Mikrofinanz-Fonds: Hilfe zur Selbsthilfe
Kleinunternehmer können sich mit Darlehen eine Existenz aufbauen. Anleger bekommen dafür eine stabile Rendite.
von Christian Bayer, Euro am Sonntag
Die Spendenbereitschaft der Deutschen ist vergleichsweise groß. Nach Angaben einer vom Deutschen Spendenrat in Auftrag gegebenen Studie haben die Deutschen im vergangenen Jahr rund 5,3 Milliarden Euro für gute Zwecke lockergemacht, das ist die zweithöchste Summe binnen zehn Jahren. Allerdings hängt die Spendenbereitschaft, auch das ein Ergebnis der Studie, stark davon ab, ob Katastrophen medial präsent sind. Nachhaltige Hilfe sieht also anders aus. Zudem wächst bei vielen Spendern die Skepsis, ob die gespendeten Beträge auch an der richtigen Stelle ankommen.
Eine Alternative zu Spenden sind Investments in den Mikrofinanzsektor. Die Idee, die sich dahinter verbirgt, spiegelt die Botschaft des chinesischen Sprichwortes: Gib einem Hungernden einen Fisch, und er wird einmal satt, lehre ihn Fischen, und er wird nie wieder hungern. Kleinunternehmer bekommen zu transparenten Konditionen Kredite und haben dadurch die Möglichkeit, sich mit ihren Geschäftsideen auf eigene Beine zu stellen und damit das eigene Auskommen sowie das ihrer Familie zu sichern. Zusätzlich zur Geldversorgung bekommen Kreditnehmer Know-how für ihr Geschäft vermittelt.
Nobelpreisträchtige Idee
Das Ganze rückte zum ersten Mal in den Blick der breiteren Öffentlichkeit als der bengalische Wirtschaftswissenschaftler und Vordenker der Mikrofinanzidee, Muhammad Yunus, 2006 den Friedensnobelpreis bekam. Yunus, der auch als Banker der Armen bezeichnet wird, war mit der Gründung der Grameen Bank 1983 Pionier bei der Vergabe von Mikrofinanzkrediten. Speziell die ländliche Bevölkerung war vorher von Krediten ausgeschlossen oder sie geriet in die Hände von Kreditwucherern, die es mit mehr als 100 Prozent Zinsen pro Monat unmöglich machten, Kredit und Zinsen zu tilgen. Zudem konnten Konditionen zum Nachteil der Kreditnehmer jederzeit geändert werden.
Marktstand statt Armut
Bereits mit kleinen Summen kann Großes bewegt werden. Ein Beispiel: Frau Bayarmaar lebt in Darchan, der drittgrößten Stadt der Mongolei. Als ihr Mann vor wenigen Jahren starb, drohte ihrer Familie Armut. Sie gab nicht auf und verschaffte sich einen Mikrokredit über 400 Euro, um einen Marktstand mit Kappen zu eröffnen. Bei 300 Sonnentagen pro Jahr ist eine Kopfbedeckung in der Mongolei Pflicht, das ließ bei Frau Bayarmaar die Kasse klingeln. Heute verdient sie deutlich mehr als 300 Euro pro Monat und kann damit ihren beiden Töchtern auch eine gute Ausbildung finanzieren. Damit ist Frau Bayarmaar eine von 500 Millionen Personen, die in den vergangenen 40 Jahren Mikrofinanzkredite genutzt haben. Im Regelfall haben die Darlehen eine überschaubare Laufzeit, sie werden oft innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten bis drei Jahren zurückgezahlt.
Institute unter der Lupe
Für Investoren, die ihr Geld in Mikrofinanzfonds anlegen, ist neben der Auswahl der Länder vor allem die Kontrolle der Mikrofinanzinstitute wichtig. "Bei der Auswahl der Länder berücksichtigen wir die politischen, wirtschaftlichen, fiskalpolitischen und regulatorischen Verhältnisse vor Ort", sagt Edda Schröder, geschäftsführende Gesellschafterin der Firma Invest in Visions aus Frankfurt. In einigen Ländern werde zurzeit nicht investiert, aus politischen Gründen etwa in Aserbaidschan oder wegen der Vorgabe, Darlehen nur in lokaler Währung auszuzahlen, etwa in Kolumbien. Bei anderen Ländern gebe es aufsichtsrechtliche oder steuerliche Nachteile, die es erschwerten, dort zu investieren. "Aber das Potenzial an neuen Ländern und Möglichkeiten ist nach wie vor groß", so Schröder.
Die Ausfallquoten der Mikrokredite liegen im überschaubaren Bereich. "Auf das ganze Portfolio berechnet haben wir eine minimale Ausfallquote bei den Krediten von einem Prozent, in Krisenphasen etwa zwei Prozent", erläutert Günther Kastner, Chief Investment Officer (CIO) von C-Quadrat Asset Management aus Wien. Kreditrückzahlungen könnten sich allerdings durch Naturkatastrophen wie Erdbeben verzögern. Kritiker bemängeln bei den Mikrofinanzinstituten die Tendenz zur Gewinnmaximierung und eine mangelnde Betreuung der Kreditnehmer durch die Institute. Dieses Problem lässt sich aber durch entsprechendes Screening der Finanzdienstleister minimieren.
"Die Mikrofinanzinstitute vor Ort prüfen Kreditnehmer genau, bevor sie ein Darlehen vergeben. Wir wiederum arbeiten nur mit Mikrofinanzinstituten zusammen, die von unserem Partner Symbiotics überprüft worden sind", sagt Kastner. Die Institute müssten zudem seit mindestens drei Jahren existieren, die Mehrzahl gebe es schon seit über zehn Jahren. Ihre Anfänge hätten die Institute oft in Sparvereinen, ähnlich wie die genossenschaftlichen Raiffeisenbanken hierzulande. "Wichtig ist aus unserer Sicht nicht eine Renditeoptimierung der Institute um jeden Preis, sondern ein gemeinsames Wachsen der regionalen Wirtschaft zusammen mit den Kreditnehmern", so Kastner.
Stetige Erträge abseits der Börsen
Mikrofinanzfonds sind keine Renditeüberflieger, bieten aber eine stabile Wertentwicklung ohne große Schwankungen. Das Fondsvermögen wird in Form von unverbrieften Darlehen an die Mikrofinanzinstitute vergeben. "Wir rechnen mittelfristig mit Renditen zwischen zwei und drei Prozent per annum", sagt Schröder. Derzeit lasten die Kosten der Währungsabsicherung stark auf der Rendite. Zudem zehrt der Aufwand fürs Research an den Erträgen.
Anleger müssen bei den Fonds mit Gebühren rechnen wie bei Schwellenländerfonds, die in Aktien oder Anleihen investieren. Allerdings sind die Erträge der Mikrofinanzfonds geringer. Diese können aber mit einem anderen Aspekt punkten: Mikrofinanzfonds entwickeln sich unabhängig von Börsen in Europa oder den USA. "Durch die Unabhängigkeit von den Kapitalmärkten kann über unverbriefte Darlehen ein Portfolio diversifiziert werden", sagt Schröder.
In jedem Fall müssen Investoren bei Mikrofinanzfonds mit eingeschränkter Liquidität leben. Beim Fonds von Invest in Visions zum Beispiel erfolgt eine monatliche Preisberechnung. Zu diesem Kurs können Anleger Anteile kaufen. Rückgaben sind bei dem Fonds dagegen nur zum Quartalsende möglich.
Für Risikofreudigere gibt es neben Produkten in harter Währung wie Euro und Dollar bei einem Teil der Anbieter Fonds in den lokalen Währungen der Länder. Bei diesen müssen Anleger mit stärkeren Kursausschlägen rechnen.
Investor-Info
IIV Mikrofinanzfonds
Der Produktpionier
Der Fonds von Invest in Visions ist der Pionier unter den deutschen Mikrofinanzfonds. Derzeit sind Schuldscheindarlehen von 67 Mikrofinanzinstituten aus 26 Ländern enthalten. Am stärksten gewichtet sind Kambodscha mit elf, Ecuador und die Mongolei mit je rund sieben Prozent. Die jeweiligen Landeswährungen sind zum Euro gesichert. Binnen fünf Jahren gab es im Durchschnitt eine jährliche Rendite von 2,6 Prozent. Der Anteilskauf ist monatlich möglich, die Rückgabe zum Quartalsende.
Dual Ret. Vision Microfinance
Mit Expertenhilfe
Die Fondsmanager von C-Quadrat kooperieren bei Länder- und Institutsauswahl mit den Experten von Symbiotics. Indien und Costa Rica haben mit je knapp neun Prozent das höchste Gewicht. Binnen fünf Jahren gab es im Schnitt eine Rendite von 2,1 Prozent im Jahr. Neben dem in Euro gesicherten Fonds gibt es für Wagemutigere mit dem Vision Microfinance Local Currency (ISIN: LU 053 393 772 7) einen Fonds in Lokalwährung mit anderem Anlageportfolio. Kauf und Rückgabe jeweils monatlich möglich.
GLS AI Mikrofinanzfonds
Der Fondsneuling
Der Ende 2015 aufgelegte Mikrofinanzfonds von GLS Bank und Frankfurt School Financial Services investiert zu einem relativ großen Teil in Osteuropa. Das höchste Ländergewicht haben derzeit der Kosovo und Kambodscha mit je rund sieben sowie Albanien mit fast fünf Prozent. Gegen Wechselkursverluste ist der Fonds abgesichert. Auf Sicht eines Jahres brachte er eine Rendite von 1,4 Prozent. Kauf monatlich, Rückgabe halbjährlich möglich.
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