Euro am Sonntag-Ausland

Morgen: Schicksalswahl in Italien

03.03.18 11:00 Uhr

Morgen: Schicksalswahl in Italien | finanzen.net

Nach den Parlamentswahlen am 4. März droht ein lähmender Stillstand. Dabei gefährdet die hohe Verschuldung des Landes die Stabilität der gesamten Eurozone.

von Sabine Gusbeth, Euro am Sonntag

"Das Problem sind wir", ruft Ferdinando Pozzati Piva. Er trägt eine schwarze Wollmütze, einen schwarzen Rollkragenpullover, schwarze Jeans und steht auf einem kleinen weißen Plastikhocker vor der Basilika San Petronio mitten in der Altstadt von Bologna. Jeden Mittwoch und Samstag kommt der 65-jährige Philosoph hierher, um mit Passanten über Politik zu diskutieren. An diesem Mittwochabend Mitte Februar haben sich zwei Dutzend Interessierte um Pozzati Piva versammelt."Nicht alle sind seiner Meinung. "Der Euro hilft nur den starken Volkswirtschaften", widerspricht sein Opponent und steigt auf den Hocker. Er sei eine Erfindung von Deutschland, um Länder wie Italien schwach­zuhalten, glaubt er. Eine Ansicht, die nicht wenige Italiener teilen.

Schlusslicht in der EU

Tatsächlich ist Italiens Wirtschaft schwach. Mit 1,5 Prozent ist Italien 2017 so langsam gewachsen wie kein anderes EU-Land. Jeder dritte Jugendliche findet keinen Job. Die Staatsverschuldung ist mit 133 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erdrückend. Doch im Wahlkampf spielt all das kaum eine Rolle. Stattdessen geht es nur um ein Thema: die rund 600.000 Flüchtlinge, die seit 2014 ins Land gekommen sind - und wie man sie schneller abschieben kann.

Am 4. März wählen die Italiener ein neues Parlament. Das Ergebnis ist völlig offen. Rund 30 Prozent der Wahlberechtigten sind noch unentschlossen, welche Partei sie wählen. Ein weiteres Drittel will gar keine Stimme abgeben. So groß ist die Politikverdrossenheit angesichts immer neuer Skandale um Korruption, Betrug und Postengeschacher der politischen Elite. Ein Sinnbild dafür ist die Rückkehr von Silvio Berlusconi auf die politische Bühne. Zwar kann der verurteilte Steuerhinterzieher zumindest vorerst nicht selbst kandidieren. Dennoch dürften der 81-Jährige und seine konservative Partei Forza Italia die Königsmacher in Italien werden. Vielen gilt der Bunga-Bunga-­Cavaliere gar als Hoffnungsträger.



Die politische Linke um die Demokratische Partei (PD) dagegen hat sich über den Reformkurs von Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi so zerstritten, dass sie sich nicht einmal auf Spitzenkandidaten für die Wahl verständigen konnte. Wer sie wählt, weiß nicht, was er am Ende bekommt.

Stillstand und Instabilität

Das Gleiche gilt für diejenigen, die ihr Kreuz bei der Protestbewegung Fünf Sterne (M5S) machen. Sie tritt seit dem Abschied ihres Gründers, des Komikers Beppe Grillo, deutlich gemäßigter auf als noch zu Beginn. Dennoch ist sie die große Unbekannte. Mit rund 30 Prozent dürfte sie nach letzten Umfragen stärkste Partei werden. Ob und mit wem sie koalieren wird, ist unklar. Da auch die anderen Wahlbündnisse voraussichtlich keine Mehrheit erreichen, droht ein monatelanges Tauziehen, bis sich die Parteien auf eine Regierungs­koalition einigen. Neuwahlen gelten als nicht unwahrscheinlich. Dabei kann Italien eines gerade nicht brauchen: ­politischen Stillstand und damit wirtschaftliche Instabilität.



Wie stark das Land noch immer unter den Folgen der Eurokrise leidet, wird bei der Fahrt ins Hinterland von Bolog­na deutlich. Die industriell geprägten Regionen Emilia-Romagna und Venetien sind Eckpfeiler der italienischen Wirtschaft. Weltkonzerne wie Benetton, De’Longhi, Geox und Lamborghini sind hier ansässig. Aber es gibt noch viel mehr kleine Unternehmen. Sie sind die Stützen des Landes.

Mehr als 70 Prozent des Bruttoinlands­produkts werden von Firmen mit weniger als zehn Mitarbeitern erwirtschaftet. Ausgerechnet sie haben die Krise mit voller Wucht zu spüren bekommen. Zahllose leer stehende Fabriken, an denen der Zerfall nagt, finden sich wie Mahnmale am Straßenrand. Vielen Unternehmen haben die Banken, die selbst in der Krise stecken, den Kredithahn zugedreht. Allein in Venetien haben sich Medienberichten zufolge über 250 Unternehmer das Leben genommen.

In ihrem jüngsten Bericht warnen die Volkswirte des Internationalen Währungsfonds (IWF) vor "signifikanten" Abwärtsrisiken, falls der eingeschlagene Reformkurs nicht fortgesetzt wird. Laut IWF muss Italien die Produktivität seiner Unternehmen steigern, die Banken von der Last fauler Kredite befreien und die Effizienz im Staatssektor steigern. In den Wahlprogrammen der Parteien sucht man diese Themen vergeblich.

Dabei schwebt der drohende Zins­anstieg, wenn die Europäische Zentralbank (EZB) ihr Anleihekaufprogramm wie angekündigt zurückfährt, wie ein Damoklesschwert über der Republik. Denn die Notenbank hat in den vergangenen Jahren italienische Schuldpapiere im Volumen von 330 Milliarden Euro gekauft. Ein Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik dürfte die Zinsen für hoch verschuldete Länder wie Italien wieder steigen lassen. Doch einen Anstieg der Kreditkosten könnte das Land nur verkraften, wenn die Wirtschaft schneller wächst.

Minister Claudio De Vincenti sieht darin "kein Problem". Die italienischen Staatsfinanzen seien inzwischen so stabil, "dass wir einen möglichen Zinsanstieg leicht verkraften können", sagte der 69-Jährige, der für den territorialen Zusammenhalt und Süd­italien zuständig ist, Anfang Februar vor Journalisten in Bologna.

Risiko für Eurozone

Weniger zuversichtlich zeigt sich die EU-Kommission. Erst Ende November hat die italienische Regierung einen blauen Brief aus Brüssel erhalten. Darin warnt die Kommission, dass die enorme Verschuldung ein Risiko für die Stabilität der gesamten Eurozone ist. Im Frühjahr will sie prüfen, ob sie ein offizielles Verfahren gegen Italien einleitet wegen des Verstoßes gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Bis zur Wahl gewährt sie dem Land noch eine Schonfrist, wohl auch, um antieuropäischen Strömungen keinen Vorschub zu leisten.

Derweil versprechen Italiens Politiker aller Couleur ihren Wählern vor allem Steuersenkungen. Wie das angesichts der Rekordschulden von 2.300 Milliarden Euro finanzierbar sein soll, diese Antwort bleiben sie schuldig.

Investor-Info

Wirtschaftswachstum
Italien hinkt hinterher

Italien wurde von der Eurokrise hart getroffen und hat sich seitdem nur langsam erholt. Kein anderes Land in der Eurozone wächst so langsam wie die viertgrößte Volkswirtschaft der EU. Der drohende Stillstand nach den Parlamentswahlen gefährdet die ohnehin verhaltenen Wachstumsaussichten.

Schroder ISF Italian Equity
Besser als der Index

Der Schroder ISF Italian Equity zählte in den vergangenen Jahren zu den besten Fonds für italienische Aktien. Seinen Vergleichsindex, den FTSE Italia All Share, konnte er meistens schlagen. Mindestens 21 Prozent des Fondsvermögens müssen in mittelständische Unternehmen investiert werden. Aktuell setzt das Fondsmanagement auf das Erholungspotenzial von Banken: Mit knapp 40 Prozent sind Finanztitel am schwersten gewichtet.

Oyster Italian Opportunities
Potenzial bei Banken

Mindestens zwei Drittel des Fondsvermögens müssen in Aktien von Unternehmen investiert werden, die ihren Geschäftssitz in Italien haben. Ebenso wie beim Italien-Fonds von Schroder sind Bankaktien mit knapp 33 Prozent am höchsten gewichtet. Zyklische Konsumgüter (20 Prozent) sowie Industrieunternehmen (15 Prozent) bilden weitere Schwergewichte. In den vergangenen zwölf Monaten legte der Fonds mehr als 23 Prozent zu.


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