Politische Entscheidungen: Die Geldanlage bleibt anspruchsvoll

Die Bereitschaft der Banken hat abgenommen, die Belastungen der Negativzinsen alleine zu tragen. Aus der weiteren Leitzinssenkung der EZB können sich also Strafzinsen für Bürger entwickeln.
Die Europäische Zentralbank hat ein Maßnahmenpaket aus Leitzinssenkung, Staffelzins und neuen Anleihenkäufen angekündigt, um ein starkes Signal zu senden. Daher stellen sich viele Fragen für Anleger, beispielsweise: Drohen jetzt auf breiter Front Strafzinsen für Bürger? Das ist nicht leicht zu beantworten, aber: Die Bereitschaft der Banken hat abgenommen, die Belastungen der Negativzinsen alleine zu tragen. Die Gefahr eines Bank-Run wäre dann zwar allgegenwärtig, aber die EZB hat immerhin die Möglichkeit, Freibeträge für Kreditinstitute zu installieren - die Schweiz und Japan können hier als Vorbild dienen.
Parallel lässt sich auch eine andere Entwicklung beobachten: Es kursieren schon seit Monaten die Überlegungen, die Haltung von Bargeld unattraktiver zu gestalten. Das einfachste Mittel wäre eine Umtauschgebühr vom Buchgeld zum Bargeld. Die EZB-Chefin Christine Lagarde will, dass die Notenbanken das Bargeld abschaffen, um digitale Währungen einzuführen. Schon vergangenen November stellte sie in einer Rede vor den versammelten Fintech-Weltspitzen der die Nutzung von Bargeld infrage und unterstützte die Einführung von digitalen Währungen durch die Notenbanken: "Ein staatlich abgesicherter Token oder ein Konto, das direkt bei der Notenbank geführt wird und Personen und Unternehmen für Zahlungen an Privatkunden zur Verfügung steht - warum nicht?" Schweden und Estland sind bereits auf dem Weg zur bargeldlosen Wirtschaft.
Als Alternative wird die Entkopplung des Bargelds vom Giralgeld diskutiert, um damit Bargeld als eine Art "Parallelwährung" zu behandeln. Es geht nicht darum, die Eins zu Eins-Parität zwischen Bargeld und Giralgeld aufzugeben, sondern vielmehr sie auch bei Negativzins aufrecht zu erhalten durch Erhebung eines Umtauschzinses auf Bargeld. Dieser Strafzins würde zum Beispiel erhoben, wenn Bargeld von einem Konto abgehoben wird. Dieser Weg könnte derart gestaltet werden, dass Cash so unattraktiv wie die Bankeinlage ist.
Infolge dieser Entwicklung verliert das Sparbuch weiter an Wert. Bei einer aktuellen Inflation von einem Prozent und einer angenommenen Verwahrgebühr von -0,5 Prozent ergibt sich ein jährlicher Verlust von 1,5 Prozent auf dem Sparbuch. Nach zehn Jahren beträgt der sichere Verlust fast 15 Prozent. Das bedeutet: Tages- und Festgeld sind de facto Geschichte!
Eigentlich gilt der gleiche Befund auch für Anleiheninvestments - die Zeit des sicheren Hafens ist vorüber. Alle Prognosen der vergangenen Jahre, die das Platzen der vermeintlichen Rentenblase vorhergesagt hatten, sind ins Leere gelaufen. Es ist vielmehr das exakte Gegenteil eingetreten: Die Blase ist noch größer geworden. Ein Beispiel. Die 30-jährige Bundesanleihe (WKN 110243) ist in den letzten zwölf Monaten im Kurs mehr als 30 Prozent gestiegen. Die weltweiten Aktienindizes weisen im gleichen Zeitraum aber kaum Kursgewinne aus. Dass der Anleihenbereich noch immer einen sicheren Hafen darstellen soll, fällt also unlängst in den Bereich Mythos. Hier müssen sich die Anleger gezielt über das Chance-/Risiko-Profil der Investments aufklären lassen, am besten von unabhängigen Beratern.
Eine weitere Konsequenz der rigiden Geldpolitik sind übrigens kurzfristig sich verteuernde Bankdienstleistungen: Die Institute müssen wegfallende Zinsgewinne kompensieren. Auf der anderen Seite kann die Zukunft bei Finanzierungen interessante Gestaltungsspielräume öffnen. Die Aussage "Bei Null ist Schluss" wird bei Immobiliendarlehen mehr und mehr ihre Gültigkeit verlieren. Selbst der Vorstand der Bundesbank kann sich Negativzinsen auf Immobiliendarlehen vorstellen. Bei einer weiteren negativen Ausweitung des Einlagenzins kann es sogar für eine Bank betriebswirtschaftlich Sinn ergeben, Darlehen mit einem negativen Zins zu vergeben.
Kurz gesagt ist die gesamte Welt der Banken und Geldanlage stark in Bewegung. Anleger sind gefragt, alle Entwicklung genau zu beobachten und die richtigen Schlüsse für die eigenen Entscheidungen daraus zu ziehen. Eine gilt aber: Die Geldanlage bleibt anspruchsvoll!
Von Sebastian Gebhardt, Vermögensverwalter bei I.C.M. Independent Capital Management in Neuss
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