Zusammenarbeit nötig

Scholz, IWF und WTO warnen vor Deglobalisierung und Protektionismus

29.11.22 20:42 Uhr

Scholz, IWF und WTO warnen vor Deglobalisierung und Protektionismus | finanzen.net

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Spitzen führender globaler Finanz- und Wirtschaftsorganisationen haben gemeinsam vor einem Ende der Globalisierung und dem Aufbrechen des Welthandels in Blöcke gewarnt.

Nötig sei eine enge Zusammenarbeit der internationalen Organisationen, wie Scholz nach einem Treffen in Berlin erklärte. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF) warnte zudem, dass die Hälfte der Europäischen Union aufgrund der wirtschaftlichen Folgen des russischen Angriffskriegs in der Ukraine in eine Rezession schlittern werde.

Scholz sagte nach dem Treffen im Kanzleramt, dass der Multilateralismus in der aktuellen Zeit vor sehr großen Herausforderungen stehe. Man könne den Herausforderungen nur gemeinsam begegnen. Denn die Welt kämpfe mit steigenden Preisen, mit der Energie- und Ernährungssicherheit und mit schlechteren wirtschaftlichen Wachstumsperspektiven.

"Wichtig ist auch, dass wir aber in dieser Situation nicht in alte Fehler zurückfallen. Es ist ganz klar, dass wir Schwierigkeiten haben, was Lieferketten betrifft. Aber Deglobalisierung, ein Decoupling, Protektionismus sind keine Lösung. Darüber sind wir uns auch alle einig", so Scholz. "Was wir brauchen ist eine smarte Globalisierung, in der wir die Resilienzen stärken, in der wir Abhängigkeiten reduzieren" und mehr Staaten ermöglichen, an dem globalen Austausch teilzuhaben.

Warnung vor Aufbrechen des Welthandels in Blöcke

Die Chefin der Welthandelsorganisation (WTO), Ngozi Okonjo-Iweala, warnte auf der gemeinsamen Pressekonferenz mit Scholz, dass ein Aufbrechen des Welthandels "große Störungen" hervorrufen würde.

"Wenn wir uns in zwei Handelsblöcke aufbrechen, dann kostet es. Es führt zu einem Verlust von globalen BIP von 5 Prozent. Das ist massiv. Und für Entwicklungsländer und Schwellenländer wären die Kosten noch viel höher", sagte sie.

IWF-Direktorin Kristalina Georgieva betonte zudem, dass man die globalen Lieferketten zwar diversifizieren sollte. Aber dabei sollte man behutsam vorgehen, um nicht den Welthandel zu schädigen. "Schütten Sie nicht das Kind mit dem Badewasser aus", so Georgieva. Man sollte nicht den Stecker ziehen beim Handel, der es allen besser gehen lasse.

IWF sieht Hälfte der EU auf Weg in Rezession

Mit Blick auf die Europäische Union sagte Georgieva, dass aufgrund der Nähe Europas zu Russlands Krieg in der Ukraine die ökonomischen Auswirkungen groß seien.

"Deshalb wird die Hälfte der EU in eine Rezession schlittern. der Kampf gegen diese Entwicklung ist sehr kompliziert aufgrund einer sehr störrischen Inflation", so Georgieva laut der Übersetzung des Bundespressamts. Sie betonte, der IWF erwarte, dass die Inflation "anhalten" werde, aber hoffentlich dann abnehmen werde. Für 2023 sage der IWF eine globale Inflation von 6,5 Prozent voraus.

Sie forderte angesichts dieser Situation die Zentralbanken dazu auf, "auf Kurs zu bleiben, so dass wir die Preisstabilität wieder herstellen können und auch die ärmsten Menschen schützen können, die am stärksten von hoher Inflation betroffen sind."

Die IWF-Chefin betonte - wie auch der Generalsekretär der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), Mathias Cormann, - dass ein Ende des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine die Weltwirtschaft stärken würde.

"Wenn Russland den Krieg beenden würde, hätten wir damit den positivsten Effekt und das würde dazu führen, dass die Weltwirtschaft wieder auf Kurs gerät", sagte Georgieva.

IWF sieht Abwärtsrisiken für China

Mit Blick auf China sagte die IWF-Chefin, dass es dort aufgrund dessen Covid-Strategie und der Probleme auf dem Immobiliensektor Abwärtsrisiken für die Wachstumsprognose des IWF gebe.

"China hat fiskalischen Spielraum, um die Wirtschaft anzukurbeln und Druck abzuwehren, der dazu führen würde, dass sich das Wachstum weiter verlangsamen würde. China überprüft auch die Null-Covid-Politik, um gezielter auf Covid-Fälle reagieren zu können", sagte sie. So könnte es weniger Störungen in der chinesischen Wirtschaft und weniger Auswirkungen auf andere Regionen geben. Der IWF habe das unterstützt.

Scholz lobt Vereinbarung zu Gas mit Katar

Scholz erklärte zudem auf der Pressekonferenz, dass er "sehr froh" sei über die Vereinbarung über die Lieferung von Flüssiggas aus Katar nach Deutschland.

"Es sind langfristige Verträge. Das ist auch die gute Aussage für die Energieversorgungssicherheit Deutschlands. Wir werden insgesamt dafür sorgen, dass wir sehr viele unterschiedliche Länder haben, die unsere Energieversorgung gewährleisten, über die verschiedenen Strukturen", so Scholz. "Insofern bin ich sehr zuversichtlich, dass das ein weiterer, wichtiger Baustein ist an einem Haus, das wir ziemlich weitgehend schon errichtet haben."

BERLIN (Dow Jones)

Bildquellen: Thomas Northcut/Getty Images, Christian Zachariasen/Getty Images