Euro-Krise: Deutschland soll die Währung retten
Die nächste Eurokrise ist vorerst abgewendet. Noch finden sich Käufer für die Anleihen von Portugal und Co. Doch ohne Hilfe made in Germany ist die Gemeinschaftswährung gefährdet.
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von Marc Hofmann, Euro am Sonntag
Die vergangene Woche, die über die Zukunft des Euro entscheiden sollte, begann mit düsteren Vorzeichen: Erstmals hatte der Markt die Gefahr einer Pleite Westeuropas höher eingestuft als die Osteuropas. Der SovX-Western-Europe-Index, der das Kreditausfallrisiko von 15 West-Staaten – darunter auch Deutschland – misst, übertraf sein osteuropäisches Pendant, das Länder wie Rumänien oder die Ukraine listet. Der Westen riskanter als der Osten?
Dabei waren die angeschlagenen EU-Staaten Portugal und Spanien in der vergangenen Woche angetreten, um neue Anleihen zu emittieren. Und ihre Refinanzierungsfähigkeit wird derzeit eng mit dem Überleben des Euro verknüpft. Denn die Frage lautet: Wem außer Irland und Griechenland muss vielleicht noch durch den 750-Milliarden-Euro-Rettungsschirm geholfen werden – und wird das Geld reichen?
Portugal hatte seine Anleiheemission dann für vergangenen Mittwoch angekündigt. Die Lusitanier beabsichtigten, zwei bestehende Bonds um insgesamt zwei Milliarden Euro aufzustocken. Doch bereits in den Tagen vor der Emission gerieten die ausstehenden Papiere unter Druck. Anleger verkauften portugiesische Staatsanleihen in großem Stil. Die Kurse fielen und trieben die Renditen für zehnjährige Bonds auf 7,3 Prozent – den höchsten Stand seit Einführung des Euro.
Die Märkte reagierten geschockt. Denn Irland sowie Griechenland mussten bei einem Zinsniveau von rund acht Prozent unter den EU-Rettungsschirm. Selbst der portugiesische Finanzminister Fernando Teixeira dos Santos hatte noch im Oktober gesagt: „Wenn die Zinsen auf über sieben Prozent steigen, rückt die Bitte um internationale Hilfe in greifbare Nähe.“ Eilig tätigte die Europäische Zentralbank (EZB) daher am Dienstag und Mittwoch Stützungskäufe, um die Renditen der Papiere vor der Emission wieder zu drücken.
Auch Japan eilte überraschend zu Hilfe. Finanzminister Noda kündigte am vergangenen Dienstag an, sein Land wolle 20 Prozent der Bonds des EU-Rettungsschirms (EFSF) erwerben. Die gebündelten Notmaßnahmen zeigten schließlich Wirkung. Die Märkte beruhigten sich, und Portugal schaffte es am Folgetag, seine Anleihen voll zu platzieren. Für die zehnjährigen Papiere musste das Land am Ende 6,7 Prozent, für die vierjährige Anleihe 5,4 Prozent Zinsen bieten. Im Wochenverlauf pendelten sich die Renditen bei 6,6 Prozent ein. Ein Etappensieg, so scheint es. Denn die Gefahr einer Pleite ist nur verschoben, nicht beseitigt. Leisten kann sich Portugal die hohen Zinsen auf lange Sicht nicht.
Auf einen Hilferuf aus Lissabon warten die Märkte aber weiterhin. An den schlechten Konditionen des Rettungsschirms liegt das Zögern der Portugiesen nicht. Denn zwischen sechs und sieben Prozent Zinsen verlangt die EU für ihre Hilfen. Ungefähr gleich viel also, wie das Land derzeit auf dem freien Markt bieten muss. Was hält Portugal dann zurück? Philipp Jäger, Volkswirt bei der DZ Bank, meint, dass es „die harten Sparauflagen der EU sind, die mit den Hilfen einhergehen“. Wie diese aussehen, konnte man bereits im Fall Irlands und Griechenlands sehen: Die öffentlichen Ausgaben werden drastisch gekürzt und die Steuern erhöht. Harter Tobak für ein Land mit 110 Milliarden Euro Schulden und einem Wachstum von gerade einmal 1,4 Prozent. Da hilft es auch nicht, dass Portugal jüngst verkündete, man habe die Neuverschuldung auf 7,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gesenkt. Dies gelang nur, weil die Regierung die Pensionskassen des staatlichen Telefonkonzerns Portugal Telecom plünderte.
Wie ernst die Lage auch nach der geglückten Emission ist, zeigt sich am eingangs erwähnten Markt für Kreditausfallversicherungen (CDS). Hier gilt: je teurer die Versicherungspolice, desto höher die Ausfallerwartung. Auf Sicht von fünf Jahren gilt somit derzeit der Zahlungsausfall von Portugal (550 US-Dollar) als wahrscheinlicher als der von Ungarn (396 Dollar), der Ukraine (480 Dollar) oder Rumänien (307 Dollar). In Zahlen bedeutet dies, dass der Markt aktuell eine 40-prozentige Wahrscheinlichkeit für eine Zahlungsunfähigkeit Portugals in den kommenden fünf Jahren sieht. Was Griechenland anbelangt, liegt die Erwartung gar bei 60 Prozent.
So bekundete EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso am Mittwoch denn auch die Absicht, den Eurorettungsschirm auszuweiten. „Wir glauben, dass die Ausleihkapazität verstärkt und der Aktionsradius erweitert werden muss“, sagte der gebürtige Portugiese. Er gehe davon aus, dass die Mitgliedsstaaten ebenfalls dieser Auffassung seien und der EU-Gipfel Anfang Februar einen entsprechenden Beschluss fassen werde.
Derzeit umfasst der EU-Rettungsschirm 750 Milliarden Euro. Davon stammen 440 Milliarden von den Euroländern, 250 Milliarden vom Internationalen Währungsfonds und 60 Milliarden von der EU-Kommission. Angela Merkel äußerte sich zu Barrosos Vorschlag zwar nicht, stellte aber nochmals klar, dass „Deutschland tun wird, was notwendig ist“, um den Euro zu retten. Im Zweifel heißt dies wohl auch, dass man weitere Kredite gewähren wird.
Das Emissionskarussell drehte sich unterdessen weiter. Spanien plante, ein fünfjähriges Papier um drei Milliarden Euro aufzustocken. Neben den Äußerungen des EU-Kommissionspräsidenten vom Vortag halfen hier ebenfalls Stützungskäufe der EZB, um die Renditen zu drücken. Zudem hatte der chinesische Vizepremier Li Kegiang bereits in der Vorwoche den Kauf spanischer Anleihen im Wert von sechs Milliarden Euro angekündigt, um bei der Eindämmung der Krise zu helfen. Somit musste Madrid schließlich statt der erwarteten 4,8 Prozent, nur 4,54 Prozent Zinsen zahlen.
In den letzten Monaten hatte die Portugal-Skepsis auch spanische Papiere schwer belastet. Neben der noch immer andauernden Immobilienkrise ist das Königreich mit mehr als 100 Milliarden Dollar auch der größte Gläubiger Portugals. Ein Zahlungsausfall des kleinen Nachbarn würde somit die Probleme Spaniens noch verstärken. Dennoch schätzt Elmar Völker, Rentenstratege bei der Landesbank Baden-Württemberg, die Lage des Staates vorerst stabil ein: „Trotz der gestiegenen Refinanzierungskosten besteht für Spanien derzeit kein Zwang, unter den Rettungsschirm zu gehen.“ In der Tat steht es um das Land gar nicht so schlecht. Bei der Konsolidierung seiner Staatsfinanzen macht es Fortschritte. Im Haushalt hat sich der Fehlbetrag gegenüber 2009 um mehr als drei Prozent auf 9,3 Prozent des BIP verringert. Und auch die Verschuldung des Landes liegt mit 432 Milliarden Euro, gemessen an einem Bruttoinlandsprodukt von 1,1 Billionen Euro, auf erträglichem Niveau.
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Gefahr gebannt? Nur bedingt, urteilt Jan Amrit Poser, Chefökonom des Bankhauses Sarasin. Denn es besteht die Gefahr sich selbst erfüllender Erwartungen: „Es kommt nicht mehr auf die Fundamentaldaten an, sondern darauf, was man von anderen Anlegern erwartet“, meint der Experte. „Erwartet ein Anleger den Ausverkauf von Staatsanleihen, muss er vor den anderen verkaufen. Dies führt rasch zu einer Torschlusspanik, in der die Zinsen grundlos steigen.“ Sollte sich der Trend daher fortsetzen, hätte auch Spanien früher oder später Probleme, seinen Haushalt zu konsolidieren.
Ein anderer Risikokandidat kommt noch hinzu: Belgien. Der mit 262 Milliarden Euro hoch verschuldete Staat ist seit April 2010 quasi handlungsunfähig. Seit dem Ende der Koalition unter Ministerpräsident Yves Leterme konnte das Land keine neue Regierung bilden. Die Prämien der Kreditausfallversicherungen für belgische Staatsanleihen haben sich seit März von 0,5 Prozent auf 2,5 Prozent verfünffacht. Am 31. Januar wird sich das Land neu refinanzieren müssen, dann droht dem Euro die nächste Belastungsprobe.
Die 750 Milliarden Euro an Kreditzusagen aus dem Rettungsschirm könnten also schon bald auch ohne einen Zahlungsausfall Spaniens nicht mehr reichen. Portugal und Belgien wären bereits genug. Dann müsste die Politik neues Geld beschaffen. Wo sie dieses finden könnte, darauf gibt der US-Starökonom Nouriel Roubini eine Antwort: „Allen Lösungen ist eines gemeinsam: Letztlich wird das Geld des deutschen Steuerzahlers dazu genutzt, die Schuldenkrise in anderen Ländern zu beenden.“ Bald schon wird man sehen, ob das stimmt. Denn auf die Frage, wann Portugal Hilfen beantragen könnte, sagt Philipp Jäger von der DZ Bank nur: „Es könnte schneller gehen, als man denkt.“
INVESTOR - INFO
Anleiheemissionen - Hoher Bedarf der EWU-Staaten
Irland und Griechenland emittieren 2011 keine Anleihen. Sie refinanzieren sich durch den EU-Rettungsfonds.
Aufteilung: Land / 2011 / 2010 / 2009
Deutschland / 195,0 / 207,0 / 158,0
Frankreich / 195,0 / 203,6 / 172,6
Italien / 225,0 / 225,8 / 239,6
Spanien / 98,0 / 88,4 / 102,7
Niederlande / 50,0 / 51,9 / 48,1
Belgien / 40,0 / 36,4 / 32,5
Österreich / 17,5 / 21,3 / 23,7
Finnland / 13,0 / 13,5 / 10,0
Portugal / 19,0 / 21,0 / 14,6
Irland / k.A. / 24,5 / 22,7
Griechenland / k.A. / 18,4 / 63,1
EU-11 Gesamt / 852,5 / 911,8 / 887,6
Quelle: ifrmarkets.com, Angaben in Mrd. Euro
Zinsniveaus - Der Trend ist eindeutig
Die Renditen zehnjähriger portugiesischer Staatsanleihen haben die Marke von sieben Prozent erreicht. Der Verlauf der griechischen und irischen Renditen zeigt, dass die Staaten bei circa acht Prozent den EU-Rettungsfonds in Anspruch nahmen.
Templeton Global Bond Fund - Europa bleibt außen vor
Turbulente Anleihemärkte scheinen Fondsmanager Michael Hasenstab zu Höchstleistungen anzuspornen. Dies zeigt das Plus von über 21 Prozent seines Portfolios in den vergangenen zwölf Monaten. Hasenstab setzt bei seinen Investments in einigen Ländern auf die Zinsentwicklung, in anderen auf eine Aufwertung der Währung. Derzeit ist der Fonds stark in Südkorea engagiert. Westeuropa spielt eine untergeordnete Rolle.
Empfehlungen - Bonds für sehr Risikofreudige
Bis 2013 gelten die Garantien des Rettungsfonds. Vertraut man der EU, bieten Sorgenkinder hohe Renditen.
Aufteilung: Staat / ISIN / Laufzeit / Rendite
Griechenland / GR0114020457 / 08-12 / 12,44%
Griechenland / GR0124018525 / 05-12 / 12,00%
Griechenland / GR0110021236 / 03-12 / 11,70%
Irland / IE00B5S94L21 / 03-12 / 4,80%
Irland / IE00BJFCJN73 / 11-11 / 4,30%
Quelle: Bloomberg
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