Euro fondsxpress

Kollektiv zum Erfolg

20.02.12 19:00 Uhr

Das Kollektiv hat ausgedient. Was mit dem Fall der Mauer einherging, trifft für die Finanzmärkte nicht zu. Hier bietet laut Corvin Schmoller, Gründer und Chef von Intelligent Recommendations, die kollektive Meinung einen eindeutigen Mehrwert.

Der Hamburger beschäftigt sich bereits seit Jahren mit dem Phänomen, dass die Mehrheit meistens Recht hat. Er überträgt den Publikumsjoker aus Günther Jauchs „Wer wird Millionär“ einfach auf die Finanzmärkte. Der Erfolg gibt ihm Recht.

€uro fondsxpress: Herr Schmoller, Sie beschäftigen sich seit Jahren mit dem Phänomen kollektiver Intelligenz. Das Kollektiv im Sozialismus ist gescheitert. Kann ein Kollektiv überhaupt intelligent sein oder anders gefragt: Warum funktioniert es?

Corvin Schmoller: Man muss das Ganze natürlich richtig einordnen. Unter kollektiver Intelligenz versteht man zwar schon das Wissen von vielen. Jedoch nicht das einer Gruppe. Hier liegt der entscheidende Unterschied. Man bekommt gute Ergebnisse nur, wenn man jeden individuell befragt — der Befragte also keine Kenntnis davon hat, was andere für eine Meinung haben. Jeder Nutzer unserer Plattform gibt seine Meinung zur Entwicklung von Aktien, Rohstoffen, Währungen oder Renten ab. Dann werden all diese Informationen gefiltert und ausgewertet. So entstehen dann kollektive Empfehlungen, die den Anlageentscheidungen zugrunde liegen. Das breitere Wissen des Kollektivs liegt mit einer höheren Wahrscheinlichkeit richtig, lautet die Annahme.

?: Das heißt: Diskussionen wie auf den üblichen Plattformen finden nicht statt?

Schmoller: Nein, auf gar keinen Fall. In einem solchen Falle wäre das ganz wertlos. Erst nach Abgabe der Bewertung, kann man sehen, welche aktuellen Anlagefavoriten es in verschiedenen Anlagebereichen gibt. Jeder Nutzer hat zudem nur eine begrenzte Anzahl an Empfehlungen, die er pro Anlagebereich in einem bestimmten Zeitraum abgeben kann. So erreichen wir Meinungsvielfalt dadurch, dass jeder der über 2000 Meinungsbildner nur einen geringen Einfluss auf die Gesamtmeinung hat. Allerdings sind die Ergebnisse nicht nur für Einzeltitel vielversprechend, sondern auch für Indizes.

?: Welche Erkenntnisse können Sie aus den Daten ziehen?

Schmoller: Auffällig ist in den vergangenen zwei Jahren gewesen, dass wir immer mit einem Vorlauf von zwei bis drei Monaten die Richtung von Indizes wie dem DAX prognostizieren konnten. Zwar nicht punktgenau, aber die Richtung, die wir inzwischen schon seit zwei Jahren für den DAX vorausgesagt haben, stimmt. Anhand der Anlageverteilungen und Gewichtungen mittels kollektiver Intelligenz können wir dies aus unseren Auswertungen errechnen. In der aktuellen Analyse haben wir einfach mal die Mittelwerte der Aktien- und DAX-Gewichtungen ausgewertet.

?: Mit welchem Ergebnis?

Schmoller: Ich werfe mal einen Blick in den Rückspiegel, um das Ganze klarer zu machen. Die Aktiengewichtung unseres Systems nimmt im April/Mai 2010 konstant zu, während die DAX-Gewichtung unseres Systems im Juni/Juli 2010 zunimmt. Das Erstaunliche: Ab September 2010 steigt dann auch der DAX konstant an. Gleiches konnten wir für den April/Mai 2011 feststellen. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Nutzer risikoaverser. Die DAX-, also auch die Aktiengewichtung nimmt tendenziell zugunsten von Renten wieder ab. Und wie jeder weiß, ging es ab Juli 2011 mit dem DAX stark abwärts. Seit Oktober 2011 steigt die Aktiengewichtung, seit Dezember 2011 die DAX-Gewichtung unseres Systems wieder konstant stärker an. Also auch wieder rechtzeitig, bevor der DAX im Januar stark zulegte. Unser System ist also gegenüber dem DAX immer rund zwei bis drei Monate früher dran.

?: Funktioniert das nur für den DAX oder auch für andere Indizes?

Schmoller: Es klappt meistens auch bei anderen Börsenbarometern. Bei der Auswertung der Asset Allocation für Aktienindizes konnten hier in 14 Monaten — von Januar 2010 bis Februar 2011 — die Trends für HangSeng, TecDAX, SDAX, MDAX und Nikkei vorausgesagt werden. Trends wurden zum einen an der Entwicklung der Gewichtung des Index in der Anlageverteilung erkannt, zum anderen am Verhältnis der Über- und Untergewichtung der verschiedenen Indizes.

?: Was sagt Ihre „Glaskugel“ für die kommenden Monate voraus?

Schmoller: Da können wir erst einmal Entwarnung geben. Dramatisches wird wohl in den kommenden Monaten nicht passieren. Wir können aus den Daten bisher noch keinen weiteren signifikanten Trend erkennen. Daher ist zu erwarten, dass der DAX sich zumindest bis März/April 2012 in etwa auf dem jetzigen Niveau hält und unter leichten Schwankungen seitwärts tendiert. Zumindest aber sieht es so aus, dass der DAX wohl nachhaltig über 6000 Punkten halten wird.

?: Lassen sich die Erkenntnisse auch in die harte Realität übertragen. Kann man damit wirklich einen Mehrwert schaffen und Geld verdienen?

Schmoller: Ja, das kann man in der Tat und das setzen wir auch in der Praxis um. Wir führen seit Januar 2009 entsprechende Musterdepots. In den inzwischen drei Jahren haben die kollektiven Musterdepots laufend besser als die der Vergleichsindizes abgeschnitten. Es gelingt unserem System also laufend, die Outperformer an der Börse herauszufiltern. Das kollektive Musterdepot erreichte bis Januar 2012 eine Outperformance von knapp 18 Prozentpunkten gegenüber den Vergleichsindizes.

?: Wie können Anleger konkret vom Kollektiv profitieren?

Schmoller: Jeder Interessierte kann sich im Web auf www.intelligent­recommendations.com anmelden und mitmachen. Er kann dort kostenlos Wertpapiere beurteilen und die monatlichen Änderungen der Einzelwerte und der allgemeinen Asset Allokation verfolgen. Nur wer tägliche oder wöchentliche Änderungen einsehen möchte, muss sich für den kostenpflichtigen Premiumservice anmelden. Momentan sind Beteiligungen an den Anlageerfolgen des Systems auch über Investmentclubs möglich. Zudem arbeiten wir daran, demnächst einen Fonds zu lancieren, der auf Basis der kollektiven Intelligenz anlegt. Dann kann jeder ohne große Mühe davon profitieren.

Im Profil: Corvin Schmollerhat an der Universität Lüneburg und Madrid angewandte Kulturwissenschaften und Informatik studiert. Er entwickelte seit Mitte 2007 ein selbstregulierendes Anlageempfehlungs­system und begann mit der Testphase für seine spätere Unternehmensgründung. Ende 2008 ging das System unter der Webadresse www.intelligent­recommendations.com online. Gefördert wird das Projekt durch ein Exist-Gründer­stipendium des Bundesministerium für Wirtschaft sowie durch die EU.