Zusammenschluss

Milliarden-Deal: Alstom will Bombardier-Zugsparte kaufen - Alstom-Aktie tiefer

18.02.20 17:57 Uhr

Milliarden-Deal: Alstom will Bombardier-Zugsparte kaufen - Alstom-Aktie tiefer | finanzen.net

Der französische TGV-Hersteller Alstom will die Zugsparte des kanadischen Konkurrenten Bombardier übernehmen.

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Dafür solle ein Preis in der Spanne von 5,8 Milliarden Euro bis 6,2 Milliarden Euro gezahlt werden, wie Alstom am Montagabend am Saint-Ouen-sur-Seine bei Paris mitteilte. Eine entsprechende Absichtserklärung ("Memorandum of Understanding") sei unterzeichnet worden.

Damit bahnt sich unter großen Zugherstellern aus der Not heraus ein neuer Zusammenschluss an. Das künftige Unternehmen käme auf einen Umsatz von gut 15 Milliarden Euro. Die Übernahme könnte jedoch auf erheblichen Widerstand der Kartellbehörden stoßen. Die Hürden für ein Zusammengehen sind hoch. Der TGV-Hersteller Alstom war erst vor einem Jahr an Bedenken der EU-Wettbewerbskommission mit dem Versuch gescheitert, mit Siemens Mobility zu fusionieren.

Bombardier ist in der Krise. Dessen Zugsparte sitzt in Berlin und beschäftigt in Deutschland Tausende Mitarbeiter. Die Transaktion wäre somit auch von großer Bedeutung für Deutschland. Von den insgesamt 40 650 Mitarbeitern, die laut dem Unternehmen zuletzt in 60 verschiedenen Ländern tätig waren, arbeiten nach Gewerkschaftsangaben rund 6500 Stammbeschäftigte in Deutschland. Hinzu kommen rund 1100 Leiharbeiter. Die größten Standorte sind Hennigsdorf, Görlitz und Bautzen. Auch in Mannheim, Kassel und Siegen sind jeweils mehrere Hundert Menschen beschäftigt. Kleinere Standorte bilden zudem Braunschweig und Frankfurt.

Die IG Metall geht davon aus, dass ein Zusammenschluss von Bombardier und Alstom kartellrechtlich so zu bewerten sei wie die von der EU-Kommission untersagte Fusion von Siemens und Alstom im vergangenen Jahr. Sollte es doch dazu kommen, werde die IG Metall keine einseitige Konsolidierung in Deutschland akzeptieren. Die Gewerkschaft forderte die Bundesregierung auf, sich aktiv in die Gespräche von Bombardier und Alstom einzuschalten.

Die bundeseigene Deutsche Bahn sei ein Großkunde der Branche. Die Bundesregierung habe deshalb die Pflicht, industriepolitische Maßnahmen im Sinne der Beschäftigten zu ergreifen und die industrielle Basis zu sichern. Die Konzernzentrale von Bombardier in Kanada und die deutsche Geschäftsführung müssten "jetzt die Karten auf den Tisch legen und Klarheit für die Beschäftigten und die Standorte schaffen", forderte die IG Metall weiter.

Frankreichs Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire will mit der EU-Kommission über die Übernahme beraten. Ein Gespräch mit EU-Kommissions-Vizepräsidentin Margrethe Vestager sei bereits am (morgigen) Dienstag geplant, teilte Le Maire in Paris mit. Er begrüßte ausdrücklich den beabsichtigten transatlantischen Deal: "Das ist eine hervorragende Nachricht für Frankreich, für Europa und für Kanada."

Alstom war erst vor einem Jahr an Bedenken der EU-Kommission mit dem Versuch gescheitert, mit der Zugsparte von Siemens zu fusionieren. Siemens und Alstom wollten im Bahnbereich fusionieren, um im globalen Wettbewerb besser aufgestellt zu sein. Die beiden Schwergewichte nahmen dabei vor allem den weltweit größten Zughersteller aus China, CRRC, ins Visier.

Mit der Übernahme erhöht Alstom nach eigenen Angaben seinen Auftragsbestand auf 75 Milliarden Euro und werde einen Umsatz von rund 15,5 Milliarden haben. Alstom will den Kaufpreis in bar und in Aktien zahlen. Alstom-Chef Henri Poupart-Lafarge sprach von einer "einzigartigen Gelegenheit, unsere globale Position auf dem boomenden Mobilitätsmarkt zu stärken". Bombardier Transportation werde Alstom eine zusätzliche geografische und industrielle Präsenz in wachsenden Märkten sowie weitere technologische Plattformen bieten.

Bisher konkurrieren Alstom und Bombardier in vielen Bereichen. So baut Alstom etwa die französischen TGV-Hochgeschwindigkeitszüge, Regionalzüge, Metros und Straßenbahnen, bietet aber auch technische Lösungen für Schienen- und Signaltechnik an. Bombardier ist mit seinen Zefiro-Hochgeschwindigkeitszügen in China und Italien im Geschäft. Auch Schienen- und Signaltechnik, Regionalzüge sowie U- und Straßenbahnen kommen von dem kanadisch-deutschen Hersteller, der auch an den ICE-Zügen von Siemens mitarbeitet.

Ärger gab es zuletzt mit den neuen Intercity-Zügen von Bombardier. Die Deutsche Bahn gab Ende Januar bekannt, dass sie 25 Exemplare wegen technischer Mängel nicht abnehmen werde. Auch beim Flaggschiff ICE 4 gab es Produktionsmängel, Siemens verwies bei dem Fehler ebenfalls auf Bombardier.

Bombardier ist finanziell schwer angeschlagen. Um zu Geld zu kommen, stieg der Konzern vergangene Woche bereits bei dem gemeinsam mit Airbus gebauten Kurz- und Mittelstreckenjet Airbus A220 aus. Die Kanadier hatten den Flieger unter dem Namen Bombardier C-Serie für mehr als sechs Milliarden US-Dollar selbst entwickelt, sich dabei aber finanziell verhoben. Die Bombardier-Führung suchte nach weiteren Möglichkeiten, den Schuldenberg des Konzerns abzutragen. Insgesamt bringt es der in Montreal ansässige Mutterkonzern Bombardier auf mehr als 68 000 Mitarbeiter.

Im Pariser Handel am Dienstag gab die Alstom-Aktie in Paris letztlich 3,18 Prozent ab auf 48,70 Euro.

Alstom-Chef zuversichtlich vor Brüsseler Wettbewerbsprüfung

Alstom-Chef Henri Poupart-Lafarge zeigt sich optimistisch, dass die Brüsseler Wettbewerbshüter die geplante Übernahme des Bombardier-Zuggeschäfts billigen. Der Deal mit den Kanadiern unterscheide sich deutlich von einem früher geplanten Zusammenschluss mit der Siemens-Zugsparte, sagte der Topmanager am Montagabend in einer Telefonkonferenz in Saint-Ouen bei Paris. "Wir sind zuversichtlich."

Die Übernahme sei eine "neue, historische Etappe im Leben unseres Konzerns", sagte Poupart-Lafarge. Die Zugsparte vom Bombardier brauche aber wegen der Schwierigkeiten der kanadischen Gruppe zunächst "Stabilität".

Er verwies darauf, dass Bombardier sowohl bei den Signalanlagen als auch bei den Hochgeschwindigkeitszügen deutlich schwächer sei als Alstom. Alstom und Bombardier ergänzten sich. So sei Alstom in Südeuropa stärker, während Bombardier in nordeuropäischen Ländern seinen Schwerpunkt habe.

Poupart-Lafarge sagte, das Ziel der Übernahme sei keine Restrukturierung der Unternehmen. "Die Fusion ist offensiv, nicht defensiv." Das Bahngeschäft sei in voller Expansion. Es könne jedoch in einzelnen Fabriken zu "Anpassungen" kommen, Details dazu nannte er nicht.

Die Übernahme soll laut Alstom im ersten Halbjahr kommenden Jahres abgeschlossen werden. Der kanadische Finanzinvestor und bisherige wichtige Bombardier-Anteilseigner Caisse de dêpot et placement de Québec (CDPQ) werde künftig mit einem Anteil von rund 18 Prozent größer Einzelaktionär von Alstom sein.

Bombardier begrüßt Alstom-Plan für Übernahme der Zugsparte

"Wir begrüßen diese Ankündigung", sagte der Präsident von Bombardier Transportation, Danny Di Perna, am Dienstag in Berlin. Es gebe eine Vereinbarung "über die potenzielle Übernahme unserer globalen Aktivitäten durch Alstom". Di Perna sprach von einer großen geografischen und produktbezogenen Ergänzung. So könne die Kapazität erhöht werden, "um auf die weltweit wachsende Nachfrage nach Schienenfahrzeugen zu reagieren".

Die Zugsparte von Bombardier hat ihren Sitz in Berlin. Von 40 650 Mitarbeitern, die laut Unternehmen zuletzt in 60 Ländern tätig waren, arbeiten nach Gewerkschaftsangaben rund 6500 Stammbeschäftigte in Deutschland. Hinzu kommen rund 1100 Leiharbeiter. Alstom wiederum betreibt in Salzgitter sein größtes Werk überhaupt.

/stw/jha/

SAINT-OUEN-SUR-SEINE/MONTREAL (dpa-AFX)

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