Seine 1400 Mitglieder repräsentieren die Vielfalt des Investment- und Risikomanagements in Deutschland. Der Verein engagiert sich für die Professionalisierung
des Investment-Berufsstands, er erarbeitet Standards und
fördert den Finance-
Nachwuchs.
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Bildquellen: Wonge Bergmann/DZ Bank AG