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Der Immobilienmarkt in Deutschland - keine Blase aber regionale Ungleichheiten

01.09.15 12:28 Uhr

Der Immobilienmarkt in Deutschland - keine Blase aber regionale Ungleichheiten | finanzen.net

In der am 31. Juli 2015 veröffentlichten Untersuchung "Low Lending Rates And Stronger Economic Growth Are Reviving Europe’s Housing Market" vergleicht Standard & Poor’s Ratings Services die Entwicklung der europäischen Immobilienmärkte.

Diese zeigt in den meisten Ländern zumindest eine Stabilisierung der Preise; nur in Frankreich und Belgien fallen die Preise. Deutschland sticht mit hohen Zuwachsraten hervor, vor allem in den grö-ßeren Städten.

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Hohe Nachfrage nach Immobilien in den Städten

In den vergangenen sechs Jahren stiegen deutschlandweit die Immobilienpreise um durchschnittlich 20%; in den sieben größten Städten Deutschlands gar um 46%. Innerhalb der nächsten drei Jahre erwartet S&P für Deutschland einen weiteren Anstieg der Immobilienpreise, und zwar um 5% in diesem Jahr, um 4,5% in 2016 und um 3,5% in 2017. Dies liegt vor allem an der starken Nachfrage von privater, öffentlicher und Investorenseite aufgrund der guten wirtschaftlichen Lage, aber auch der günstigen Finanzierungssituation angesichts niedriger Zinsen. Gerade für Pensionsfonds und Versicherungen sind Immobilien als Anlage-form höchst attraktiv.

Sinkende Baugenehmigungen verknappen das Angebot

Dieser hohen Nachfrage steht ein geringes Angebot gegenüber, da sich der Wohnungsbau weiter verlang-samt hat. Die Baugenehmigungen für Wohngebäude nahmen im März im Vergleich zum Vorjahr nur um 2,5 Prozent zu, nach zweistelligen Wachstumsraten zwischen 2011 und Mitte 2014. Auch wenn der Woh-nungsbau im letzten Jahr um 14% auf 254.00 Einheiten in die Höhe geschnellt ist, so reicht dies noch nicht an den jährlichen Bedarf von 250.000 neuen Wohnungen heran. Entsprechend nehmen regionale Unter-schiede stark zu: Während die großen Städte immer mehr Menschen anziehen - einerseits aus dem Aus-land, andererseits aber auch die jüngeren Generationen aus den ländlichen Gegenden - und die Nachfrage nach Immobilien steigt, gibt es in Gebieten mit negativer Bevölkerungsentwicklung insbesondere im Osten Deutschlands ein Überangebot an freistehenden Immobilien.

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Keine Immobilienblase Obwohl dieses Ungleichgewicht zwischen Nachfrage und Angebot gerade in den großen Städten weiter zu erheblichen Preissteigerungen führen wird, schätzt S&P die Gefahr der Bildung einer Immobilienblase als gering ein. Der jüngste Preisanstieg erfolgte von einem vergleichsweise niedrigen Niveau aus. Trotz der geringen Zinsen ist das Kreditvolumen für Immobilienerwerb in den letzten Jahren nur um 2-3% gestiegen - andere europäische Städte, in denen sich Spekulationsblasen bildeten, zeigten Wachstumszuwächse des Kreditvolumens von mehr als 10%. Dies liegt vor allem daran, dass der Immobilienmarkt in Deutschland strukturell konservativ und stark reguliert ist. Bei Kreditvergabe werden üblicherweise 30% Eigenkapital verlangt, und die Zinsfestschreibung für Hypotheken beträgt meist 10 Jahre, was Spekulationen auf Preis-steigerungen eher unattraktiv macht. Zudem hat die Bundesbank bereits erklärt, die Bewegungen auf dem Immobilienmarkt genau zu beobachten - weitere regulierende Eingriffe sind also nicht auszuschließen.

Von Sophie Tahiri, Ökonomin für EMEA bei Standard & Poor’s Ratings Services in Paris

Hier kommentieren jede Woche Analysten von Standard & Poor’s Credit Ratings Services (S&P) die Entwicklungen in der Wirtschaft und an den Finanzmärkten - und welche Herausforderungen sich daraus für Wachstum und Stabilität ergeben. S&P ist seit 30 Jahren mit inzwischen neun Standor-ten in Europa vertreten, im Frankfurter Büro arbeiten 120 Mitarbeiter aus 19 Ländern. Mehr Infos unter www.spratings.de

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