Neue Finanzkrise wegen Griechenland?
Das Schreckensszenario für Griechenland und in der Folge für die gesamte Eurozone liegt klar auf dem Tisch.
Wie es aussieht, was es für Folgen hätte und wie es verhindert werden kann, lesen Sie nachfolgend:
Europäische Banken besitzen griechische Anleihen im Wert von über 100 Milliarden Euro. Vorneweg die griechischen Banken mit rund 50 Prozent dieser Summe, gefolgt von Deutschland mit 19 Milliarden Euro und französischen Banken mit 15 Milliarden Euro.
Gleichzeitig ist auch die europäische Zentralbank mit über 50 Milliarden zusätzlichen in Hellas-Anleihen investierten Euro mit dabei.
Das Dilemma: Griechenland ist klamm und kann die Anleihen nach heutigem Stand nicht zurückzahlen, wenn diese fällig werden. Deshalb müsste sich das Land dringend refinanzieren - über neue Anleihen z.B. Momentan will aber kein Mensch solche Anleihen haben, auch nicht zu Tiefstpreisen bzw. Höchstzinsen. Für eine zusätzliche Versicherung der Anleihen ist es zu spät. Die Kosten wären wegen der hohen Risiken so hoch, dass eine Absicherung keinen Sinn mehr machen würde.
Das Schreckensszenario: Ein Zahlungsausfall mit anschließender Zwangsumschuldung und riesigen Verlusten für die Gläubiger. Griechische Großbanken wären dann auf Grund von alten Kreditabsicherungsverträgen (Credit Default Swaps), die sie in der Vergangenheit auf diese Anleihen geschrieben haben, und die dann fällig gestellt würden, sofort Pleite.
Dann könnte die gefürchtete Kettenreaktion einsetzen: Andere, ohnehin bereits angeschlagene PIIGS-Staaten könnten mit in den Abwärtsstrudel gerissen werden, weil die Anleger dann auch deren Anleihen meiden. Portugal ist vor wenigen Tagen ja bereits unter den EU-Rettungsschirm geschlüpft. Spätestens dann wird es auch für europäische Großbanken - inklusive der deutschen - wieder kritisch. Und nicht nur das: Sogar die EZB selbst müsste dann Nothilfen beanspruchen.
Der Weg zu einer neuerlichen Systemkrise mit gegenseitigem Misstrauen der Banken und einem Einfrieren des Interbankenhandels, weil keiner weiß, wer welche Risiken in der Bilanz hat, wäre dann nicht mehr weit.
Auch das ist ein Grund dafür, warum Anleger aktuell so vorsichtig sind und der Aktienmarkt unter Druck kommt. Der Markt mag keine Unsicherheit und Finanzminister Wolfgang Schäuble kündigte eine Entscheidung erst für Ende Juni 2011 an.
Die Phalanx bröckelt
In der Zwischenzeit zeigen sich in der EU bereits erste Auflösungserscheinungen. EU-Musterknaben in Punkto Finanzhaushalt, wie die Niederlande zum Beispiel, hauen auf den Tisch und wollen handfeste Sicherheiten für Kreditgarantien von Griechenland. "Sonst gibt es keinen Cent mehr aus den Niederlanden", erklärte Finanzminister Jan Kees de Jager gegenüber der Financial Times Deutschland.
Bei den geplanten Privatisierungen von in Staatsbesitz befindlichen griechischen Unternehmen, sollen die Firmen selbst in eine Treuhandgesellschaft nach deutschem Vorbild eingebracht werden. Nur dann taugten diese als Sicherheit für die Kredite, so de Jager.
Er findet deutliche Worte: "Weite Teile der griechischen Wirtschaft sind nicht nur sozialistisch, sondern fast kommunistisch organisiert." Und weiter: "Die Erhebung von Steuern ist immer noch mangelhaft, es gibt zuviel Bürokratie und Regulierung, zu viele Monopole und Korruption und der Arbeitsmarkt ist nicht flexibel genug."
Harter Tobak und die Frage ist, wie die sensiblen Griechen darauf reagieren. Der griechische Ministerpräsident Giorgos Papandreou bezeichnete die Forderung der EU-Finanzminister nach Garantien und Sicherheiten in Form von Staatsverkäufen von Unternehmen bereits als "beleidigend".
Was, wenn einer ausschert?
Das zeigt: Die Gangart wird rauer, der politische Druck höher - und zwar von beiden Seiten. Bei den "Geberländern", weil es die Leute satt haben, dass ihre Steuergelder auf diese Art und Weise verbrannt werden (wobei das genau genommen gar nicht stimmt, weil bisher ja noch kein Kreditausfall vorhanden ist).
Gleichzeitig wollen sich Regierung und Bevölkerung in den Schuldnerstaaten nicht länger Sparhaushalte und den demütigenden Verlust der Souveränität gefallen lassen.
Die große Gefahr und gleichzeitig das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, dass einer der Beteiligten ausschert und den gemeinsamen Kurs nicht mehr mitträgt. Auch das könnte eine verheerende Kettenreaktion in Gang setzen.
Doch bevor Sie jetzt alle in Panik ihre Aktien verkaufen: Es muss natürlich nicht so kommen und die Chancen, dass doch noch eine einvernehmliche Lösung für die Schuldenproblematik in den Euro-Peripheriestaaten gefunden wird, stehen nicht so schlecht.
Schlagwort Reprofiling
Das neue Schlagwort wurde von EZB-Präsident Jean-Claude Juncker ins Spiel gebracht. Es lautet Reprofiling. Gebräuchlich war dieser Begriff bisher nur im Zusammenhang mit der Uruguay-Krise im Jahr 2003. Das Land befand sich in Folge der Russland- und Südamerika-Krise in einer ähnlichen Situation wie Griechenland heute. Die Folgen eines Kapitalschnitts wären auch hier möglicherweise verheerend gewesen.
Tatsächlich gelang es dann aber über einen Anleihentausch, längere Laufzeiten, niedrigere Zinsen und einem geringen Schuldenschnitt die Gläubiger bei der Stange zu halten. Inzwischen gehört Uruguay wieder zu den solideren Ländern Südamerikas.
Ob das auch im Falle Griechenlands gelingt, ist jedoch fraglich. Die Lage verschärft sich zusehends. Nur noch bis Mitte Juli hat die Regierung genug Geld, um Löhne und Pensionen zu bezahlen. EU und Europäische Zentralbank fordern einen Konsens der Parteien über den Sparkurs. Tatsächlich sind diese aber angesichts der kaum lösbaren Probleme zerstrittener denn je. Das Land steht vor einer echten Zerreißprobe - die Finanzmärkte auch.
MEIN FAZIT:
- An den Märkten geht die Angst vor einem Wiederaufflammen der Finanzkrise um.
- Die Lage in Griechenland ist ernst, es besteht dringender Handlungsbedarf, damit überhaupt weiter Löhne und Pensionen an die Staatsangestellten bezahlt werden können.
- Das Beispiel Uruguay zeigt, dass die Probleme auch ohne Staatsinsolvenz lösbar sind, aber die Verhandlungen dürften zäh werden.
Die Lage an den Finanzmärkten dürfte weiter angespannt bleiben, da eine Lösung nicht vor Ende Juni in Sicht ist.
Armin Brack ist Chefredakteur des Geldanlage-Reports. Gratis anmelden unter: www.geldanlage-report.de. Der obige Text spiegelt die Meinung des jeweiligen Kolumnisten wider. Die finanzen.net GmbH übernimmt für dessen Richtigkeit keine Verantwortung und schließt jegliche Regressansprüche aus.