Euro am Sonntag-Interview

Ex-Obdachloser Gardner: "Ich bin Chef des Glücks"

10.03.14 03:00 Uhr

Vom Obdachlosen zum Multimillionär: Der Amerikaner Chris Gardner hat es geschafft. Jetzt nimmt sich der 60-Jährige die Zeit, andere zu ermutigen, ihrer Leidenschaft zu folgen.

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von Nele Husmann, Euro am Sonntag

Auf dem Leben dieses Mannes basiert eine der großen Filmbiografien über die amerikanische Finanzszene: Chris Gardners Buch und der gleichnamige Streifen "The Pursuit of Happyness" ("Das Streben nach Glück", mit Will Smith) beschreiben, wie er es vom obdachlosen, alleinerziehenden Vater zum Multimillionär schaffte.

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Sein Niedergang beginnt mit einem fruchtlosen Job als Vertreter für medizinische Geräte. Dann verlässt die Ehefrau ihn und den gemeinsamen, 14 Monate alten Sohn. Als ein gut gekleideter Mann im Ferrari vorbeifährt, fragt Gardner ihn nach seinem Beruf. Er sei Händler an der Wall Street, sagt der Mann, nimmt Gardner unter seine Fittiche und bringt ihn in das Traineeprogramm beim Brokerhaus Dean Witter Reynolds. Doch am Tag vor seinem Start ins neue Leben landet er wegen unbezahlter Strafzettel im Gefängnis. Gardner verliert seine Wohnung. Im Traineeprogramm erhält er kein Gehalt, Gardner übernachtet in Obdachlosenunterkünften oder in den Toiletten der U-Bahn.

Doch am Ende macht sich sein Durchhaltevermögen bezahlt: Er wird fest eingestellt und gründet fünf Jahre später mit 10.000 Dollar Startkapital die Brokerfirma Gardner Rich in Chicago. Nach 25 Jahren als Broker verabschiedet er sich aus der Hochfinanz. Heute hält Chris Gardner überall auf der Welt Vorträge zum Thema Selbstverwirklichung.

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€uro am Sonntag: Haben Sie den Film "Wolf of Wall Street" gesehen?
Chris Gardner:
So einen Schrott über einen Kleinkriminellen schaue ich mir nicht an. Der Film, der mich mehr interessieren würde, wäre eine echte Horrorstory - darüber, wie ein Einzelner es schaffen konnte, jahrelang 50 Milliarden Dollar Bargeld zu verstecken, vorbei an Banken, Börse und Finanzaufsicht: Bernie Madoff. So etwas schafft kein Mann allein. Da muss es eine ganze Wagenladung 100-Dollar-Scheine gegeben haben, die die Leute zum Schweigen gebracht haben.

Filmbiografien über Geschäftsleute sind in Mode. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie Ihr Leben auf der Leinwand nachgespielt sehen?
Zunächst fand ich es nicht gut, dass ein Blockbusterstar wie Will Smith mich spielen sollte. Ich wollte eine ruhige Geschichte erzählen. Doch meine Tochter Jacintha überzeugte mich. Sie sagte, wer Muhammad Ali spielen kann, könne auch mich spielen. 17 Wochen lang war ich täglich am Set. Während alle Augen auf Smith ruhten, beobachtete er immer nur mich. Ich kann mich in jeder Szene wiedererkennen.

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Die Schlüsselszene im Film zeigt, wie Sie den Mann im Ferrari fragen, wie er sich den leisten konnte. Hat sich das wirklich so abgespielt?
Das ist im echten Leben genau so passiert. Es ging mir aber nicht unbedingt um den Ferrari, obwohl ich mir später auch einen gekauft habe. Für mich repräsentierte der Ferrari vielmehr die Wahlmöglichkeiten -wo man wohnt oder die Freiheit zu sagen: Diesen Dollar nehme ich nicht an. Das ist Macht.

Die meisten Menschen leben niemals ihren Traum.
Das ist ein Fehler. Wer seine Leidenschaft nicht findet, kompromittiert sich selbst. Das Leben ist wie eine Sanduhr: Eines Tages fällt das letzte Sandkorn, und dann ist es zu spät.

Ähnlich wie im Film "Wolf of Wall Street" mussten auch Sie sogenannte Cold Calls machen - unangemeldet anrufen und Leute zum Aktienkauf überreden.
Ich habe die 80er-Jahre an der Wall Street erlebt. Die Leute dort waren grenzwertig - unausstehlich, egoman und sogar feindlich, aber kriminell waren sie nicht. Unsere Aktienempfehlungen waren ehrlich.

Aber es muss doch schwierig sein, Leuten am Telefon etwas aufzuschwatzen? Ich war mit Leidenschaft dabei. Und ich hatte einen Plan. Ich wusste, dass ich mich mit jedem Anruf ein Stück weiter aus dem Loch ziehen würde, in dem ich mich befand - mittellos und obdachlos als alleinerziehender Vater. Ich liebe es, das richtige Produkt der richtigen Person zu verkaufen. Damit tut man einen Dienst und baut eine langfristige Beziehung auf. Mist verkauft man jemandem nur ein einziges Mal.

Aber selbst bei rechtschaffenen Banken sind Broker gehalten, bestimmte Produkte in die Kundendepots zu drücken - etwa die Aktien, die die Bank aus einem schlecht laufenden Börsengang noch an den Mann bringen muss.
Das steht heute stärker im Vordergrund. Vor 30 Jahren hätte man nicht wie Goldman Sachs wissentlich toxische Papiere an seine Kunden verkauft. Sie mögen eine hohe Strafe bezahlt haben, aber sie durften am nächsten Tag wieder ihre Türen öffnen, ohne zugegeben zu haben, dass sie etwas falsch gemacht hatten. Der Wolf von der Wall Street sitzt hinter Gittern, Goldman Sachs nicht. Gier ist das Aids der Hochfinanz. Um den Zyklus zu durchbrechen, müssten viel mehr "Bankster" ins Gefängnis gehen.

Mussten Sie tatsächlich mit einem Baby in U-Bahn-Toiletten übernachten?
Es gab einfach zu wenig Betten in den Heimen. 1982 befanden sich die USA in der größten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Situation heute nach der Weltfinanzkrise ist ganz ähnlich. Ein Drittel der Obdachlosen heute hat sogar einen Job. Die Leute haben Schulbildung, arbeiten hart und verdienen trotzdem nicht genug für ein Dach über dem Kopf. Ein weiteres Drittel sind Veteranen, die von der Politik im Stich gelassen werden. Es müsste wieder die allgemeine Wehrpflicht geben, damit die Kinder der Politiker genauso im Risiko stehen wie die Kinder der Unterschicht.

Was war das Schwierigste an Ihrem Weg?
Das Schwierigste war nicht etwa, die Kunden zu gewinnen. Mich quälte es, mein Baby vor der Arbeit jeden Tag in die Kita zu bringen. Zu jemandem, den ich nicht kannte. Ich hatte mir selbst schon als Fünfjähriger geschworen, dass meine Kinder ihren Vater kennen würden. Ich selbst wuchs nämlich vaterlos auf.

Musste es bei Ihnen ein Ferrari wie im Film sein?
Es war ein anderer. Und nach dem Ferrari hatte ich einen Aston Martin und danach einen Bentley. Mir gehörten diese Spielzeuge, aber ich hatte keine Zeit. Zeit ist der ultimative Luxus. Geld kann man gewinnen und wieder verlieren, doch Zeit kann man sich nicht kaufen. Vor einem Jahr, sechs Monaten und zwei Tagen starb die Liebe meines Lebens, Holly, an einem Gehirntumor. Vier Jahre lang hatte ich sie gepflegt. Vor ihrem Tod sagte sie zu mir: "Das Leben kann kurz sein. Was wirst du mit dem Rest deines Lebens anfangen?" Das war am 1. Juli. Und am 2. Juli verabschiedete ich mich von der Wall Street.

Kümmern Sie sich noch um den Aktienmarkt?
Ich weiß nicht einmal, wo der Dow Jones gerade steht. Jedes Vierteljahr evaluiere ich meine Investments, und damit hat sich’s.

Packt Sie nicht mal die Leidenschaft?
Das hat sich geändert. Ich habe gelernt, dass Geld nicht alles ist. Andere Dinge vermitteln mir jetzt mehr Freude. Ich arbeite an einem Buch und an einer Fernsehshow und werde in diesem Jahr auf der ganzen Welt 200 Vorträge halten. Im vergangenen Jahr brachten mich meine Vorträge in 32 Länder. Jetzt bin ich der Vorstandschef der Glückseligkeit.

Sie selbst haben den amerikanischen Traum verwirklicht. Machen Sie Ihren Mitmenschen nicht etwas ziemlich Unerreichbares vor?
Dass es entgegen aller Wahrscheinlichkeiten doch möglich ist, macht doch gerade den Reiz aus. Meine Mutter hat mir immer gesagt, dass ich alles erreichen kann, was ich will. Willst du etwas wirklich tun, dann nichts wie los. Der amerikanische Traum ist längst zum universellen Traum geworden.

zur Person:

Gardner und das Streben nach Glück
Christopher Paul Gardner wurde am 9. Februar 1954 in Milwaukee im US-Bundesstaat Wisconsin geboren und wuchs bei seiner Mutter und seinem Stiefvater auf. Als seine Mutter einige Zeit im Gefängnis verbringen musste, wurde er mit seinen Geschwistern in einem Pflegeheim untergebracht. Aus einfachsten Verhältnissen arbeitete er sich hoch und schaffte es als Börsenmakler bis zum Millionär. Sein Buch "Das Streben nach Glück" eroberte die Spitze der US-Bestsellerliste und wurde mit dem Schauspieler Will Smith in der Hauptrolle verfilmt. Heute unterstützt Gardner zahlreiche Wohltätigkeitsorganisationen, darunter die Glide Memorial United Methodist Church in San Francisco, in der er einst mit seinem Sohn Unterkunft fand. In Chicago berät und unterrichtet Gardner heute Obdachlose, außerdem finanziert er in San Francisco ein Wohn- und Beschäftigungsprojekt für armutsbedrohte und obdachlose Menschen.

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16.10.2024Goldman Sachs BuyJefferies & Company Inc.
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15.07.2024Goldman Sachs BuyJefferies & Company Inc.
15.07.2024Goldman Sachs Sector PerformRBC Capital Markets
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16.10.2024Goldman Sachs BuyJefferies & Company Inc.
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16.01.2024Goldman Sachs BuyUBS AG
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17.10.2023Goldman Sachs Sector PerformRBC Capital Markets
18.01.2022Goldman Sachs NeutralUBS AG
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24.02.2017Goldman Sachs SellJoh. Berenberg, Gossler & Co. KG (Berenberg Bank)
10.01.2017Goldman Sachs SellCitigroup Corp.
06.05.2016Goldman Sachs SellSociété Générale Group S.A. (SG)
01.03.2016Goldman Sachs SellSociété Générale Group S.A. (SG)

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