Das große Bild - Interview
Der Euro ist auf dem Weg nach unten und Aktien bleiben erste Wahl,so Asoka Wöhrmann.
Herr Wöhrmann, der Internationale Währungsfonds (IWF) hat seine Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft um 0,4 auf 3,3% in diesem Jahr gesenkt. Denken auch Sie über eine Anpassung Ihrer Wachstumsschätzung nach?
Ich war bereits zu Jahresmitte vorsichtig und habe ein geringeres Weltwirtschaftswachstum prognostiziert. Ein Grund dafür war die Kältewelle in den USA, die das Wachstum belastete. Als richtig erwies sich auch, dass wir in Europa in puncto Wachstumsschätzungen immer auf der vorsichtigen Seite waren. Daher gibt es für mich derzeit keinen Grund für eine Anpassung meiner globalen Wachstums- prognose. Das gilt auch für die 2015er Schätzungen. Meine Prognose für das Weltwirtschaftswachstum liegt bei 3,7%*. Damit liege ich um 0,1 Prozentpunkte unter der aktuellen IWF-Schätzung.
Die deutsche Industrieproduktion ist im August um 4% eingebrochen. Das hat zu Besorgnis über einen Abschwung oder eine Rezession in Deutschland geführt. Teilen Sie diese Einschätzung?
Die Zahl stellt die Wirklichkeit verzerrt
dar. Daher teile ich die Panik nicht. Der
Einbruch ist vor allem auf einen Einmal-
Effekt zurückzuführen. Im August waren
in ungewöhnlich vielen Bundesländern
Ferien. Das trug erheblich zu dem Rückgang der Industrieproduktion bei. Ich
sehe Deutschland weiter als Konjunkturlokomotive im Euroraum. Die Konjunkturlokomotive müsste aber mehr Fahrt aufnehmen. Dabei wäre eine Unterstützung
seitens der Fiskalpolitik äußerst hilfreich.
Würden die Steuern in Deutschland um
3% gesenkt, würde dies für 75 Milliarden
Euro an zusätzlicher Kaufkraft sorgen.
Das wäre ein guter Katalysator für eine
Stimmungsaufhellung bei den Konsumenten, die wir für eine Wachstumsbeschleunigung benötigen.
Die Wirtschaft im Euroraum wächst
langsam, die US-Wirtschaft dagegen
zügig. Welchen Einfluss hat dies auf die
Geldpolitik der Notenbanken?
In den USA erwarten wir in der zweiten Jahreshälfte des kommenden Jahres eine Leitzinserhöhung. Nach dem Auslaufen von Tapering findet damit dort eine weitere Normalisierung der Notenbankpolitik statt. Im Euroraum wird dagegen weiter eine unkonventionelle Geldpolitik betrieben. Die Wachstumsdynamik bleibt einfach zu gering und die Inflation springt nicht an. Bei dem geringen Wachstum ist jeder kleine Rückschlag sofort spürbar. Das wird von den Menschen als konjunkturell holpriger Weg wahrgenommen. Und das erhöht den politischen Druck auf die EZB, die Zinsen niedrig zu halten und auch Wertpapierkäufe zu starten. Es wird hier immer von einem Zinstal gesprochen. Im Euroraum sehe ich eher eine Zinstiefebene als ein Zinstal. Die Zinsen werden hier noch sehr lange tief bleiben.
"Im Euroraum sehe ich eher eine Zinstiefebene als ein Zinstal. Die Zinsen werden hier noch sehr lange tief bleiben."
Das spricht dafür, dass der Euro schwächer und der US-Dollar stärker wird.
Genau, der Euro wird zu einer Funding Currency, Investoren verschulden sich also in Euro, um in ertragsstärkere Auslandspapiere aus dem Dollarraum zu investieren. Der Weg des Euro nach unten ist damit vorbestimmt. Der US-Dollar wird dadurch, dass die Zinsdifferenz zwischen den USA und dem Euroraum wächst, weiter gegenüber dem Euro aufwerten
Die Abwanderung von Kapital aus dem Euroraum in die USA dürfte negativ bewertet werden. Wie wird die EZB darauf reagieren?
Hier muss zwischen zwei Schritten unterschieden werden. In Schritt eins führen steigende Zinsen zu Kursrückgängen bei US-Anleihen. Es findet daher nur eine begrenzte Kapitalwanderung statt. Mit steigendem Zinsspread zwischen dem Euroraum und den USA - also in Schritt zwei - wird für Investoren die Umschichtung von Kapital in die USA attraktiver. Das führt dann zu einem Zinsanstieg im Euroraum, der von der EZB und der Politik insbesondere nach den schwachen Kon- junkturzahlen als Hemmnis für den Aufschwung gesehen werden dürfte. Hinzu kommt die zunehmende Regulierung des Bankensektors, die eine Kreditausweitung verhindert und den Aufschwung behindert. Damit erhöht sich der politische Druck auf die EZB, ein öffentliches QE zu starten, also Staatsanleihen aufzukaufen. Die Wahrscheinlichkeit dafür schätze ich mittlerweile auf über 50%.
Wie lassen sich die möglichen Kurs- verluste bei US-Anleihen vermeiden?
In den USA würde ich Kurzläufer bevorzugen. Damit ist das Zinsänderungsrisiko begrenzt und gleichzeitig bleibt die Chance bestehen, von der Wechselkurs- entwicklung, also der möglichen Stärke des US-Dollars gegenüber dem Euro, zu profitieren.
Was bedeutet das für die Anlageklasse, die Sie seit längerem favorisieren - die Aktien?
Weiterhin wichtig ist, Aktien nicht unterzugewichten. Europäische Aktien sind mittlerweile attraktiv moderat bewertet. Bei den Unternehmensgewinnen hinken europäische Unternehmen hinter den US- Unternehmen hinterher. Das spricht für europäische Unternehmen - insbesondere für die Zykliker, die von der langsamen konjunkturellen Erholung stärker profitieren dürften. US-Aktien sind im historischen Vergleich zwar nicht mehr günstig. Die weltweite sektorale Verteilung von Unternehmen spricht dennoch dafür, US-Aktien bei der Titelauswahl zu berücksichtigen. Die USA haben eine Dominanz im Technologiesektor. Und dieser Sektor dürfte von der konjunkturellen Aufhellung besonders profitieren.
Geldpolitische Schere
Die Fed verabschiedet sich langsam von der unkonventionellen Geldpolitik. Im zweiten Halbjahr 2015 rechnen wir mit einer Erhöhung des US-Leitzinses. Im Gegensatz dazu dürfte die EZB weiterhin eine unkonventionelle Geldpolitik betreiben. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die EZB im kommenden Jahr auch mit dem Ankauf von Unternehmensanleihen und Staatsanleihen beginnt. Der Weg des Wechselkurses EUR/USD nach unten ist damit vorbestimmt.
Dieser Text ist ein Auszug aus dem aktuellen CIO View der Deutsche Asset & Wealth Management. Hier geht's zum vollständigen CIO View mit vielen weiteren spannenden Themen.
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