Prof. Otte-Kolumne Max Otte

Roma turbulenta - Wurde Italiens neue Regierung weichgekocht?

13.06.18 10:33 Uhr

Roma turbulenta - Wurde Italiens neue Regierung weichgekocht? | finanzen.net

In den vergangenen Wochen ging es in Italien drunter und drüber.

Zuerst lehnte Staatspräsident Sergio Mattarella den lange sehr euroskeptischen Kandidaten für das Amt des Finanzministers, Paolo Savona, ab, und las den Koalitionären Lega Nord und Cinque Stella im Sinne der "Finanzmärkte" deutlich die Leviten, das heißt, er übte massiv Einfluss aus und betrieb Propaganda für den Status quo. Daraufhin erklärte Guiseppe Conte, der Kandidat für das Amt des Ministerpräsidenten, die Regierungsbildung für gescheitert.

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Nun sollte der Technokratenkandidat der internationalen Politik- und Finanzelite, Carlo Cottarelli, die Geschicke Italiens in einer Übergangsregierung leiten, wie schon Mario Monti und Matteo Renzi Kandidaten der Eliten waren.

So leicht wie vor einigen Jahren geht es nicht mehr Die "populistischen" Bewegungen sind stärker geworden. Nun wurde Conte im zweiten Anlauf neuer Ministerpräsident. Neuer Finanzminister ist der 69-jährige Ökonom Giovanni Tria. Am vergangenen Montag sagte dieser der italienischen Tageszeitung Corriere della Sera, es gebe "keine Diskussion über den Austritt aus dem Euro" unter der neuen Regierung. Er sagte auch, dass er sich auf den Schuldenabbau konzentrieren werde. Und auch Savona, nun Europa-Minister im neuen Kabinett, schlug harmonischere Töne an. Am gestrigen Dienstag erklärte er den Euro für "unverzichtbar".

Wurde Savona weichgekocht?

Als Universitätsprofessor hatte sich Savona noch für den Austritt Italiens aus der Eurozone starkgemacht, weshalb ihn Mattarella zunächst auch ablehnte. Wiederholt hatte Savona die Finanzmärkte mit euroskeptischen Ansichten irritiert.

Und nun sagt Savona, er habe nie einen Ausstieg Italiens aus dem Euro vorgeschlagen, und es gebe auch keinen Geheimplan. Wie ist dieser Meinungsumschwung zu erklären?

Der Euro-Austritt Italiens ist unwahrscheinlich

Zumindest kurzfristig. Schließlich steht die Europäische Zentralbank (EZB) Gewehr bei Fuß, um einen Absturz der italienischen Staatsanleihen zu verhindern. Doch ich würde nicht darauf wetten, dass Italien ewig im Euro bleiben wird. Die Wirtschaft stagniert, auch weil das früher bewährte Instrument der Währungsabwertung nicht mehr zur Verfügung steht. Unter diesen Umständen verschärft der Euro Italien strukturelle Probleme. Eine Heilung kann es nur geben, wenn diese gelöst worden sind.

Berlusconi wollte schon 2011 raus aus dem Euro Der frühere italienische Regierungschef Silvio Berlusconi hatte einen Austritt damals erwogen, als er nicht wusste, wie er der Kapitalflucht Herr werden sollte. Er hatte damals Geheimverhandlungen über den Austritt des Landes aus dem Euro geführt, wie das ehemalige EZB-Direktoriumsmitglied Lorenzo Bini Smaghi in seinem Buch "Austerity: European democracies against the wall" berichtet. Schon damals erörterten auch die Spitzenkräfte der italienischen Wirtschaft die Möglichkeit eines Austritts aus der Eurozone.

Italienische Kapitalflucht auf dem Höchststand

So hat Target 2 im vergangenen Monat einen Extremwert erreicht. Gegenüber den anderen Euro-Ländern steht Italiens Notenbank mit 465 Milliarden Euro in der Kreide. Die Verbindlichkeiten der Italiener sind im Mai so stark gewachsen wie seit der Euro-Schuldenkrise nicht mehr.

Das Verrechnungssystem Target 2 ist kaum mehr als eine verkappte Form der Staatsverschuldung. Carmen Reinhart, Wirtschaftswissenschaftlerin in Harvard, hat dies gut herausgearbeitet und ausgerechnet, dass Roms Staatsverschuldung mittlerweile bei rund 160 Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegt und nicht bei den offiziell angegebenen 133 Prozent. Denn der Target-Saldo entspricht rund 27 Prozent der italienischen Wirtschaftsleistung.

Es bleibt also spannend in Südeuropa

Fest steht: Ich werde zum Sommer hin weiter Liquidität aufbauen. Kommt dann im Herbst eine Delle - was statistisch nicht unwahrscheinlich ist und angesichts der Weltlage auch überfällig - rausche ich nicht mit 100 Prozent Investitionsquote hinein und habe liquide Mittel, um in einer solchen Situation zuzukaufen. Auch jetzt noch finde ich die eine oder andere unterbewertete Qualitätsaktie. Doch in der Delle werden diese besonders günstig zu haben sein.

Prof. Dr. Max Otte ist Herausgeber des PRIVATINVESTOR (www.privatinvestor.de) und Gründer der IFVE Institut für Vermögensentwicklung GmbH. Das Institut analysiert nach der von ihm entwickelten Strategie der Königsanalyse © börsennotierte Unternehmen und setzt sich dafür ein, mit transparenten Informationen Privatanleger bei der Entwicklung nachhaltiger und langfristig ausgerichteter Aktienstrategien zu unterstützen. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.