Potenzielle Folgen

Was droht, wenn die USA in eine Rezession abrutschen?

11.04.25 23:40 Uhr

Weltwirtschaft in Gefahr: Was droht, wenn Amerikas Wirtschaft in die Rezession fällt | finanzen.net

Die Warnzeichen mehren sich: Immer mehr Analysten haben in den letzten Tagen ihre Prognosen für die Wahrscheinlichkeit nach oben geschraubt, dass es in diesem Jahr zu einer Rezession in den USA kommen wird. Womit muss man rechnen, falls dies tatsächlich eintritt?

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• US-Rezession wegen Trumps Zollpolitik immer wahrscheinlicher
• Folgen wären nicht auf die USA beschränkt
• Finanzchaos an der Börse vorprogrammiert

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Nach dem "Liberation Day" in den USA und den von US-Präsident Donald Trump in diesem Zuge verhängten neuen Zöllen sehen zahlreiche Experten eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine US-Rezession. Laut den Experten von JPMorgan liegt sie sogar bei 60 Prozent. Diese Einschätzung bekräftigte die US-Bank laut "The Economic Times" auch am Mittwoch noch einmal, nachdem Donald Trump vielen Ländern eine 90-tägige Zollpause eingeräumt hatte. Demnach wäre ein wirtschaftlicher Abschwung in den USA mittlerweile wahrscheinlicher als dessen Vermeidung. Doch was wäre bei einer Rezession in den USA tatsächlich zu erwarten?

Wegen dieser Ausgangslage steht eine US-Rezession im Raum

Laut "Investing.com" eile der Aktienmarkt der Wirtschaft um mehrere Monate voraus, so dass es vor jeder großen US-Rezession zunächst einen signifikanten Kursrückgang an der Börse gegeben habe. Aktuell sind die Aktienmärkte weltweit vor allem von hoher Volatilität geprägt, haben sich unter dem Strich aber deutlich von ihren jüngsten Rekorden entfernt: Der breite US-Index S&P 500 steht aktuell beispielsweise bei 5.268,05 Punkten und damit inzwischen wieder rund 14,3 Prozent unter seinem Allzeithoch von 6.147,43 Punkten, das er erst am 19. Februar erreicht hatte (Stand: Schlusskurs vom 10. April 2025).

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Auch immer mehr Konjunkturindikatoren deuten darauf hin, dass die US-Wirtschaft in eine Phase der Abschwächung eintritt. So sanken etwa der ISM-Einkaufsmanagerindex für die Industrie und der ISM-Index für den Dienstleistungssektor in den USA im März stärker als erwartet. Während sich letzterer mit 50,8 Punkten noch knapp über der Expansionsschwelle hielt, ist der ISM-Index für die US-Industrie bereits unter die Wachstumsschwelle gefallen und signalisiert somit eine Schrumpfung der wirtschaftlichen Aktivität. Auch das Verbrauchervertrauen zeigte zuletzt Schwäche und fiel auf den tiefsten Stand sei vier Jahren.

Zum größten Belastungsfaktor für die US-Wirtschaft könnte jedoch die Politik von US-Präsident Trump werden. So sind kürzlich eine Reihe neuer US-Strafzölle auf Importe aus China, der EU und weiteren Handelspartnern in Kraft getreten - nur um kurz darauf für die meisten Länder wieder vorläufig ausgesetzt zu werden. Lediglich für Waren aus China schraubte der US-Präsident die Einfuhrzölle einmal mehr nach oben. Offiziell will Trump durch die Zölle die heimische Industrie schützen und mehr Produktion in die USA zurückholen, in der Praxis wirken sie jedoch wie eine zusätzliche Steuer auf Unternehmen und Verbraucher: Denn höhere Importpreise treiben die Kosten für US-Firmen in die Höhe, werden voraussichtlich als Preiserhöhung an die US-Verbraucher weitergegeben und belasten so die Kaufkraft der Haushalte. Damit führen sie zu tieferen Unternehmensgewinnen und einer wahrscheinlich wieder anziehenden Inflation.

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Gleichzeitig droht ein Handelskrieg mit Vergeltungsmaßnahmen aus dem Ausland. So hat China als erstes Land Gegenzölle auf US-Waren verhängt, während die EU diese vorerst wieder ausgesetzt hat, da man angesichts der pausierten US-Zölle auf eine Lösung am Verhandlungstisch hofft. Sollte diese nicht zustande kommen und die EU sowie andere Länder ihre Gegenzölle wieder inkraftsetzen, hätte das negative Folgen für die amerikanische Exportwirtschaft. Eine technische Rezession in den USA, definiert durch zwei aufeinanderfolgende Quartale mit negativem Wachstum, würde dann immer wahrscheinlicher.

Mögliche Folgen einer US-Rezession - national wie global

Sollte es zu einer Rezession in der größten Volkswirtschaft der Welt kommen, hätte dies wohl weitreichende Folgen - auch für die globale Konjunktur. Denn was in den USA passiert, bleibt selten ohne Auswirkungen auf den Rest der Welt. Zwar sei laut den Experten von JPMorgan auch ein Szenario denkbar, in dem sich der Rest der Welt durch eine US-Rezession irgendwie hindurchschlage, das sei aber wenig wahrscheinlich.

In den USA dürfte sich ein wirtschaftlicher Abschwung wohl zunächst in sinkenden Unternehmensgewinnen niederschlagen. Denn vor allem die Zölle, die trotz der aktuellen Entwicklungen noch längst nicht völlig aus der Welt geschafft sind, dürften zu einer erheblichen Belastung für US-Konzerne werden, die weiterhin auf importierte Waren oder internationale Zulieferer angewiesen sind. Dem JPMorgan-Chef Jamie Dimon bereiten dabei laut "The Economic Times" vor allem die hohen Zölle gegen China, die weiterhin gelten, große Sorgen, denn viele US-Firmen arbeiten mit chinesischen Zulieferern zusammen. US-Unternehmen haben angesichts der Strafabgaben auf Importe entweder die Möglichkeit, die höheren Kosten selbst zu tragen oder sie an die Verbraucher weiterzugeben. Beides dürfte sich negativ auf ihren Gewinn auswirken - im ersten Fall direkt und im zweiten Fall durch sinkende Verkäufe. Denn die ohnehin schon unter hohen Preisen leidenden US-Verbraucher - Trump war eigentlich mit dem Wahlversprechen angetreten, die Preise zu senken - dürften sich mit ihrem Konsum besonders im nicht-essenziellen Bereich bei weiteren Preiserhöhungen zurückhalten.

Auch am Arbeitsmarkt dürften sich Bremsspuren bemerkbar machen, denn Unternehmen reagieren normalerweise mit Sparmaßnahmen auf sinkende Gewinne und ein wirtschaftlich herausforderndes Umfeld. Zyklische Branchen - etwa Industrie oder Bauwesen - dürften daneben unter rückläufigen Auftragseingängen leiden. Auch Firmenpleiten sind nicht auszuschließen. Entlassungen, Einstellungsstopps und eine höhere Arbeitslosigkeit wären die Folge. Das wiederum würde die Binnennachfrage und die Konsumausgaben der Verbraucher weiter dämpfen - ein klassischer rezessiver Rückkopplungseffekt.

International dürfte ein Nachfragerückgang in den USA vor allem exportorientierte Volkswirtschaften treffen - etwa Deutschland, Japan oder Südkorea. Die Nachfrage nach Maschinen, Fahrzeugen und Elektronikprodukten könnte spürbar sinken - und damit auch die Unternehmensgewinne in diesen Ländern. Sparmaßnahmen, etwa im Bereich der Mitarbeiteranzahl, wären dann auch hier die Folge und würden die bereits genannten Konsequenzen mit sich bringen.

Auch an den internationalen Finanzmärkten würde eine US-Rezession natürlich nicht spurlos vorbeigehen. Historisch gesehen reagieren Aktienmärkte empfindlich auf rückläufige Unternehmensgewinne. Defensive Sektoren könnten sich vergleichsweise stabil halten, während zyklische Werte und Wachstumsaktien besonders unter Verkaufsdruck geraten dürften. Gleichzeitig wäre mit einer höheren Nachfrage nach sicheren Häfen wie Gold zu rechnen.

Diese Sektoren dürften unter einer Rezession besonders leiden - und hier könnten sich Chancen bieten

Nicht alle Branchen sind jedoch gleichermaßen anfällig für eine Rezession - aber einige geraten traditionell besonders stark unter Druck. Zyklische und nicht-essenzielle Konsumgüter wie Autos, Möbel, Unterhaltungselektronik oder Luxusgegenstände dürften zu den ersten Ausgaben zählen, die Verbraucher in unsicheren Zeiten verschieben. Auch auf Finanzinstitute könnten Herausforderungen zukommen, da es zu mehr Kreditausfällen kommen könnte, während gleichzeitig das Geschäft mit Neufinanzierungen aufgrund höherer Anforderungen durch die Institute sinken dürfte. Besonders Banken, die sich auf die Finanzierung von Gewerbeimmobilien oder den Mittelstand konzentriert haben, könnten ins Straucheln geraten.
Auch der Technologiesektor ist bei einem wirtschaftlichen Abschwung nicht immun. Zwar sind viele Big-Tech-Unternehmen finanziell solide aufgestellt, doch gerade wachstumsstarke, noch nicht profitable Firmen geraten bei steigender Risikoaversion leicht unter Druck - sowohl im operativen Geschäft als auch an der Börse.

Doch eine Rezession könnte auch Chancen für strategisch denkende Anleger bieten. Defensive Branchen wie Gesundheitswesen, Basiskonsumgüter oder Versorger gelten traditionell als stabil in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Ihre Produkte sind immer gefragt - unabhängig von der Konjunktur. Langfristige Investoren könnten darüber hinaus von sinkenden Bewertungen profitieren und eine günstige Gelegenheit finden, sich zu attraktiven Einstiegskursen mit Qualitätsaktien einzudecken - getreu dem Motto "Buy the Dip". Zudem könnten die Notenbanken, allen voran die Federal Reserve, mit geldpolitischen Lockerungen auf eine Rezession reagieren und dadurch den Markt stützen. Sollte der Leitzins im Rezessionsfall deutlich gesenkt werden, könnte das zinssensitive Sektoren wie Technologie mittelfristig wieder beleben.

Redaktion finanzen.net

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