Zugewinn an Know-how

Gigacasting-Verfahren im Fokus: General Motors übernimmt Tesla-Lieferant TEI - Wettbewerbsvorteil für GM?

20.11.23 23:29 Uhr

Gigacasting-Verfahren im Fokus: General Motors übernimmt Tesla-Lieferant TEI - Wettbewerbsvorteil für GM? | finanzen.net

Ein Deal, der vom Markt vielleicht weitgehend unentdeckt blieb, könnte General Motors helfen, gegenüber Konkurrent Tesla Boden gutzumachen.

Werte in diesem Artikel

• GM hat Tooling & Equipment International (TEI) übernommen
• TEI war zuvor einer von vier Gussspezialisten von Tesla
• General Motors dürfte so an wichtiges Know-how gelangt sein



General Motors übernimmt Gussspezialist

Wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, hat der US-Autobauer General Motors das weniger bekannte Unternehmen Tooling & Equipment International übernommen. Das Unternehmen bezeichnet sich selbst als weltweit führenden "Anbieter in Design, Konstruktion und Herstellung von Prototypen-, Vorserien- und Massenproduktionsgeräten für die Gussindustrie" und war laut Reuters einer der Gussspezialisten, die US-Elektroautobauer Tesla geholfen haben, die Entwicklung seiner Gigagussformen zu beschleunigen und komplexere Komponenten zu gießen.

"General Motors hat Tooling & Equipment International (TEI) übernommen, um sein Innovationsportfolio zu stärken und sich den Zugang zu einzigartiger Gusstechnologie zu sichern", so GM gegenüber Reuters, während Tesla und TEI-Präsident Oliver Johnson nicht auf Anfragen nach Kommentaren antworteten.

Gigacasting-Technologie

Mit Teslas Gigacasting-Verfahren können große Auto-Karosserieteile in einem Stück gegossen und am Ende zusammengefügt werden, während die anderen Fahrzeugteile parallel hergestellt werden. So soll Zeit und Geld gespart werden.

Nachdem zunächst nur Front- und Heckrahmen auf diese Art und Weise produziert wurden, wurde bereits im September berichtet, dass Tesla einen Durchbruch bei der Weiterentwicklung seines Gigacasting-Verfahrens erzielt habe, sodass künftig auch fast der gesamte komplexe Fahrzeug-Unterboden in einem Guss hergestellt werden könne.

Musk erhofft sich, so die Montagekosten der nächsten Fahrzeuggeneration um die Hälfte senken zu können und seinem Ziel von einem "Billig-Tesla" für 25.000 US-Dollar näher zu kommen.

Ermöglicht wurde diese Gigacasting-Technologie laut Reuters teilweise von TEI und drei weiteren von Tesla eingesetzten Lieferanten. Die Arbeit dieser vier Firmen sei ein wesentlicher Grund dafür gewesen, dass der Musk-Konzern inzwischen ein Auto von Grund auf in 1,5 bis 2 Jahren entwickeln könne, während ein Großteil der Konkurrenz 3 bis 4 Jahre benötige.

GM sieht Wettbewerbsvorteil

Wie Reuters unter Berufung auf eine direkt informierte Quelle berichtet, wurde Tooling & Equipment International bereits am 1. Juli offiziell Teil von General Motors‘ Global Manufacturing-Abteilung. Dabei bleibe TEI laut GM "eine eigene Geschäftseinheit mit GM als Muttergesellschaft". Zwei von vier mit der Transaktion vertrauten Personen verlauteten Reuters zufolge, dass GM weniger als 100 Millionen US-Dollar für TEI gezahlt habe, eine der Personen habe geschätzt, dass es höchstens 80 Millionen US-Dollar gewesen seien.

Mit der Übernahme dürfte General Motors einen Vorstoß starten, seine Fahrzeuge günstiger und effizienter herzustellen und so unter anderem auch zu Konkurrent Tesla aufzuholen. "Die Eingliederung von TEI in das GM-Unternehmen baut auf der jahrzehntelangen Gusserfahrung des Unternehmens auf und bietet einen Wettbewerbsvorteil mit strategischen Gussteilen für zukünftige Kleinserienprodukte wie den Cadillac Celestiq", zitiert Reuters aus der GM-Erklärung.

Bezüglich des Cadillac Celestiq, einer exklusiven Elektro-Limousine, habe sich General Motors bereits um 2021 an TEI gewandt, um einige Unterbodengussteile zu testen und zu produzieren. Für diese Celestiq-Gussteile wurde TEI in diesem Jahr von der American Foundry Society mit dem Casting of the Year-Award ausgezeichnet. Somit dürfte General Motors, wie Reuters berichtet, bereits eine Ahnung davon gehabt haben, welchen Zugewinn an Know-how das Unternehmen durch die Übernahme von Tooling & Equipment International erhalten dürfte, als das Unternehmen vergangenes Jahr zum Verkauf angeboten worden sei.

Tesla auf der Suche nach Ersatz

Nachdem Tesla TEI als Gigacasting-Lieferanten verloren habe, konzentriere sich der US-Elektroautobauer laut Reuters‘ Quellen nun stärker auf die drei anderen Gussspezialisten, die eingesetzt werden, um Millionen günstigerer Elektrofahrzeuge zu produzieren.

Parallel versuche der Musk-Konzern, einen anderen Sandgussspezialisten als Ersatz für TEI zu finden, oder gar das nötige Know-how im eigenen Unternehmen anzusiedeln, wodurch die Abhängigkeit von externen Lieferanten reduziert werden könnte.

Weitere Autobauer springen auf Gigacasting-Zug auf

Nicht nur General Motors versucht zu Tesla mit seiner effizienten Fertigung aufzuholen, indem es auf das Aluminium-Druckgussverfahren setzt. Auch Ford, Toyota, Hyundai und, wie zuletzt bekannt wurde, Volvo setzen auf das Gigacasting-Verfahren.

Laut auto motor und sport habe Toyota das Gussverfahren bereits im Sommer 2023 im Werk Myochi anhand eines Hinterwagens demonstriert.

Derweil zählt der italienische Tesla-Zulieferer Idra, wie Reuters berichtet, inzwischen auch Ford und Hyundai zu seinem Kundenstamm. Daneben habe das Unternehmen laut Manufacturing.net einen Auftrag von Volvo Cars zur Installation von zwei seiner Maschinen im neuen Werk in der Slowakei erhalten.

James Womack, ehemaliger Forschungsdirektor am MIT, glaubt, dass Musks Gigacasting-Technologie die alte Automobilindustrie schockte und die Konkurrenz aufrüttelte, berichtet Reuters. "Es hat sogar Toyota - den derzeit besten Hersteller der Branche - dazu gebracht, Gigacasting und andere Innovationen von Tesla anzunehmen", so Womack. Seiner Meinung nach sei der Wettbewerb um noch mehr Effizienz noch lange nicht vorbei. "Gigacasting und Unboxed sind Experimente wert, aber Spitzentechnologien brauchen fast immer mehr Zeit als ursprünglich geplant, bis sie ausgereift sind, und einige Experimente werden scheitern", gibt Reuters Womack wieder.

Redaktion finanzen.net

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