Roland Klaus-Kolumne Roland Klaus

Widerrufsjoker: Wie realistisch ist die Rückabwicklung eines Kredits nach dem Widerruf?

01.03.16 09:09 Uhr

Widerrufsjoker: Wie realistisch ist die Rückabwicklung eines Kredits nach dem Widerruf? | finanzen.net

Mit dem Widerruf eines Darlehens verbinden zahlreiche Kreditnehmer die Hoffnung auf deutlich niedrigere Zinszahlungen für ihre Baufinanzierung.

Das ist für viele eine Ersparnis in Höhe von etlichen Hundert Euro pro Monat. Möglich wäre aber sogar noch mehr, nämlich die vollständige Rückabwicklung des Kredits. Das ist nämlich die rechtliche Konsequenz eines Widerrufs: Man tut so, als sei der Kredit nie zustande gekommen. Alle Leistungen werden zurückgezahlt. Die Bank erhält also die Kreditsumme zurück. Der Verbraucher bekommt die gezahlten Zinsen sowie die erbrachten Tilgungsleistungen zurück. Dazu kommen diverse Verzinsungskomponenten. Die Bank bekommt die Kreditsumme zwar verzinst, allerdings muss sie ihrerseits die zwischenzeitlich geleisteten Zahlungen des Kreditnehmers auch verzinsen, in der Regel mit 5 Prozent über Basiszins.

In der Summe ergibt sich aus dieser Berechnung ein wirtschaftlicher Vorteil für den Kreditnehmer, der noch einmal deutlich höher ist, als der bloße Ausstieg aus dem Darlehen. Die genaue Berechnung ist abhängig von den individuellen Daten hinsichtlich Vertragszins, Laufzeit und zwischenzeitlicher Entwicklung bei den Marktzinsen. Nicht selten führt die Kalkulation jedoch zu dem Ergebnis, dass der Kunde nicht die komplette Restschuldsumme des Kredits an die Bank zurückzahlen muss, sondern nur rund 85-90 Prozent davon. Konkret: Valutiert das Darlehen zum Zeitpunkt des Widerrufs noch mit 100.000 Euro (Restschuldsumme), muss der Kunde nur 85.000 bis 90.000 Euro an die Bank zurückzahlen.

Wie hoch der wirtschaftliche Vorteil einer Rückabwicklung in Ihrem konkreten Fall wäre, können Sie näherungsweise mit dem Rechner der IG Widerruf (www.widerruf.info/rueckabwicklung) berechnen. Die Rückabwicklung ist also die für den Kreditkunden die mit Abstand lukrativste Konsequenz eines Widerrufs. Aber wie realistisch ist das in der Realität? Nun, die Praxis bei der IG Widerruf (www.widerruf.info) zeigt, dass die Hoffnungen auf eine vollständige Rückabwicklung in vielen Fällen nicht erfüllt werden. Im außergerichtlichen Bereich geht in Sachen Rückabwicklung so gut wie nichts. Zwar sind viele Banken durchaus gesprächsbereit, wenn es um die Anpassung des zukünftigen Zinssatzes für laufende Kredite geht. Eine Kompensation der Vergangenheit, um die es bei der Rückabwicklung geht, ist aber so gut wie ausgeschlossen.

Bleibt der Klageweg. Diverse Fälle zeigen, dass dort zumindest Teile der Rückabwicklung erzielt werden können. So berichtet die Stiftung Warentest von einem Vergleich vor dem LG Hannover, in dem die BHW die Restschuld eines widerrufenen Kredits um 45.000 Euro reduziert hat. Knapp 30.000 Euro davon entfallen auf die Streichung eines Teils der zukünftigen Zinsen, stellen also den Verzicht auf die Vorfälligkeitsentschädigung dar. Um weitere 15 000 Euro reduzierte die Bausparkasse die Rest¬schuld wegen des Rechts auf Rück¬abwick¬lung. Es geht also etwas vor Gericht, auch wenn die 15.000 Euro weit entfernt vom Resultat einer vollständigen Rückabwicklung liegen dürften. Auch die Praxis der IG Widerruf lässt ähnliche Rückschlüsse zu: Die komplette Rückabwicklung ist die Ausnahme - aber der Ausstieg aus dem Darlehen zuzüglich einer Kompensation für die Vergangenheit ist durchaus drin.

Allerdings ist der Weg vor Gericht für den Verbraucher mit einem großen Kostenrisiko verbunden. Denn bei einer Klage wird vom Gericht in der Regel die gesamte Restschuld des Kredits als Streitwert genommen und nicht nur das, was der Kreditnehmer sparen kann. Das treibt die Kosten deutlich nach oben. Und auch wenn es einige nicht gerne hören: Es ist nicht gesagt, dass vor Gericht immer der Verbraucher gewinnt. Gerade in der ersten Instanz kann es auch andersherum ausgehen. Dann kommen noch die Kosten der Gegenseite dazu. Empfehlenswert ist dieser Weg für die meisten also nur dann, wenn eine Rechtsschutzversicherung die Kosten übernimmt.

Fazit: Wie in vielen Bereichen des Lebens, ist es auch hier ratsam, nicht zu gierig zu sein. Die Partneranwälte der IG Widerruf empfehlen ihren Mandanten in der Regel, ein vernünftiges Vergleichsangebot der Bank anzunehmen. Damit hat man zwar in der Regel bereits viel Geld gespart, vergibt aber jeglichen Anspruch auf eine Kompensation der bereits abgelaufenen Kreditzeit. Allerdings ist der Weg zu einer vollständigen Rückabwicklung so steinig und riskant, dass er nur denjenigen empfohlen werden kann, die eine Rechtsschutzversicherung im Rücken haben. Wichtig ist, dass ihr Anwalt einschätzen kann, bei welchen Banken und bei welchen Widerrufsbelehrungen bereits außergerichtlich ein attraktives Angebot zu erwarten ist. Das können Anwälte in der Regel nur dann, wenn Sie selbst bereits eine große Zahl von Widerrufen betreut haben oder Zugriff auf ein Netzwerk haben, in dem diese Erfahrungen vorhanden sind. Eine kostenlose Prüfung des Kredits bei der IG Widerruf (www.widerruf.info) ist ein sinnvoller erster Schritt zum Widerruf des Darlehens.

Roland Klaus arbeitet als freier Journalist in Frankfurt am Main und ist Gründer der Interessengemeinschaft Widerruf (www.widerruf.info). Sie dient als Anlaufstelle für alle, die sich zum Thema Widerruf von teuren Kreditverträgen informieren und austauschen wollen und bietet eine kostenlose Prüfung von Widerrufsklauseln in Immobiliendarlehen an. Bekannt wurde Klaus als Frankfurter Börsenreporter für n-tv, N24 und den amerikanischen Finanzsender CNBC sowie als Autor des Buch „Wirtschaftliche Selbstverteidigung“. Sie erreichen Ihn unter kontakt@widerruf.info

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