"Die globale Rezession dürfte mild ausfallen"
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Selten waren sich Analysten so einig: Das Jahr 2023 wird eine Rezession bringen. Der Chefvolkswirt des Münchner Vermögensverwalters Eyb & Wallwitz, Dr. Johannes Mayr, blickt trotzdem zuversichtlich auf das Jahr und sagt eine kontrollierte Rezession vorher. Im Interview erläuterte er die Gründe und wo mögliche Risiken liegen.
Herr Dr. Mayr, was ist Ihre Prognose, wie sich die Konjunktur entwickeln wird?
Dr. Mayr: Weltweit sehen wir eine Vielzahl an Faktoren, die auf die konjunkturelle Stimmung drücken, wie etwa die starke Straffung der Geldpolitik durch die amerikanische Notenbank und der Kaufkraftentzug durch die hohen Energiepreise in Europa. In China werden sich die Krise am Immobilienmarkt und die Folgen der Covid-Politik bemerkbar machen. Aber: Auch wenn Eyb & Wallwitz für Europa deutlich skeptischer ist als für die USA, so erwarten wir global betrachtet einen leichten Verlauf. Denn wenn die Risiken bekannt sind, können sich die Wirtschaftssysteme darauf einstellen. Deswegen dürfte die Rezession mild ausfallen, wobei es einige Risiken gibt.
Warum sind Sie für die US-Konjunktur optimistischer als für die europäische?
Mayr: Der Rückgang der Konjunktur dürfte in den USA kontrollierter ablaufen als im Rest der Welt. Dort ist die Inflation zu etwa zwei Drittel durch die Nachfrage getrieben. Die Federal Reserve (FED) kann durch die Straffung der Geldpolitik direkt Einfluss nehmen. Die Wirkung zeigt sich bereits: Die Konjunktur kühlt sich ab, der Inflationshöhepunkt ist überschritten. Wir erwarten einen schrittweisen Rückgang auf vier Prozent. In Europa hingegen wird die Inflation im Frühjahr noch sehr hoch bleiben. Da die Teuerung hier von der Angebotsseite gesteuert ist, wird die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen weiter anheben müssen. Die Auswirkungen auf die Konjunktur in Europa werden dennoch stärker ausfallen. Daran wird auch die expansiver ausgerichtete Fiskalpolitik nichts ändern.
Wie wird sich die Ausgabenlust der Haushalte entwickeln?
Mayr: Der Konsumboom wird zu Ende gehen, denn die verfügbaren Einkommen werden durch die verschlechterte Lage am Arbeitsmarkt gebremst und die Lohndynamik kann den Kaufkraftverlust nicht ausgleichen. Außerdem sind die erforderlichen Finanzmittel bereits um 30 Prozent gesunken und die höheren Zinsen werden das Interesse an Krediten zurückgehen lassen. Die Haushalte werden daher dauerhafte Konsumgüter weniger nachfragen. Dienstleistungen und Basisgüter werden davon weniger betroffen sein.
Und wie werden sich die Investitionsausgaben verändern?
Mayr: An Bedeutung gewinnen werden Ausrüstungsinvestitionen, denn die Auslastung ist hoch. Gleichzeitig ist der Kapitalstock in vielen Unternehmen veraltet. Die gestiegenen Lohnkosten und die Aussicht auf eine anhaltende Knappheit von Arbeitskräften erhöhen die Opportunitätskosten und damit die Anreize für Unternehmen. Der Zinsanstieg wird die Betriebe daran nicht hindern, da der Ersparnisüberhang hoch ist. Und schließlich stellt die öffentliche Hand Kofinanzierungen und Investitionsanreize bereit. Von einem neuen Investitionszyklus werden Geschäftsmodelle aus den Megatrends Dekarbonisierung und Digitalisierung sowie Infrastruktur besonders profitieren.
Sie erwähnten vorher, dass es Risiken gebe. Welche wären das konkret?
Mayr: Das größte Risiko liegt im Wiederaufflammen der Inflation, welche zuerst den Kurs der Notenbanken und die Finanzmärkte und dann die Konjunktur hart treffen würde. Ein kritischer Punkt dürfte in der zweiten Jahreshälfte liegen, wenn sich die Inflationsraten in den Vereinigten Staaten auf niedrigem Niveau stabilisieren, aber deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel der FED liegen. Sie könnte dann gezwungen sein, die Anker der Inflation anzugehen. Auf globaler Ebene stellt die simultane quantitative Straffung der großen Notenbanken ebenfalls ein Risiko dar.
Ein weiteres Prognoserisiko ist die Entwicklung in China: Wir unterstellen, dass die Regierung die Covid-Restriktionen weiter lockern wird. Auch erwarten wir zusätzliche moderate Lockerungen von Geld- und Fiskalpolitik, welche die Kreditvergabe und damit die chinesische Konjunktur wieder etwas anschieben sollten. Ein Scheitern bringt die Gefahr, die globale Weltwirtschaft in eine neue Rezession zu stürzen. Gleiches gilt für eine starke Abwärtsbewegung am Immobilienmarkt. Angesichts der Dominanz des Immobilienmarktes für Wirtschaft und Gesellschaft und der ungewöhnlich langen Niedrigzinsphase sind krisenhafte Zuspitzungen im Zuge der laufenden Trendwende aber nicht ausgeschlossen. Das gilt für China, die USA und Europa in ähnlicher Weise.
Bildquellen: IPConcept