FDP: Wackelnde Wettbewerber
Die einstige Steuersenkungspartei hat stark an Wählergunst verloren und geht mit einem schwammigen Programm in die Wahl.
von Andreas Höß, Euro am Sonntag
Da hilft auch alles Wettern nichts: Für die FDP wird 2013 wohl ein ernüchterndes Wahljahr. Einst peilte sie selbstbewusst die Marke von 18 Prozent an, heute kämpft sie mit der Fünf-Prozent-Hürde. Jürgen Trittin bezeichnet die FDP nur noch als „Koalitionszwerg“, seine Grünen haben die Liberalen um Spitzenkandidat Rainer Brüderle bei den Umfragen zur Bundestagswahl am 22. September weit hinter sich gelassen. Selbst die Linke liegt im Vergleich derzeit vorn.
Ob es die endlosen innerparteilichen Personalquerelen oder die Streitigkeiten mit der Union waren? Vielleicht. Fakt ist: Von den im Wahlkampf 2009 versprochenen Steuersenkungen konnten die Liberalen so gut wie nichts umsetzen — abgesehen von Wahlgeschenken an Hoteliers, die der FDP den Beinamen „Mövenpick-Partei“ einbrachten und die übrigens auch die CSU gefordert und später mit durchgepeitscht hatte. Entsprechend vorsichtig ist man heute. „Unser Versprechen ist, dass jeder die Chance bekommen soll, seine Träume selbst zu verwirklichen“, heißt es jetzt im Programm der FDP.
Chancen also. 124-mal taucht das Wort im rund 100 Seiten dicken „Bürgerprogramm“ der Liberalen auf. Das Credo: Wir sorgen für Freiheit (104-mal) und Wettbewerb (69-mal), den Rest macht der Markt. Ansonsten geben sich die Liberalen als eierlegende Wollmilchsau: Die Wirtschaft soll brummen, die Schulden müssen sinken, die Steuern dürfen nicht steigen. Investitionen in Straßen, Schienen, Bildung und Forschung sind Ehrensache. Wie das alles gehen soll, bleibt schwammig und im Ungefähren.
Aus dem Arbeitgeberlager hört man dennoch Wohlwollendes. Glaubt man dem arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW), würden die Pläne von Grünen und SPD, die mit Steuererhöhungen in den Wahlkampf ziehen, die Steuerzahler fast 60 Milliarden Euro im Jahr kosten. Die Wirtschaft würde dadurch um 0,7 Prozent weniger wachsen, hat das Institut errechnet, 300.000 Arbeitsplätze würden vernichtet. Regiert die FDP mit, bliebe wenigstens alles beim Alten, so das IW sinngemäß.
Steuern und Abgaben
Die Liberalen „stehen dafür ein, die Belastungen der Menschen und Unternehmen durch Steuern und Abgaben nicht zu erhöhen“, heißt es im Wahlprogramm. Vermögensteuern und Vermögensabgaben, wie sie SPD, Grüne und Linke fordern, lehnt die FDP ebenso ab wie eine Pkw-Maut oder eine höhere Erbschaftsteuer. Steuervorteile wie Ehegattensplitting und Pendlerpauschale sollen bleiben. Der Kinderfreibetrag soll erhöht, die ungünstige Steuerklasse V abgeschafft werden. Um die kalte Progression zu verhindern, will die FDP die Einkommensteuer alle zwei Jahre an die Inflation anpassen.
Wie schon in dieser Legislaturperiode streben die Liberalen zudem eine Steuerreform und ein einfacheres Steuerrecht an, ohne dabei aber ins Detail zu gehen. Den Solidarzuschlag will die FDP spätestens bis Ende des Solidarpakts im Jahr 2019 abbauen. Außerdem möchte die FDP im Grundgesetz festschreiben lassen, dass sich der Fiskus nicht mehr als die Hälfte eines Einkommens („Halbteilungsgrundsatz“) einverleiben darf, und nennt das in Anlehnung an die Schuldenbremse „Steuerbremse“.
Haushalt und Europa
Die „schwarze Null“ ist das haushaltspolitische Ziel der Liberalen. Steht sie, soll Deutschland „so schnell wie möglich“ Staatsschulden tilgen. „Dazu wollen wir sicherstellen, dass reale Steuermehreinnahmen, die aus Wachstum entstehen, ausschließlich für Schuldenabbau und Investitionen verwendet werden“, heißt es im Programm. Die FDP will die Geldwertstabilität ins Grundgesetz aufnehmen und lehnt eine Haftungsunion über Eurobonds sowie die „Staatsfinanzierung“ durch die Europäische Zentralbank (EZB) „entschieden ab“. Um diese zu verhindern, soll die Bundesbank in der EZB größeren Einfluss und ein Vetorecht bekommen. Das könnte sie beispielsweise ausspielen, sobald die EZB Staatsanleihen aus Krisenländern kauft. Eine „sinnvolle Regulierung des Bankensektors“ hält die FDP für „unerlässlich“.
Finanzen, Wirtschaft und Soziales
Anleger wollen die Liberalen nicht über eine Finanztransaktionsteuer belasten, an der Abgeltungsteuer (25 Prozent) auf Kapitalerträge halten sie fest. Aktionäre sollen mehr Einfluss auf Managergehälter haben, Finanzprodukte durchschaubarer und in „verbindliche Risikoklassen“ eingeteilt werden. Die FDP will Wirtschaft und Forschung fördern, den Mittelstand stärken, die Staatsquote senken und Privatisierungen vorantreiben. Die Lohnzusatzkosten will sie „deutlich unter 40 Prozent stabilisieren“. Den flächendeckenden Mindestlohn lehnen die Liberalen ab, sie sprechen sich aber für tarifliche Lohnuntergrenzen aus. Wer ab 60 in Rente gehen oder nach 67 noch arbeiten möchte, soll das tun dürfen. Die Rentenhöhe soll sich dann nach den eingezahlten Beiträgen richten. Die Liberalen wollen ein Bürgergeld, in dem Hartz IV und zusätzliche Leistungen wie Wohngeld und Kindergeld zusammengefasst sind, um die Bürokratie abzubauen. Bei Hartz-IV-Empfängern soll „flächendeckend und von Amts wegen“ geprüft werden, ob eine „sittenwidrige Entlohnung“ vorliegt. Ist das der Fall, sollen die Jobcenter strafrechtliche Schritte einleiten.
Fazit
Reicht’s für die Regierung?
Die Chancen für eine Neuauflage von Schwarz-Gelb sind besser als noch
vor wenigen Monaten. An der FDP liegt das allerdings nicht, sie muss außerdem erst mal die Fünf-Prozent-Hürde überwinden.
Umfragewerte: CDU/CSU 40 % +++ SPD 25 % +++ Grüne 12 % +++ Linke 8 % +++ FDP 5 % +++ AFD 3 % +++
*Quelle: Sonntagsfrage der TNS Emnid vom 25. AugustSerie Parteiprogramme: ■ Die Linke und AfD 24.8.2013 ■ FDP und Grüne 31.8.2013 ■ SPD 7.9.2013 ■ CDU 14.9.2013