Anlagestrategie

Risikofreie Anlage gibt es nicht mehr

25.06.14 17:00 Uhr

Die EZB hat nun die Zinsen quasi abgeschafft. Die Herausforderungen für Anleger sind damit beträchtlich. Das Niedrigzinsumfeld macht die Kapitalanlage zu ­einer Herausforderung.

von Oliver Postler, Gastautor von Euro am Sonntag

Ein realer Werterhalt von Vermögen lässt sich mit Anleihen aktuell kaum erzielen. Reinen Euro-Anleihe-Investoren bleiben daher nur zwei Ansätze, um die Kaufkraft ihrer Investition mit Anleihen möglichst gut zu erhalten: Entweder wählt man möglichst lange Laufzeiten und/oder man nimmt eine schlechtere Schuldnerqualität in Kauf.

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Beide Varianten bergen jedoch wiederum spezielle Risiken. Steigen Inflation und Zinsen in der Anlageperiode deutlich an, so wirkt sich dies auf eine langfristige Anleihe in Form von Kursverlusten im Anlagezeitraum aus, was den Kaufkraftverlust noch gravierender macht. Möchte man im aktuell niedrigen Zins­umfeld lange Laufzeiten vermeiden, so bieten oft nur Rentenpapiere mit geringerer Bonität akzeptable Renditen. Der Ausfall eines oder mehrerer Schuldner im Portfolio kann für Investoren aber schnell zu hohen Verlusten führen. Mit Anleihen allein ist das Problem also kaum zu lösen.

Neun Grundsätze, die man
immer beachten sollte

Die Beimischung von Sachanlagen wie soliden Aktien ist aus unserer Sicht notwendig, um überhaupt die Chance zu haben, Vermögen in den kommenden Jahren real zu erhalten und möglichst auch zu steigern. Das bedeutet aber auch, die damit verbundenen Risiken aushalten zu können. Risikofrei gibt es nicht mehr, seien es Zinsänderungsrisiken im Anleihebereich oder Schwankungsrisiken bei Aktien. Das größte Risiko erscheint aber derzeit zu sein, keine Risiken zu nehmen.

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Wie könnte nun aus Sicht eines Anlegers ein Lösungsansatz aussehen? Wir haben für uns neun wichtige Grundsätze definiert, die man bei der Vermögensanlage in Wertpapieren berücksichtigen sollte. Gerade in Zeiten, in denen man sich durch die Tagesnachrichten manchmal geradezu erschlagen fühlt, ist es wichtig, sich auf die wesentlichen Punkte zu konzentrieren:

l Lernen Sie sich kennen.
l Nichts ist umsonst und ohne Risiko.
l Handeln Sie antizyklisch.
l Prognosen sind schwierig, besonders für die Zukunft.
l Risiken streuen, aber den Überblick be­halten.
l Die Anlageklasse bestimmt die Wertentwicklung.
l Haben Sie Geduld und wahren Sie Disziplin.
l Beachten Sie die Bonität.
l Machen Sie nur das, was Sie verstehen.

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Das klingt einfach und selbstverständlich. Bei all den Turbulenzen, die an den Börsen ­immer wieder vorkommen, können diese Grundsätze dennoch einen Anker bieten. Vertiefend hier noch ein kleiner Einblick in die tägliche Arbeit eines Vermögensverwalters als Beispiel für die konkrete Umsetzung.

1. Denken in verschiedenen Szenarien. Dabei geht es zum Start um die Fragen: Was könnte passieren, was sollte passieren und was wird wahrscheinlich passieren? Das Basisszenario bildet die Grundlage für die aktive Positionierung in Aktien, Anleihen, Rohstoffen und Cash. Das Krisenszenario hat jedoch auch seinen Wert. Es dient dazu, sich Risiken zu vergegenwärtigen und in Handlungsalternativen in diesem Fall zu denken.

2. Ausgewogene Portfoliostrukturen schaffen: Trotz der aktuellen Marktturbulenzen bleiben über verschiedene Anlageklassen gestreute Wertpapierdepots ein wichtiger Baustein in der Gesamtvermögensstruktur. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die aktuellen Renditen auf Kontoguthaben und festverzinsliche Wertpapiere (Anleihen) nach Steuern in der Regel nicht mal mehr einen Inflationsausgleich bieten.
So stellt ein globaler Mix aus verschiedenen Assetklassen wie Aktien, Anleihen und alternativen Anlageklassen wie zum Beispiel Rohstoffen und Cash immer noch die beste Möglichkeit dar, Risiken ausgewogen zu nehmen. Dabei sollten im Aktienbereich verschiedene Regionen, ein Branchenmix mit Blick auf die Lage und Veränderung im Konjunkturzyklus sowie eine solide Einzeltitelselektion ebenso zum Einsatz kommen wie im Anleihebereich eine Mischung aus verschiedenen Ländern, Währungen, Schuldnern (Staatsanleihen, Pfandbriefe, Unternehmensanleihen guter Qualität sowie Hochzinsanleihen).

3. Laufende Überwachung und gegebenenfalls Anpassung: Die Beobachtung der Wertentwicklung der einzelnen Anlagen und eine permanente Analyse fundamentaler Entwick­lungen, zum Beispiel Lage und Veränderung der Wachstumszahlen, Frühindikatoren (wie etwa Ifo-Geschäftsklima), Zinsentwicklung, Inflation, Währungsveränderungen etc., gehören zur täglichen Aufgabe, ebenso wie die Betrachtung von Sentiment-Indikatoren zur Stimmungslage der Investoren (antizyklisches Verhalten) und charttechnischer Marken (Trendkanäle, 200-Tage-Linie, Momentum etc.). Geopolitische Themen wie etwa die Krim-Krise sollten dabei ebenso mit in die Überlegungen einbezogen werden.
Tägliche Überwachung des
Portfolios ist notwendig. Da sich die Situation jederzeit ändern kann, sollte die Analyse in sehr regelmäßigen kurzen Abständen erfolgen. Dazu gehört auch die Bereitschaft, eine einmal getroffene Entscheidung gegebenenfalls schnell zu revidieren, um größere Kapitaleinbußen zu vermeiden.

4. Aktives Risikomanagement: Nicht zuletzt gehört solches zu den elementaren Aufgaben. Dabei bietet sich eine mehrstufige Herangehensweise an. Eine ausgewogene Streuung ist der erste Schritt. Damit werden Klumpenrisiken vermieden, zum Beispiel nur wenige Einzeltitel und diese noch aus der gleichen Branche. Dazu kommt der Einsatz von Stop-Loss-Limits und die Definition von Risikobudgets auf Ebene des Gesamtportfolios und auch hier die tägliche Überwachung und vor allem Disziplin in der Umsetzung.
Dabei ist aus Erfahrung operativ eine klare Trennung von Anlageentscheidung und Risikomanagement sinnvoll. Sonst läuft man Gefahr, eine einmal getroffene Anlageentscheidung so lange vor sich selbst zu verteidigen, bis die Verluste erheblich sind.

Auch konservative Anleger sollten
auf Aktien setzen

Fazit: In der Summe stellt das aktuelle Umfeld eine große Herausforderung für alle Investoren dar. Die im Verhältnis zur Inflation niedrigen Zinsen könnten uns durchaus noch eine ganze Weile begleiten. Daher sollten auch sehr konservativ ausgerichtete Investoren mit mittel- oder längerfristigem Anlagehorizont, abhängig von ihrer individuellen Risikobereitschaft, in ihrem Portfolio Sachwerte, sprich Aktien, berücksichtigen. Dies bedeutet aber auch, dass abhängig von der Höhe der Beimischung von Aktien gegebenenfalls eine höhere Schwankungsbreite und entsprechend andere Risiken bis hin zum ­Totalverlust auf einzelne Investments akzeptiert werden müssen.

Häufig haben Privatanleger keine Zeit oder auch einfach keine Lust, sich tagtäglich damit auseinanderzusetzen. Zudem ist es schwierig, sich selbst zu überwachen. Eine einzelne Anlagestrategie, die allen Anlegern gerecht wird, gibt es nicht. Gefordert ist eine individuelle Strategie, die den Zielen, Wünschen und Interessen des Anlegers gerecht wird.

In diesem Fall kann eine professionelle Vermögensverwaltung eine sinnvolle Alternative im Rahmen eines Gesamtvermögenskonzepts für einen Teil des liquiden Vermögens darstellen. Entscheidend sind wohl neben den sachlichen Kriterien wie Erfahrung und Leistungsnachweis des Vermögensverwalters auch individuelle Kriterien wie eine vertrauensvolle Beziehung zwischen Klient und Vermögensverwalter und der laufende Kontakt, der nicht nur diesen einzelnen Aspekt, sondern alle Teile des Vermögens des Kunden sowie seine speziellen Wünsche, Ziele und Interessen umfassen sollte.

Vermögensverwaltung an sich ist eher geprägt von viel Disziplin, das Besondere aber ist das Individuelle. Jeder Kunde für sich.

zur Person:

Oliver Postler, Chief Investment Officer der
UniCredit Bank und HypoVereinsbank Private Banking
Postler ist seit 2007 als Chief Investment Officer verantwortlich für die Anlagestrategie, Investmentkommunikation und Vermögensverwaltung der UniCredit Bank AG. Der zertifizierte Financial ­Planner (ebs) und Stiftungsberater der Uni Jena verantwortet ferner die Anlagestrategie für den Pensionsfonds der Bank. HypoVereinsbank Private Banking ist auf die Beratung vermögender Kunden spezialisiert und zählt mit rund 46 000 Kunden und einem Volumen von etwa 35 Milliarden Euro zu den Top-3-Anbietern im Private Banking. Mit 46 Standorten von Sylt bis Garmisch-Partenkirchen verfügt die Bank über eines der dichtesten Betreuungsnetze für ­Private-Banking-Kunden in Deutschland.