Mister 400 Prozent: Was Star-Investor Kaldemorgen jetzt kauft
Der erfahrene Star-Fondsmanager Klaus Kaldemorgen über Inflation, Gold, Chancen bei Aktien und den Grund, weshalb er sein 40-jähriges Dienstjubiläum schon vor zwei Jahren gefeiert hat.
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von Andreas Hohenadl, Euro am Sonntag
Er zählt unbestritten zu den bekanntesten Gesichtern der deutschen Fondslandschaft: Vier Jahrzehnte ist Klaus Kaldemorgen jetzt schon im Geldanlagegeschäft tätig, und es macht ihm nach eigener Aussage noch immer Spaß. Auf die Erfahrung des 68-Jährigen vertrauen viele Anleger, die ihr Geld in den von ihm gelenkten Multi-Asset-Fonds DWS Concept Kaldemorgen gesteckt haben. Mit rund 14 Milliarden Euro zählt das Portfolio zu den größten Fonds hierzulande. Kaldemorgens Stimme hat Gewicht, speziell in schwierigen Börsenzeiten ist seine Meinung gefragt. Bei einem Besuch in München erläuterte der Grandseigneur der Geldanlage €uro am Sonntag seine Sicht der Dinge.
€uro am Sonntag: Herr Kaldemorgen, Sie haben 1982, also vor 40 Jahren, bei der DWS angefangen. Gab’s oder gibt’s ein großes Fest in diesem Jahr?
Klaus Kaldemorgen: Tatsächlich hatte ich bereits vor zwei Jahren mein 40-jähriges Dienstjubiläum. Ich war vorher nämlich zwei Jahre bei der Bundeswehr, und das wird bei der DWS mitgezählt.
Welche Marktphasen sind Ihnen in diesen vier Jahrzehnten am stärksten in Erinnerung geblieben?
Zunächst einmal der Schwarze Montag 1987, als ein Börsencrash aus heiterem Himmel kam. Bis dahin war Börse relativ einfach: Man hat eine Aktie gekauft, und die stieg dann. 1982, als ich anfing, kletterte der Dow-Jones-Index das erste Mal über 1.000 Punkte. Da hieß es dann bei der DWS: Wir müssen uns mal mehr um Aktien kümmern. Bis dahin war man eher ein Anleihen- als ein Aktienhaus.
In welchem Bereich haben Sie angefangen?
Ich war zuerst auf der Rentenseite beschäftigt, was sicherlich kein Fehler war. Als dann mehr Fonds aufgelegt wurden, bin ich auf die Aktienseite gewechselt.
Welche Börsenphasen haben sich Ihnen außerdem eingeprägt?
Das Platzen der Technologieblase um die Jahrtausendwende, denn das war der erste Crash, der länger gedauert hat. Es war der Anfang vom Ende des Neuen Marktes, und alles, was bis dahin passiert war, musste neu bewertet werden. Schließlich noch die Finanzkrise 2008. Das waren zweimal Rücksetzer von knapp 50 Prozent, das war schon bemerkenswert.
Was war Ihre beste und was Ihre schlechteste Entscheidung als Anlagemanager?
Wissen Sie, in vier Jahrzehnten hat man viele schlechte und sicherlich auch einige gute Entscheidungen getroffen. Eine davon war, dass ich 2008 keine Finanzaktien hatte. Das hat schon sehr geholfen. Zu den schlechten Entscheidungen gehört sicherlich, Technologiewerte zu lange als zu teuer eingestuft zu haben. In den Jahren 1999 und 2000 war das noch gut. Aber später habe ich vielleicht mein Augenmerk zu sehr auf die hohen Bewertungen gelegt und zu wenig auf die weitreichenden Folgen der neuen Geschäftsmodelle.
Heute managen Sie mit dem DWS Concept Kaldemorgen einen Fonds, dessen Anlagekonzept voll auf Sie zugeschnitten ist. Wie kam es dazu?
Die Entscheidung reifte im Team. Hintergrund war, dass wir in den Jahren 2000 und 2008 sehr heftige Krisen an den Aktienmärkten hatten. Es dauerte lange, bis die Verluste jeweils wieder aufgeholt waren. Der Appetit auf Aktienfonds kam in dieser Zeit zum Erliegen. Stattdessen hörten wir von den Kunden: Für euch ist die Orientierung an einer Benchmark immer so wichtig. Aber uns geht es darum, Geld zu verdienen und nicht irgendwann mal wieder 40 oder 50 Prozent zu verlieren. Überlegt doch mal, stärker in Richtung Risikoorientierung zu gehen. So entstand letztlich der DWS Concept Kaldemorgen.
In dem Portfolio verwalten Sie mittlerweile rund 14 Milliarden Euro. Schränkt das hohe Volumen Ihre Handlungsfreiheit in irgendeiner Weise ein?
Nein. Natürlich werden kleine und mittlere Werte in dem Fonds nie eine bedeutende Rolle spielen. Und auch wenn wir in das Segment der Unternehmensanleihen hineinwollen, müssen wir uns disziplinieren. Denn Corporate Bonds können zu bestimmten Zeiten einen sehr engen Markt haben. Wir können die Papiere nur kaufen, wenn sie ganz am Boden liegen. Und wir erwerben sie selten, um sie irgendwann wieder zu verkaufen, sondern halten sie bis zur Fälligkeit.
Wie haben Sie das Portfolio aktuell aufgestellt?
Vorsichtig, defensiv. Und das nicht erst seit vorgestern. Wie man an der Wertentwicklung des Fonds sehen kann, haben wir uns frühzeitig auf die wichtigen Themen eingestellt: vor allem die steigende Inflationsrate und anziehende Zinsen. Steigende Zinsen sind ja nicht nur schlecht für lang laufende Anleihen, sondern im Aktienbereich auch für Tech- und Wachstumswerte. Auch da haben wir uns Ende 2021 bereits darauf eingestellt, unseren Bestand deutlich herunterzufahren.
Sie haben mal erzählt, dass Sie die Aktien in Ihrem Fonds vier Töpfen zuordnen: digitale Ökonomie, Zykliker, defensive Werte und Infrastruktur. Gilt dieses Ordnungsprinzip nach wie vor?
Ja, das gilt nach wie vor, und es hat sich gerade in diesem Jahr bewährt. In jedem dieser Töpfe sind Aktien, die einander sehr ähnlich sind. Die Töpfe untereinander sind jedoch ziemlich unkorreliert, und damit kann man eine gute Risikosteuerung erzielen.
Inwiefern?
Der Bereich Infrastruktur, zumindest Teile davon, profitiert, wenn wir inflationäre Tendenzen haben. Wachstumswerte leiden unter steigenden Zinsen, zyklische Werte unter einer Abflachung des Wirtschaftswachstums. Und defensive Werte, wozu wir den gesamten Pharmabereich zählen, profitieren, wenn es an den Märkten ruckelig wird. Dann sind Pharmatitel, aber auch Nahrungsmittelaktien meist weit vorne.
Wir haben aktuell einen starken US-Dollar und einen schwachen Euro. Spielt dieses Thema in Ihrem Portfolio eine Rolle?
Ja, wir sehen den Dollar immer als ein Mittel, um das Portfolio zu diversifizieren. Genauso wie Gold. Wir managen grundsätzlich die Währungen separat, also unabhängig von beispielsweise Kassen-, Anlei- he- oder Aktienbeständen in einer Fremdwährung. Aber das muss im Einklang sein mit unserem Risikomanagement. Gegenwärtig haben wir etwa 25 Prozent in US-Dollar.
Vor einem Jahr sagten Sie: "Die Preise werden schneller steigen, als wir es gewohnt waren." Sie behielten recht. Was sind aktuell Ihre Erwartungen in puncto Inflation?
Ich denke, wir sind jetzt langsam oben angelangt. Und dadurch, dass wir global in eine Rezession gehen - wie stark die sein wird, sei mal dahingestellt -, wird auch die Nachfrage nach Energie und anderen Rohstoffen etwas nachlassen. Das könnte die Inflation schon etwas nach unten drücken. Auf der anderen Seite stehen wir in puncto Lohnsteigerungen noch ziemlich am Anfang. Das wird dafür sorgen, dass wir doch für längere Zeit Inflationszahlen von fünf Prozent oder etwas mehr sehen werden.
Kann die Europäische Zentralbank die Ursachen der Teuerung mit Zinssteigerungen überhaupt wirkungsvoll bekämpfen? Wir haben ja nicht die Situation, dass die Wirtschaft heißläuft.
Denken Sie doch mal an Corona. Das Virus konnte man ja auch nicht mit Geld aus der Welt schaffen. Aber man konnte den Nachfragerückgang, der sich aus dem Einkommensverlust ergeben hat, durch Fiskalpolitik abfedern. Würde man jetzt nicht auf die Bremse treten und weiter Geld ins System pumpen, dann würde es noch schlimmer werden. Fakt ist: Man muss die Nachfrage an das Angebot anpassen, indem man die Zinsen nach oben zieht.
Dann geht auch die Inflationsrate wieder zurück?
Ja. Sie müssen nur mal auf den Immobilienmarkt blicken: Die Banken werden unglaublich restriktiv, sodass die Finanzierung einer Immobilie teilweise unmöglich ist. Hier kann man schon sehen, dass die stark steigenden Preise zum Stillstand kommen.
Würden Sie so weit gehen und sagen, dass eine Krise auf dem Immobilienmarkt droht?
Zunächst einmal wird der Preisanstieg gestoppt, weil weniger Transaktionen stattfinden. Ob die Preise zurückkommen, würde ich aber bezweifeln. Natürlich kann es sein, dass durch eine Rezession Menschen ihre Arbeit verlieren und dann Probleme mit ihrem Immobilienkredit bekommen. Aber diese Gefahr sehe ich eigentlich nicht. Denn das Interessante, das wir bei der beginnenden Wirtschaftskrise sehen, ist Folgendes: Es ist eine Wirtschaftskrise, die bei nahezu Vollbeschäftigung stattfindet. Überall haben wir doch das Gefühl, es herrscht eine wahnsinnige Knappheit an Arbeitskräften. Deshalb glaube ich nicht, dass es einen Immobiliencrash geben wird. Aber die exzessiven Preissteigerungen, die muss man erst mal zum Stehen bringen.
Auch das ist nicht leicht.
Ja. Über mehrere Jahrzehnte hatte die Geldpolitik so eine Art Free Lunch. Sie konnte Geld drucken, ohne dass sie dafür sanktioniert wurde durch höhere Inflationsraten. Denn zum einen hatten wir die Produktivitätsgewinne durch die neuen Technologien, zum anderen die Globalisierung. Indem man billige Produktion aus Asien importierte, konnte man es sich hier leisten, eine höhere Nachfrage zu schaffen, ohne dass das mit höherer Inflation einherging. Jetzt sehen wir die Probleme dieser Entwicklung.
Viele kaufen angesichts der hohen Inflation Gold. Eine gute Idee?
Durchaus, denn mit dem Edelmetall kann man ein Portfolio weiter diversifizieren. Typischerweise - und das verstehen viele nicht - ist Gold aber nur über einen längeren Zeitraum ein wirksamer Inflationsschutz. Im kurzen Zeitraum funktioniert das nicht ganz, weil mit steigenden Inflationsraten normalerweise auch die Zinsen steigen. Das ist nicht gut für Gold. Das Edelmetall ist aber immer noch gut bei geopolitischen Krisen. Und wir haben eine ordentliche geopolitische Krise. Da ist zum einen Russland, aber zunehmend auch China. Um diese Krisen etwas abzufedern, ist ein gewisser Prozentsatz an Gold im Portfolio vernünftig.
Für viele zählen mittlerweile auch Kryptowährungen zum Anlageuniversum. Wie stehen Sie dazu?
Ich glaube, Kryptowährungen per se sind kein gutes Investment. Mir fehlt da der intrinsische Wert, den Sie bei Gold ja haben. Aber man muss aufpassen, bevor man zu pauschal argumentiert. Vielleicht braucht es keinen Bitcoin, aber die dahinterstehende Technologie wird uns sicher noch weiter beschäftigen.
Wie, denken Sie, wird es an der Börse bis Jahresende weitergehen?
Ich denke, dass wir vielleicht im Oktober wieder ganz gute Kaufgelegenheiten haben könnten. Denn dann blicken Anleger schon stärker ins nächste Jahr hinein. Und möglicherweise wird die US-Notenbank zu dieser Zeit darüber nachdenken, ob es allmählich gut ist mit den Zinssteigerungen. Aber auf welchem Niveau sich die Börsen im Oktober befinden, ist eine ganz andere Sache. Denn wir werden sicherlich noch mal bei den Unternehmensgewinnen Korrekturen nach unten sehen. Das erste Quartal war ja super, das zweite Quartal wohl nicht mehr so gut. Aber der Lackmustest ist das dritte Quartal, und das sehen wir im Oktober. Wenn es dann noch mal richtig nach unten geht, wäre das eine gute Einstiegsgelegenheit.
Ihr Rat an Privatanleger?
Vorsichtig, aber nicht ängstlich sein. Das heißt: Man sollte jetzt nicht seine Aktien verkaufen aus Angst, dass alles noch viel schlimmer wird. Aber natürlich stellt sich immer die Frage: Wann kommt der Zeitpunkt, um neues Geld zu investieren? Es ist ratsam, vorsichtig zu sein und die kommenden Monate genau zu beobachten. Ich bin mir sicher, wir kommen dieses Jahr noch in eine Phase, in der der Optimismus zurückkehrt.
Mit welchen Aktienrenditen dürfen Anleger künftig rechnen?
Über die vergangenen zehn Jahre hatten wir eine durchschnittliche jährliche Rendite in Euro von mehr als zwölf Prozent. Das ist ungewöhnlich hoch. Die 50-Jahres-Rendite dürfte eher so bei sieben bis acht Prozent liegen. Und ich glaube, wir werden wieder auf diesen sehr langfristigen Durchschnitt fallen. Globalisierung, der technische Fortschritt mit neuen Geschäftsmodellen, aber auch die Notenbanken haben die Aktienrenditen in der Vergangenheit stark nach oben katapultiert. Das ist jetzt Vergangenheit. Wenn wir künftig höhere einstellige Jahresrenditen sehen, wäre das schön.
Vita:
Erfahrener Geldprofi
Der 1953 in Essen geborene Klaus Kaldemorgen ist einer der prominentesten Geldverwalter Deutschlands. Seit 1982 arbeitet er für die DWS und widmete sich dort schon bald dem Thema Aktien. 1994 übernimmt er den DWS Vermögensbildungsfonds I und lenkt ihn fast zwei Jahrzehnte lang, erwirtschaftet annähernd 400 Prozent Rendite. Von 2003 bis 2010 gehört Kaldemorgen zur Geschäftsführung der DWS, davon gut vier Jahre als Sprecher. 2011 beginnt er ein neues Kapitel und startet den risikogesteuerten Multi-Asset-Fonds DWS Concept Kaldemorgen.
INVESTOR-INFO
DWS Concept Kaldemorgen
Nervenschonendes Portfolio
Mit diesem Fonds wollen Klaus Kaldemorgen und sein Team Anlegern einen risikoreduzierten Zugang zum Kapitalmarkt erschließen. Mögliche Verluste in einem Kalenderjahr sollen möglichst im einstelligen Bereich gehalten werden. Der global aufgestellte Mischfonds investiert in unterschiedliche Anlageklassen, von Aktien über Anleihen bis zu Gold, die er je nach Marktlage flexibel gewichtet. Zusätzlich nutzt Kaldemorgen Währungsstrategien oder setzt Derivate zur Kursabsicherung ein.
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Bildquellen: DWS