Euro am Sonntag erklärt

Versicherungen: Policen für jede Lebenslage

25.06.16 00:00 Uhr

Versicherungen: Policen für jede Lebenslage | finanzen.net

Jeder Deutsche gibt pro Jahr durchschnittlich 2.400 Euro für Policen aus. Welche Verträge wirklich wichtig sind - und welche nicht.

von Martin Reim, Euro am Sonntag

Das unbewohnte Haus zog das Mädchen magisch an. Die Zehnjährige schlich sich hi­nein, zündete ein Buch an und entfachte damit ein Feuer in einem Plastikkorb, der auf einer Matratze abgestellt war. Der Brand geriet außer Kontrolle und erfasste das ganze Gebäude. Sachschaden: 200.000 Euro. Die Haftpflichtversicherung der Eltern zahlte.



Der Fall zeigt: Wohl dem, der einen solchen Schutz hat. Die private Haftpflichtversicherung zählt zu den fünf Policen, deren Abschluss freiwillig ist, aber unbedingt empfehlenswert - zumindest in bestimmten Lebensphasen. Die generelle Regel dahinter: Man soll sich für Ereignisse absichern, die einen finanziell ruinieren würden und nicht gänzlich unwahrscheinlich sind.

So sollte, wer einen Auslandsurlaub antritt, eine Reisekrankenversicherung abschließen - sonst müsste er die möglicherweise sechsstellige Euro-Summe für einen Krankenrücktransport selbst tragen. Eine andere oft unterschätzte Gefahr ist die Berufsunfähigkeit. Statistisch gesehen erleidet - je nach Datenquelle - jeder Fünfte bis jeder Dritte im Laufe seines Erwerbslebens zeitweise oder dauerhaft dieses Schicksal. Insbesondere für junge Eltern naheliegend ist eine Risikolebenspolice, die im Todesfall bei Angehörigen das fehlende Einkommen ausgleicht. Ein Muss für Immobilienbesitzer ist eine Wohngebäude­versicherung, die Reparaturen oder gar einen Neubau bezahlt, wenn ein Haus beispielsweise durch Feuer oder Sturm beschädigt wurde.


Diese Policen (siehe Tabelle unten) werden nachfolgend besprochen. Die Informationen stammen zum Gutteil aus den Büchern "Gut versichert" (Stiftung Warentest; 19,90 Euro) und "Leitfaden Versicherungen" (Bund der Versicherten; 12,80 Euro).

Pflicht und Kür

Nicht in der Aufzählung enthalten ist Versicherungsschutz, der gesetzlich vorgeschrieben ist: Für Angestellte sind es beispielsweise Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung, für Autofahrer die Kfz-Haftpflicht. Hundehalter müssen in einer Reihe von Bundes­ländern eine spezielle Haftpflichtpolice abschließen, für Jäger gilt das sogar überall in Deutschland.

Welche Policen sind nicht zwingend, aber ratsam? Wer Kinder hat, sollte für sie über spezielle Unfall- oder Invali­ditätsversicherungen nachdenken. Die erstgenannten Kontrakte gelten nur für Behinderungen nach einem Unfall, letztere auch bei Krankheiten als Ursache. Auch Senioren können den Abschluss ­einer Unfallversicherung prüfen. Wer ­einen teuren Neuwagen besitzt, macht sicher keinen Fehler, wenn er eine Vollkaskoversicherung abschließt. Sie zahlt bei einem Totalschaden den Neupreis - oft sogar noch zwei Jahre nach dem Kauf.


Für Hausbesitzer ist in Zeiten des Klimawandels eine Elementarversicherung naheliegend, die bei Schäden durch Überschwemmung und Stark­regen greift. Schutz des Hausrats ist dagegen unnötig, wenn die Einrichtung - wie bei jungen Leuten üblich - von Ikea oder anderen Billiganbietern stammt.

Unter Fachleuten umstritten ist die Notwendigkeit von Policen für Rechtsschutz, Zahnzusatz und private Pflege. Weitgehende Einigkeit besteht hingegen darin, dass Verträge absolut verzichtbar sind, die nur geringe Schäden abdecken - etwa für Reisegepäck, Glasbruch oder Handy.

Was Versicherungen zur Kapitalanlage betrifft, raten Verbraucherschützer zumeist generell ab. Hauptargumente: zu teuer und zu unflexibel. Allenfalls ein staatlich geförderter Vertrag kann sinnvoll sein, beispielsweise zur betrieblichen Altersvorsorge.

Die wichtigste Police für jede Lebenslage (pdf)

Private Haftpflichtversicherung

Versichert sind Personen-, Sach- und Vermögensschäden, die unabsichtlich verursacht werden. Manche Policen sind gesetzlich vorgeschrieben.

Beispiele für den Schutz

Der Versicherer zahlt, wenn ein Radfahrer einen Fußgänger verletzt, wenn ein Nachbar auf dem nicht gestreuten, vereisten Weg vor dem Einfamilienhaus ausrutscht oder wenn der Sohn der Familie im Nachbarhaus mit Streichhölzern spielt und einen Brandschaden anrichtet. Der Versicherer zahlt selbst dann uneingeschränkt, wenn grobe Fahrlässigkeit im Spiel war. Auch manche Vermögensschäden werden getragen. Beispiel: Sie fahren einen Fahrradfahrer um, der deshalb wochenlang nicht arbeiten kann und seinen Verdienstausfall in Rechnung stellt. Der Vertrag wirkt zudem wie eine kleine Rechtsschutz­police, weil der Versicherer Ansprüche abwehrt, die aus seiner Sicht unberechtigt sind.

Lücken im Schutz

Schädigen sich Familienangehörige oder andere Versicherte, die über einen gemeinsamen Vertrag geschützt sind, gegenseitig, zahlt der gemeinsame Versicherer nicht. Auch Schäden rund um berufliche Tätigkeiten sind nicht abgedeckt, etwa für einen Architekten, der unkorrekt arbeitet und deshalb Bauschäden verursacht. Schäden an gemieteten oder geliehenen Gegenständen sind häufig vom Schutz ausgeschlossen, manche Versicherer übernehmen sie aber. Der Versicherer zahlt nur bis zur vereinbarten Deckungssumme, die deshalb möglichst hoch angesetzt sein sollte. Die Höhe der Beiträge bei niedriger und hoher Deckung ist meist nicht sehr unterschiedlich. Top­Anbieter offerieren Deckungssummen von 50 Millionen Euro.

Bedarf

Diesen Schutz benötigt jeder. Für spezielle Gruppen sind Zusatzdeckungen sinnvoll: Gewässerschadenhaftpflicht für Öltankbesitzer, Bauherrenhaftpflicht für alle, die ein Haus bauen, Haus- und Grundbesitzerhaftpflicht für Vermieter, Pferdehaftpflicht für Pferdebesitzer. Top-Anbieter Top-Anbieter sind Ergo, Gothaer, Lloyd’s (bei Grundschutz für Familien; laut Ratingagentur Franke und Bornberg).

Berufsunfähigkeitsversicherung

Der Versicherer zahlt eine vertraglich vereinbarte Rente, wenn Sie nicht mehr in der Lage sind, Ihren erlernten Beruf zu mindestens 50 Prozent auszuüben - unabhängig davon, was zu dieser Berufsunfähigkeit geführt hat. Die Anbieter ordnen jeden Beruf einer Risikogruppe zu: je größer das Risiko, desto höher die Prämie. Günstig ist es etwa oft für Ärzte oder Architekten, teuer für Künstler und viele körperlich anstrengende Berufe.

Beispiele für den Schutz

Eine Friseurin kann nicht mehr in ihrem erlernten Beruf arbeiten, weil sie plötzlich allergisch auf Haarfärbemittel reagiert. Ein Dachdecker hat einen Bandscheibenvorfall. Ein Manager verkraftet den Tod seiner Frau nicht und kann wegen der psychischen Belastung nicht weiterarbeiten.

Lücken im Schutz

Hat der Kunde bereits Vorerkrankungen, kann der Versicherer eine Berufsunfähigkeit als Folge dieser Erkrankungen vom Schutz ausschließen. Folgen vorsätzlicher Handlungen sind vom Schutz ausgeschlossen. Hat der Kunde falsche Angaben bei Vertragsabschluss gemacht, kann der Versicherer die Zahlung der Rente verweigern.

Bedarf

Jeder Berufstätige, Lehrling und Student sollte darüber nachdenken. Immerhin liegt das Risiko, zeitweise oder dauerhaft berufsunfähig zu werden, über das gesamte Leben je nach Quelle zwischen einem Fünftel und einem Drittel. Doch wer sich um einen Vertrag bemüht, tut sich oft schwer. Was die Kriterien für eine Annahme betrifft, kocht jeder Versicherer sein eigenes Süppchen. Hintergrund ist die Hoffnung, gerade jene Kunden zu bekommen, bei denen eine Berufsunfähigkeit besonders unwahrscheinlich ist. Wenn nur ein Detail vom idealen Kunden abweicht, lehnt der Versicherer möglicherweise ab, schließt bestimmte Risiken für Berufsunfähigkeit aus - oder setzt die Prämie hoch.
Günstigere und leichter zu ­erreichende Alternativen zum Berufsunfähigkeitsvertrag (allerdings mit eingeschränktem Schutz) sind Erwerbsunfähigkeitspolicen, Schwere-Krankheiten-Versicherung, Grundfähigkeitsversicherung, privater Unfallschutz und Funktions­invaliditätsschutz.

Topanbieter

Topanbieter sind AachenMünchener, Ergo, HDI-Gerling, Nürnberger, Stuttgarter, Swiss Life, Zurich (laut Ratingagentur Franke und Bornberg).

Wohngebäudeversicherung

Je nach Vertrag kommt der Versicherer für die finanziellen Folgen von Schäden durch Feuer, Leitungswasser, Sturm, Hagel und Blitzschlag auf. Sollen Garage, Gartenhaus oder andere Nebengebäude mitversichert sein, müssen sie in der Police erwähnt werden. Extrem wichtig ist der volle Schutz bei grob fahrlässigen Fehlern. Hier zahlt der Versicherer auch, wenn eine Pfanne versehentlich auf dem Herd vergessen wird und ein Brand ausbricht. Besonders gute Tarife leisten, wenn der Kunde gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen hat und deshalb ein Schaden verursacht wurde. Etwa wenn frostanfällige Leitungen zu spät oder nicht entleert wurden und es zu einem Rohrbruch kommt.

Beispiele für den Schutz

Bei Sturm kracht ein schwerer Ast auf das Hausdach. Durch einen Kurzschluss bricht Feuer im Haus aus. Ein geplatztes Heizungsrohr durchnässt Küchen- und Kellerwände.

Lücken im Schutz

Der Versicherer zahlt erst bei Schäden, die ab Windstärke acht entstanden sind. Er leistet auch dann oft nicht, wenn der Versicherungsnehmer seine Pflichten vernachlässigt hat - falls beispielsweise bei Frost ein Rohr in einem unbenutzten Nebengebäude platzt, weil die Wasseranlage nicht abgesperrt und entleert wurde. Kein Geld gibt es auch, wenn der neu errichtete Carport bei Sturm schwer beschädigt wird und vorher nicht ausdrücklich in den Versicherungsschutz ­mit eingeschlossen wurde. Für Schäden durch Überschwemmung, Starkregen oder Schneedruck ist eine zusätzliche ­Elementarversicherung notwendig. Sie ist eine Zusatz­police, die aber nicht ­einzeln abgeschlossen werden kann.

Bedarf

Bei allen Hauseigentümern. Sie benötigen den Schutz auch, wenn die Immobilie bereits abbezahlt ist und es keine Gläubiger mehr gibt, die eine solche Police verlangen. Sie sollten den Wert der Immobilie gemeinsam mit dem Versicherer bestimmen, um späteren Streit um eine möglicherweise zu niedrige Deckungssumme zu verhindern. Besitzer von Eigentumswohnungen schließen den Schutz gemeinsam mit den übrigen Eigentümern ab.

Topanbieter

Topanbieter sind die Bayerische, Domcura, Dema, Janitos, Inter, Medien, Ostangler Brandgilde, NV (laut Vergleichsportal Innosystems).

Reisekrankenversicherung

Der private Versicherer kommt für medizinisch notwendige Behandlungen während einer Auslandsreise und für einen medizinisch notwendigen Krankenrück­transport auf. Wichtig ist die ­Police nicht nur wegen der Kostenerstattung, sondern auch, weil sie die Heilmaßnahmen auf deutschem Niveau organisiert. Und zwar auch innerhalb Europas.

Dabei scheint das auf den ersten Blick nicht notwendig. Denn die Kassenkarte hat sich längst zur Europäischen Krankenversicherungskarte (Abkürzung: EHIC) entwickelt. Daher werden die Versicherten bei Vorlage der Karte in jedem EU-Land nach einem Unfall oder bei Krankheit kostenfrei medizinisch betreut.

Aber ihr Versicherungsschutz entspricht für Arzt-, Krankenhaus- und Zahnbehandlungen nur demjenigen des Urlaubslandes. Daher kann die Versorgung deutlich schlechter ausfallen als in Deutschland.

Mit vielen Staaten außerhalb der EU gibt es bilaterale Verträge. Doch die nutzen wenig, wenn der Erkrankte plötzlich im Ausland in einer schwierigen Notlage zur Kasse gebeten wird. Auch dann greift die Police. In Ländern ohne Sozialhilfeabkommen sind Kassenpatienten ohne jeglichen Kostenschutz. Zudem werden Rückholungskosten nirgendwo ersetzt.

Beispiele für den Schutz

Der Versicherer zahlt für die Zahnarztbehandlung bei akuten Beschwerden auf der Auslandsreise. Er trägt die Kosten für ­Infusion und Magentabletten für einen erkrankten Ägypten­urlauber. Er zahlt für den Rücktransport eines verunglückten Skiurlaubers von Italien nach Deutschland.

Lücken im Schutz

Ist eine Behandlung Anlass für die Reise, kommt die Versicherung nicht dafür auf. Auch Kuraufenthalte im Ausland übernimmt sie nicht. Je nach ­Tarif reicht ein einfacher Jahresvertrag nicht mehr aus, wenn der Versicherte länger als rund sechs bis acht Wochen verreist.

Bedarf

Den Schutz benötigen alle, die gesetzlich krankenversichert sind und ins Ausland reisen. Auch für Privatversicherte ist er relevant, falls der Versicherer die Kosten für einen Rücktransport nicht übernimmt.

Topanbieter

Axa, Debeka, Vigo, Allianz, Ergo Direkt (für Singles); ­Allianz, Ergo Direkt, Barmenia, Signal Iduna, Europ Asistance (für Familien; jeweils laut Vergleichs­portal Innosystems).

Risikolebensversicherung

Der Versicherer zahlt eine vereinbarte Summe aus, sollte die versicherte ­Person sterben. Im Vertrag ist festgelegt, wer diese Summe ­bekommt. Die Prämie richtet sich nach der Höhe der Versicherungssumme, der Laufzeit des Vertrags sowie dem Alter und Gesundheitszustand der versicherten Person. Nichtraucher zahlen weniger als Raucher. Üben Sie gefährliche Freizeit­aktivitäten wie Fallschirmspringen, Motorradfahren oder Tiefseetauchen aus, verlangen viele Versicherer einen Risikozuschlag.

Beispiele für den Schutz Der Versicherte stirbt bei einem Autounfall oder nach langer schwerer Krankheit.

Lücken im Schutz

Nimmt sich der Versicherte das Leben, zahlt der Versicherer nur, wenn der Vertragsabschluss mindestens drei Jahre zurückliegt. Der Versicherer zahlt nicht in voller Höhe, wenn sich nach dem Tod herausstellt, dass der Versicherte, der sich als Nichtraucher ausgegeben hatte, infolge einer durch Rauchen verursachten Erkrankung gestorben ist.

Bedarf

Bei allen, die Angehörige für den Fall des eigenen Todes finanziell absichern müssen. Denn der Tod eines Partners, gar des Hauptverdieners, kann die Hinterbliebenen in große finanzielle Bedrängnis bringen.
Vor allem bei jungen Familien sind Einkommen und Vermögen oft gering. Gleichzeitig bestehen oft hohe, langfristige Belastungen, sei es für die Abzahlung größerer Anschaffungen oder für die Versorgung von Kindern. Aber auch bei nicht verheirateten Paaren kann es für den überlebenden Partner finanziell eng werden. Denn von der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es keinen einzigen Cent.

Für Paare und Geschäftspartner sind sogenannte verbundene Lebensversicherungen am geeignetsten (auch Versicherungen auf zwei Leben genannt). Die Versicherungssumme wird beim Tod jenes Partners ausbezahlt, der zuerst stirbt. Solche Policen sind sinnvoll, wenn danach keine weitere Absicherung für die Überlebenden benötigt wird, beispielsweise weil keine Kinder zu versorgen sind. Die Kosten sind niedriger als für zwei Einzelpolicen.

Topanbieter

Cosmos Direkt, Europa, ­Credit Life, Hannoversche, Ergo Direkt, DLVAG, HUK 24, Cardif, WGV, R + V, Interrisk (laut Stiftung Warentest).

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