DAX im turbulenten Achterbahn-Modus
DAX-Investoren fahren seit Jahresbeginn Achterbahn. Bei einem historisch rekordverdächtigen Fehlstart verloren Deutschlands Aktienindices DAX und MDAX in wenigen Wochen kräftig.
Ein weiterhin dramatisch fallender Ölpreis, zunehmende Konjunktursorgen in China, eine völlig konfuse EU-Flüchtlingspolitik und ein anstehendes Memorandum zum potenziellen EU-Ausstieg Englands (Brexit) verunsicherten die Anleger und ließen den DAX bis unter 8.700 Punkte fallen.
Winterschluss - was hat zu dem Aktien- Ausverkauf geführt?
Der angebotsbedingt starke Rückgang des Ölpreises hat für Industrie und Konsumenten viele Vorteile. Für Ölproduzenten jedoch dramatische Nachteile. Die Ölfirmen leiden unter enormen Gewinneinbrüchen. In den Haushalten ölpreisabhängiger Länder wie Venezuela klaffen milliardenschwere Finanzlöcher. Für 2016 erwartet etwa Saudi-Arabien ein Haushaltsdefizit von rund 40 Prozent! (80 Mrd. EUR). Nach Berechnungen des IWF benötigt das saudische Königreich einen Ölpreis von 82 Dollar je Barrel, um den Staatshaushalt auszugleichen. Russlands Wirtschaft leidet gleich doppelt: unter dem Wirtschaftsembargo und unter dem niedrigen Ölpreis.Sämtliche Frühindikatoren aus China dokumentieren eine nachlassende Wachstumsdynamik. Außerdem befindet sich der Yuan gegenüber dem US-Dollar weiterhin im Rückwärtsgang und die Devisenreserven schmelzen dahin. Kritische Faktoren bleiben der Immobiliensektor und die Verschuldung der chinesischen Schattenbanken.
Stritten sich in der ersten Jahreshälfte 2015 die EU-Partnerstaaten nur über eine gerechte Verteilung der erforderlichen Finanzmittel für Griechenland, mutiert die derzeitige Flüchtlingssituation zur Zerreißprobe eines gemeinsamen Europas. Darüber hinaus verhandelte Englands Premier Cameron eine politische Extrawurst und lässt seine Bürger demnächst über den weiteren EU- Verbleib abstimmen.
Diese Unsicherheitsfaktoren belasten vor allem die Unternehmen und Aktien des Exportweltmeisters Deutschland. Mittlerweile konnte der DAX die Hälfte seines Verlustes wieder aufholen und nähert sich ängstlich der 10.000-Punktemarke. Unsere Erwartung zu Jahresbeginn, dass die Schwankungen in 2016 ausufern werden, hat sich bewahrheitet. Eine Situation, die Anleger und Verwalter vor große Herausforderungen stellt.
Von Negativzinsen und Rekorddividenden
Durch den Kursverfall haben sich die Bewertungen deutscher Aktien stark verbilligt. Gleichzeitig erhöhen die Unternehmen ihre Dividenden teilweise kräftig. Insgesamt werden in diesem Jahr 38 Mrd. EUR an Dividenden ausgeschüttet. Willkommen in der Welt der Negativzinsen! Nach einer aktuellen Commerzbank-Studie rentieren mittlerweile 78 Prozent aller deutschen Staatsanleihen negativ. Selbst für neunjährige Laufzeiten zahlen Anleger "Parkgebühren". Banken bekommen seit Neuestem bei der Europäischen Zentralbank (EZB) Strafzinsen von 0,4 Prozent aufgebrummt und geben diese bereits seit geraumer Zeit an Firmen, Fonds und Großanleger weiter.Zuletzt berichtete die EZB über die Ausweitung der Anleihenkäufe um 20 Mrd. Euro auf 80 Mrd. Euro pro Monat. Außerdem werden erstmals Unternehmensanleihen aufgekauft, eine weitere Initiative zur Zielerreichung einer zweiprozentigen Inflationsrate. Dies befeuert den aktuellen Anlagenotstand für alle privaten Investoren, sowie für Pensionskassen und Versicherungen im Besonderen. Der bayerische Volks- und Raiffeisen- Bankverband schließt Negativzinsen für Privatanleger auch nicht mehr aus.
Deutsche Unternehmen waren lange Zeit Gewinner der Globalisierung. Immerhin werden rund zwei Drittel der deutschen Produkte im Ausland abgesetzt. Seit Jahresanfang steht aber die Finanzwelt Kopf. Viele Anleger befürchten ein Ende des China-Booms sowie generell eine schwächere Weltwirtschaft in einem relativ reifen Wirtschaftszyklus. Immerhin sind seit der Lehmann-Pleite schon über sieben Jahre vergangen. Aus keinem anderen Industrieland zogen Investoren zuletzt so rasch Kapital ab wie aus Deutschland. Internationale Staatsfonds sollen auch schon Aktienpositionen liquidiert haben. Der deutsche Aktienmarkt bietet auf Grund seiner Liquidität institutionellen Anlegern eine attraktive Verkaufsmöglichkeit.
Allerdings tritt China in Europa mittlerweile verstärkt als strategischer Investor auf. Chinesische Firmen und Fonds investierten neben Syngenta in der Schweiz in die Privatbank Hauck Aufhäuser und in die Firmen Krauss Maffei, EEW, Putzmeister und Manz. Diese Investments von chinesischen teilweise halbstaatlichen Investoren werden nach unserer Auffassung zukünftig weiter zunehmen, bis hin zur Vollübernahme einzelner Gesellschaften.
Für den Anleger: DAX-Investoren stehen derzeit nicht auf der Sonnenseite der Finanzmärkte. Die Stimmung an den Märkten ist wesentlich schlechter als die aktuelle Wirtschaftslage. Die derzeitigen Aktienkurse würden eine Wirtschaftskrise rechtfertigen, die es unseres Erachtens nicht geben wird. Somit können die aktuellen DAX- und MDAX- Kurse für mittelfristig anlegende Investoren eine attraktive Anlagechance bieten. Dividendenjäger sollten in diesem Jahr mit einer Dividendenrendite von rund 4 Prozent auf ihre Kosten kommen. Aufgrund der weltweit eingetrübten Konjunktur sowie einer unverändert ungeklärten politischen Situation in und um Europa reduzieren wir unser Kursziel für den DAX zum Jahresende 2016 von 11.900 auf 11.000 Punkte. Vom derzeitigen Kursniveau somit eine Kurschance von mehr als zehn Prozent. Allerdings rechnen wir nicht mit einer linearen Entwicklung. Es sind auch zwischenzeitlich stärkere Korrekturen möglich, ein DAX-Stand von 8.400 Punkten ist nicht auszuschließen.
Von Burkhard Wagner, Vorstand der PARTNERS VermögensManagement AG in München
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Bildquellen: Julian Mezger für Finanzen Verlag