Ukraine-Krieg

Scharfe Sanktionen: Droht Russland ein Staatsbankrott? - Wie Anleger versuchen aus der Situation Profit zu schlagen

19.04.22 23:00 Uhr

Scharfe Sanktionen: Droht Russland ein Staatsbankrott? - Wie Anleger versuchen aus der Situation Profit zu schlagen | finanzen.net

Im März konnte Russland eine drohende Staatspleite zunächst abwenden. Wenn es nach Experten geht, könnte es über kurz oder lang dennoch zu einem Zahlungsausfall kommen. Einige Anleger versuchen von günstigen Kaufgelegenheiten bei russischen Anleihen zu profitieren.

• Westliche Sanktionen sollen dazu beitragen, dass Russland die Fremdwährungen ausgehen
• Russland kann Staatspleite zunächst abwenden - Risiko bleibt dennoch
• Manche Anleger versuchen aus der Situation Profit zu schlagen



Droht Russland der Staatsbankrott?

Nach Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine hat der Westen harte Sanktionen gegen Russland verhängt und diese seither weiter verschärft. Wie die "Neue Zürcher Zeitung" berichtet, habe Washington es Russland unmöglich gemacht, seine Gläubiger über Dollarbestände bei amerikanischen Banken zu bezahlen, womit Russland eigentlich nur noch die Möglichkeit bleibe, seine Coupon-Zahlungen aus Dollarbeständen im Inland oder aus den Einnahmen aus dem Rohstoffgeschäft zu decken, um einen Zahlungsausfall zu vermeiden. Dies solle dazu beitragen, dass Russland die Fremdwährungen früher oder später ausgehen. Das russische Finanzministerium hat sich allerdings für eine eigene Variante entschieden und tätigte ausstehende Coupon-Zahlungen in Rubel und nicht wie vorgesehen in Dollar. So gelang es Russland im März ein zweites Mal, eine Staatspleite zunächst abzuwenden.

Laut NZZ dürfte ein solches Vorgehen nach Ansicht von Beobachtern früher oder später dennoch zu einem formellen Zahlungsausfall führen. Auch der Präsident des Berliner DIW-Instituts, Marcel Fratzscher, erklärte, wie die Deutsche Presse-Agentur im März berichtete, dass er eine Staatsschuldenpleite Russlands in den kommenden Monaten für sehr wahrscheinlich halte. "Ich befürchte eine Ausweitung des Konflikts auf das globale Finanzsystem, bei dem Russland und seine Partner versuchen werden, Verwerfungen zu verursachen, um der Wirtschaft des Westens zu schaden", so Fratzscher. Der DIW-Präsident erklärte, dass auch deutsche Investoren - darunter einige Banken - unter einer russischen Staatspleite leiden würden. Fratzschers größte Sorge gelte jedoch dem Geldmarkt in der Eurozone, wo die russische Zentralbank und russische Privatbanken eine wichtige Rolle für die Liquidität spielten. "Ich erwarte, dass die Europäische Zentralbank ihre Liquiditätsvergabe ausweiten und die Finanzierungsbedingungen wieder verbessern wird, um Verwerfungen zu vermeiden", zitiert dpa Fratzscher, der darauf hinweist, dass so wegen des Krieges vor allem in Europa mit einer erneut expansiveren Geldpolitik zu rechnen sei.

Derweil stufte die US-Ratingagentur Standard & Poors, neu S&P Global Ratings, wie dpa berichtet, kürzlich die Kreditwürdigkeit Russlands erneut herunter auf "Selective Default", womit ein teilweiser Zahlungsausfall gekennzeichnet werde. Als Begründung habe S&P laut tagesschau.de angegeben, dass man nicht erwarte, dass die Anleihegläubiger die Rubel-Zahlung in einen adäquaten Dollar-Betrag umtauschen könnten. Des Weiteren sei nicht zu erwarten, dass die russische Regierung eine verbleibende Frist von 30 Tagen noch nutze, um Dollar-Zahlungen zu leisten, während künftige Sanktionen Russlands Fähigkeit, seinen Verpflichtungen gegenüber den ausländischen Gläubigern nachzukommen, weiter behindern würden. Mit der Abstufung habe S&P, wie dpa berichtet, die Bewertung der russischen Kreditwürdigkeit zudem eingestellt, da Sanktionen der EU es den Agenturen verböten, die Kreditwürdigkeit Russlands künftig zu bewerten.

Einige Anleger versuchen aus der Situation Profit zu schlagen

Indes kündigte Russland, angesichts der Wirtschaftssanktionen wegen des Ukraine-Kriegs, an, im Jahresverlauf keine Staatsanleihen mehr zu begeben. So habe der russische Wirtschaftsminister Anton Siluanow gegenüber der Tageszeitung "Iswestija" erklärt, dass die Einnahmen unter anderem aus dem Verkauf von Öl und Gas ausreichten, um die laufenden Ausgaben des Staates zu decken. Experten zweifelten laut tagesschau.de angesichts der aktuellen Risiken jedoch ohnehin daran, dass überhaupt ein Interesse ausländischer Investoren an russischen Staatsanleihen bestünde.

Doch seit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine soll es trotz der Sanktionen des Westens weiterhin Marktteilnehmer geben, die versuchen aus der Situation Profit zu schlagen.

So berichtete "Bloomberg" Anfang März davon, dass JPMorgan-Strategen ihren Kunden empfohlen haben, ihre Positionen in einigen mit Russland verbundenen Unternehmensanleihen zu erhöhen - und das obwohl die USA und ihre Verbündeten zu diesem Zeitpunkt bereits Sanktionen verhängt hatten, um Investitionen in einige russische Vermögenswerte einzuschränken. Dies habe gezeigt, wie die Wall Street von einer Kaufgelegenheit profitierte, die sich aus dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine ergebe.

Der britische Unternehmer Bill Browder ist damit auch schon konfrontiert worden. Er leitete mit seiner Fondsgesellschaft Hermitage Capital Investment einst einen der größten Hedgefonds in Russland - bis ihn der russische Präsident Wladimir Putin 2005 aufgrund seiner öffentlichen Kämpfe gegen Unternehmenskorruption, mit der Begründung eine "Gefahr für die nationale Sicherheit" zu sein, aus dem Land werfen ließ - und ist inzwischen einer der größten Kritiker des Kremls.

Anfang März schrieb Browder auf Twitter, dass er viele Anrufe alter Bekannter aus der Hedgefonds-Branche erhalte, die ihn fragten, ob sie kollabierte russische Aktien und Anleihen kaufen sollten. Er schrieb: "Meine Antwort: Das ist, als würde man fragen, ob man während des Holocausts deutsche Aktien kaufen solle. Habt etwas Anstand".

Es scheint jedoch tatsächlich einige Anleger zu geben, die genau das tun, wovon Browder abrät. Bloomberg hat laut NZZ erst kürzlich über Anleger berichtet, die russische Staatsanleihen zum Spottpreis kaufen und diese dann mit Credit Default Swaps (CDS) gegen einen Zahlungsausfall absichern. Bei einem Zahlungsausfall würden so die Mittel aus den Credit Default Swaps fließen, sollten die Coupon-Zahlungen dagegen weiter getätigt werden oder sollte sich eine Friedenslösung im Ukraine-Krieg abzeichnen, werde mit einem steigenden Preis der Anleihe gerechnet. Da die Preise für russische Staatsanleihen stärker gefallen seien als die Preise der Absicherungskontrakte gestiegen seien, ergibt sich so also eine Win-Win-Situation.

Eine weitere sehr riskante Möglichkeit aus der aktuellen Situation Profit zu schlagen, sei es, wie die NZZ berichtet, Anleihen von russischen Unternehmen, die in Fremdwährungen ausgegeben sind, aufzukaufen und bei einem möglichen Zahlungsausfall die im Ausland befindlichen Vermögenswerte der Unternehmen einzuklagen.

Anleger sollten sich bei solchen Investitionen allerdings der juristischen und finanziellen Risiken, die sie damit eingehen, bewusst sein - ganz davon abgesehen, ob solche Geschäfte moralisch vertretbar sind.

Redaktion finanzen.net

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