Euro am Sonntag-Ausland

Italiens neue Regierung: Euro und Börsen stark bedroht!

16.06.18 12:00 Uhr

Italiens neue Regierung: Euro und Börsen stark bedroht! | finanzen.net

Spanien, Portugal und ­Griechenland packen Reformen an, Erfolge sind sichtbar. Doch Roms neue Regierung sucht die ­Konfrontation mit Brüssel und schürt so alte Ängste vor einem Scheitern der Gemeinschaftswährung.

von Jörg Billina, Euro am Sonntag

Die 65. Regierung Italiens nach Kriegsende hat die Arbeit aufgenommen. Das Polit-­Chaos, das vorausging, ist beendet. Die Renditen italienischer Staatsanleihen sinken, Europas Aktienmärkte erholen sich, die Gemeinschaftswährung tendiert stärker. Doch aus der Entspannung an den Finanzmärkten kann schnell wieder Panik werden.



Die Koalition aus rechtsnationaler Lega und linkspopulistischer Movimento 5 Stelle (M5S) wird kaum bis zum Ende der Legislaturperiode halten. Lega-Chef und Innenminister Matteo Salvini drängt auf Neuwahlen. Seine Partei kommt in Umfragen auf 30 Prozent, gegenüber der Wahl im März ein Plus von 13 Prozentpunkten. Werden die Bürger erneut an die Urne gerufen, hat er gute Chancen, die 66. Regierung Italiens als Ministerpräsident anzuführen. Dagegen büßt die vom neuen Arbeits- und Industrieminister Luigi di Maio geführte M5S in der Wählergunst leicht ein.

Für die Eurozone bedeutet dies nichts Gutes. Um beim Bürger zu punkten, werden Di Maio und Salvini sowie der ihre Weisungen ausführende Ministerpräsident Giuseppe Conte die Kritik an der EU verschärfen. Ihrer Überzeugung nach trägt das "Spardiktat" Brüssels beziehungsweise Berlins Schuld an Italiens schwacher wirtschaftlicher Bilanz.


Nur wenige Tage in politischer Verantwortung, nehmen die beiden Vizepremiers die EZB ins Visier. Vorwurf: Diese habe vergangenen Monat italienische Staatstitel in Höhe von nur 3,6 Milliarden Euro erworben. Das sei weniger als bislang üblich. Dafür habe die EZB vermehrt deutsche Staatsanleihen erworben. Die Währungshüter hätten so den Kapitalmarkt manipuliert, um Rom auf Linie zu bringen.

Mehrausgaben statt Reformen

Bei bloßer Rhetorik wird es nicht bleiben. Um sich zu profilieren, werden Salvini und Di Maio ihre Wahlkampfversprechen schnell auf den Weg bringen. Die aber lösen Italiens Probleme nicht, sondern vertiefen das Leiden. Strukturelle Reformen wie in Spanien wären dringend nötig, um die schwache Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und für mehr Dynamik am Arbeitsmarkt zu sorgen. Doch Lega und M5S wollen Steuern senken, die Rentenreform zurücknehmen und Staatsausgaben erhöhen. Jährliche Mehrausgaben von 60 Milliarden Euro kann sich das Land aber nicht leisten. Italien ist schon mit 132 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den Miesen.



Noch lassen sich die Schulden bedienen. Italien erzielt einen Leistungsbilanzüberschuss, die Wirtschaft wächst. Werden jedoch die Pläne der neuen Regierung umgesetzt, droht die Gesamtverschuldung auf 140 Prozent zu klettern. Das Haushaltsdefizit, das derzeit bei 1,9 Prozent liegt, würde sich auf bis zu sechs Prozent ausweiten. Ziehen dann noch die Zinsen an, wachsen nicht nur die Zweifel der Anleger an der Fähigkeit Italiens, die Schulden zu bedienen. Investoren werden, wie schon 2011, den Fortbestand der Eurozone infrage stellen. Europäische Banken haben Italien über 500 Milliarden Euro geliehen. Kommt Rom den Verbindlichkeiten nicht nach, ist die Existenz der Kreditgeber in Gefahr. Selbst der Europäische Rettungsfonds kann da nicht helfen.

Zerbrechlichkeit des Euro

Das wissen auch Salvini und Di Maio. Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sie ihrer bereits im Koalitionspapier aufgelisteten Forderung nach Schuldenerlass in Höhe von 250 Milliarden Euro in den kommenden Wochen in Verhandlungen mit Brüssel und der EZB Nachdruck verleihen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat dem Ansinnen zwar schon eine Absage erteilt. Solidarität ja, Schuldenunion nein, lässt sie Rom wissen. Um Länder der Eurozone vor neuen Schieflagen zu schützen, drängt sie dagegen auf eine Vollendung der Bankenunion und macht sich für einen Europäischen Währungsfonds (EWF) stark.

Ein auf strikte Auflagenerfüllung drängender EWF wird jedoch Italiens Regierung nicht besänftigen. Werden deren Forderungen nach Schuldenerlass nicht erfüllt, dürfte sie mit einem Referendum über einen Austritt des Landes aus der Währungsunion drohen. Der Erpressungsversuch hat Aussichten auf Erfolg. Die politischen, ökonomischen und finanziellen Folgen eines ­Italexit wären derart schwerwiegend, dass niemand in der EU und der Eurozone ernsthaft will, dass es dazu kommt. Völlig ausschließen lässt sich der Ausstieg aber nicht. "Der Mythos der Unzerbrechlichkeit des Euro ist mit den Ereignissen nach den Wahlen in Italien zerbrochen", konstatiert Martin Hüfner, Chefvolkswirt der Münchner Investmentgesellschaft Assenagon.

Dabei hatte man die Eurokrise schon überwunden geglaubt. Die von EU und EZB angemahnten Reformen blieben nicht ohne Wirkung. Insbesondere Spanien kann auf Erfolge verweisen. In den vergangenen drei Jahren wuchs die Wirtschaft jährlich um über drei Prozent. Die Arbeitslosigkeit sank von 25 auf 17 Prozent, im kommenden Jahr werden 14 Prozent erwartet. Zudem wird laut OECD das Haushaltsdefizit noch in diesem Jahr unter die Defizitgrenze von drei Prozent sinken. 2012 betrug die Neuverschuldung noch zehn Prozent.

Doch Spanien hat eine neue Regierung. Der als Musterschüler Merkels bezeichnete Mariano Rajoy wurde durch ein Misstrauensvotum abgesetzt. Nun führt Pedro Sánchez das Land. Der Chef der Sozialisten verfügt im Parlament über keine Mehrheit. Auch in Spanien wird es zu Neuwahlen kommen. Der liberalen Partei Ciudadanos werden gute Chancen eingeräumt. Anleger müssen sie nicht fürchten, sie ist unternehmerfreundlich und pro Euro. Doch auch ­Ciudadanos kann nicht allein regieren. Bis ein Koalitionspartner gefunden wird, ruht die politische Arbeit. Dabei müsste die dringend notwendige Rentenreform endlich angepackt werden.

Athen sagt Anleiheemission ab

Auch in Portugal hat sich die Lage verbessert. 2017 legte die Wirtschaftsleistung mit 2,7 Prozent so stark zu wie seit 17 Jahren nicht mehr. Gleich um elf Prozent zogen die Exporte an, Produkte des Landes sind also wettbewerbsfähig. Aus der Gefahrenzone ist das Land aber noch lange nicht. Mit 122 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist die Staatsverschuldung weiterhin hoch. Portugal sei daher immer noch anfällig für externe Schocks, warnt der IWF in seiner jüngs­ten Analyse.

Ein Italexit könnte ein solcher Schock sein. Nicht auszuschließen, dass Investoren sich dann massiv aus allen Peripheriestaaten zurückziehen. Griechenland bekommt die nachlassende Risikoneigung schon zu spüren.

Dieser Tage wollte Athen zum ersten Mal seit Jahren wieder eine Anleihe mit zehnjähriger Laufzeit platzieren. Die Emission wurde jedoch kurzfristig abgesagt. Im Zuge der Entwicklungen in Italien waren die Renditen für griechische Staatstitel gestiegen. Im Herbst will man es noch einmal probieren. Die Zeit drängt. Bis Ende 2019 muss Griechenland Schulden in Höhe von 19 Milliarden Euro refinanzieren. Zu hoch dürfen die Konditionen am Kapitalmarkt nicht ausfallen. Sonst türmt sich der Schuldenberg trotz Sparens noch weiter auf.

Investor-Info

Schroder ISF Italian Equity
Volatilität voraus

Rund 300 Millionen Euro haben Anleger Hannah Piper anvertraut. Die Mittel hat die Managerin bisher erfolgreich angelegt. Der Schroder Italian Equity, der in rund 40 Aktien wie den Versorger Eni und den Autobauer Ferrari investiert, wird mit FondsNote 1 beurteilt. Trotz der guten Ergebnisse: Der Börse in Mailand drohen in den nächsten Monaten Turbulenzen. Vorsichtige können daher Erholungen auch zur Reduzierung der Position nutzen.

Deka Europe Strong Growth 20
Gut gewappnet

Stark wachsende Unternehmen müssen ­politische Risiken nicht fürchten. Der von der Deka aufgelegte Exchange Traded Fund (ETF) identifiziert 20 Growth-Unternehmen anhand von Kurs-Gewinn-Verhältnis, Buchwert oder Dividendenrendite. Derzeit sind etwa Wirecard und die französische Pharmafirma Ipsen enthalten. Der einzige Vertreter Italiens in dieser Gruppe ist der Maschinenhersteller Industria Macchine Automatiche.

Parvest Bond Euro Medium Term
Römisches Risiko

Der Fonds investiert in mit "Investment- Grade" beurteilte europäische Staats- und Unternehmensanleihen. Die Papiere weisen Laufzeiten von im Schnitt vier Jahren auf. ­Italienische Zinstitel wurden zuletzt abgebaut, sind aber noch mit 22 Prozent gewichtet. Ein Zahlungsausfall Italiens zeichnet sich derzeit nicht ab. Höhere Risikoaufschläge bzw. Kursverluste sind jedoch wahrscheinlich. ­Darunter droht die bereits überschaubare Wertentwicklung des Fonds zu leiden.



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