Karl Pilny: "Die Chinesen und Inder sind leidens- und leistungsfähig"

20.10.06 15:29 Uhr

Asien-Experte Karl Pilny zu den Folgen des rasanten Aufstiegs der beiden Wirtschaftsgiganten China und Indien.

Karl Pilny ist Partner der auf Wirtschaftsrecht spezialisierten englischen Rechtsanwaltskanzlei Travers Smith und ein ausgewiesener Kenner Asiens. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt er sich beruflich und privat mit Wirtschaft, Politik und Kultur der asiatischen Nationen. Der Autor von "Das asiatische Jahrhundert" beschreibt in seinem neuen Buch "Tanz der Riesen" (Campus-Verlag) den schnellen Aufstieg von China und Indien zum neuen Zentrum der Weltwirtschaft.



"China und Indien haben einen riesigen Binnenmarkt"

FundResearch: Herr Pilny, glauben Sie, dass China und Indien tatsächlich in einigen Jahren die etablierten Wirtschaftsnationen wie die USA, Japan oder Deutschland ablösen können?

Pilny: Die wichtigsten zwei Argumente für die These sind: Erstens haben beide Länder ein großes Heer an qualifizierten leistungs- und leidenswilligen Arbeitern. Das ist ein unschätzbarer Produktionsvorteil gegenüber Europa und USA.

FundResearch: Und zweitens?

Pilny: Beide Länder haben einen riesigen Binnenmarkt. In 15 bis 20 Jahren lebt die Hälfte der Weltbevölkerung in beiden Ländern. Und schon heute gibt es 100 Millionen zahlungskräftige Konsumenten in China und Indien, die immer stärker nach einheimischen Waren und Dienstleistungen fragen. Das heißt: Die Bedeutung des Exports nimmt immer weiter ab, die des Inlandskonsums immer weiter zu.

"Die Probleme können nicht über Nacht gelöst werden"

FundResearch: Aber sowohl die Regierung in Delhi als auch die in Peking haben mit immensen Problemen wie Korruption, schlechter Infrastruktur und enormen Umweltschäden zu kämpfen.

Pilny: Das ist richtig. Und beide Regierungen haben die Schwachstellen erkannt und Reformen gestartet. So versucht China im neuen Fünf-Jahres-Plan, den Defiziten bei der Entwicklung des ländlichen Raums entgegenzuwirken. Klar ist aber auch: Das wird nicht über Nacht gehen.

FundResearch: Kommen sich Indien und China bei ihrem Aufstieg nicht gegenseitig in die Quere? Beide Länder gelten als sehr rohstoffarm und kämpfen weltweit um dieselben Ressourcen.

Pilny: Sicherlich gibt es zwischen den beiden Ländern eine Menge Rivalität, aber keine offenen Feindseligkeiten. Im Gegenteil. Nach einer vorsichtigen Annäherung in den vergangenen sechs Jahren kam es durch den Staatsbesuch des indischen Premiers Manmohan Singh 2005 in Peking zu einer Vertiefung der Beziehung beider Länder. Damals wurden weitreichende Kooperationen vereinbart.

"China ist schon weiter als Indien"

FundResearch: Was bedeutet das konkret?

Pilny: Das Handelsvolumen beider Länder soll in Zukunft kräftig wachsen. China und Indien wollen etwa im Energiesektor enger zusammenarbeiten. Ebenso wichtig ist der Austausch im Bereich der Informationstechnologie. Indien ist heute bei der Software-Entwicklung eine Macht, während China der weltweit größte Hersteller von Computern ist.

FundResearch: Welches der beiden Länder ist wirtschaftlich führend?

Pilny: Ganz klar China. Das Land hat schon Anfang der 90er-Jahre viele wichtige wirtschaftliche Reformen angestoßen, die Indien erst später angepackt hat. Die Resultate zeigen sich heute etwa bei den ausländischen Direktinvestitionen: 60 Milliarden Dollar sind 2005 nach China geflossen, aber nur knapp sechs Milliarden nach Indien.

"China und Indien werden stärker nach Europa drängen"

FundResearch: Wie sollen Europäer auf den Aufstieg Indiens und Chinas reagieren?

Pilny: Die Europäer sollten nüchtern ihrer Stärken und Schwächen analysieren. Und dann müssen sie solche Sparten stärker fördern, in denen sie konkurrenzfähig sind.

FundResearch: Woher soll das Geld kommen?

Pilny: Indem aufgehört wird, wenig aussichtsreiche Sparten zu subventionieren. Es kann nicht angehen, dass 40 Prozent des EU-Haushalts für zwei Prozent der Bevölkerung, sprich die Landwirte, ausgegeben werden. Denn eines sollte den Europäern schon bewusst sein. Der Kauf des Luxemburger Stahlherstellers Arcelor durch das indische Unternehmen Mittal wird kein Einzelfall bleiben. Immer mehr einige chinesische und indische Unternehmen mit gut gefüllten Kriegskassen in Europa auftauchen.



China-Fonds: Performance seit 1.1.2005 (in %)*
1. Baring Hong Kong China (USD): 79,4
2. Fidelity China Focus: 77,5
3. Invesco PRC Equity A: 71,4
4. ABN China Equity: 68,2
5. iShares FTSE/Xinhua China25 DE: 67,6
6. HSBC GIF Chinese Equity AD: 65,0
7. CAF Greater China C (thes.): 64,2
8. Callander China Universe C1 $: 62,8
9. Parvest China C: 62,3
10. Schroder Greater China A Acc: 57,6

Indien-Fonds: Performance seit 1.1.2005 (in %)*
1. JF India A (dist) USD: 100,5
2. Comgest Growth India: 89,7
3. DWS India: 87,9
4. HSBC GIF Indian Equity AD: 87,8
5. Fidelity India Focus EUR: 84,9
6. Pictet Indian Equities-P: 84,3
7. Invesco GT India A: 71,1
8. ACM India Liberalisation A: 65,5


Quelle: *FINANZEN FundAnalyzer, Performance auf Euro-Basis, Stand: 13.10.2006.



Weitere Infos: karlpilny.com