Technologie-Streit zwischen USA und China: China weitet Handelsstreit auf Rohstoffe für Chip-Herstellung aus - Habeck warnt vor Abhängigkeiten
Im Technologie-Streit mit den USA zieht China den nächsten Trumpf: Nachdem die USA den Export von Hochleistungschips an China beschränkt hat, erschwert die Volksrepublik nun den Export bestimmter, für die Chip-Herstellung wichtiger Rohstoffe.
Wie das Handelsministerium in Peking in der Nacht zum Dienstag mitteilte, müssen Unternehmen ab dem 1. August für die Ausfuhr von Gallium- und Germanium-Produkten eine Lizenz beantragen. Damit sollten die strategischen Interessen und die Sicherheit der Volksrepublik gewahrt werden. Insidern zufolge planen die Behörden für Donnerstag ein Treffen mit den betroffenen Unternehmen, um die Umsetzung der Maßnahmen zu erörtern.
"Das sieht nach einer Vergeltungsmaßnahme aus, nachdem die USA einige Chip-Exporte verboten haben", sagte Analystin Susannah Streeter vom Brokerhaus Hargreaves Landsdown. John Strand, Gründer der Beratungsfirma Strand Consult, warnte allerdings vor Panikreaktionen. Für Gallium und Germanium gebe es anders als bei anderen sogenannten Seltenen Erden durchaus Anbieter außerhalb Chinas. Zwar trieben Beschränkungen die Preise. "Aber für den Rest der Welt sind sie keineswegs so schmerzhaft wie die US-Restriktionen der Chip-Exporte für China." Der Chef des Bergbau-Verbands in China, Peter Arkell, sieht das anders: "China hat die US-Handelsbeschränkungen dort getroffen, wo es wehtut."
EINIGE STAATEN RECHNEN MIT GERINGEN EFFEKTEN - ANDERE PRÜFEN
Südkorea und Taiwan rechnen nach eigenen Angaben vorerst nur mit begrenzten Auswirkungen der chinesischen Exportkontrollen. In diesen beiden Ländern sitzen mit Samsung und TSMC zwei der weltgrößten Chip-Hersteller. Japan und die Europäische Union (EU) prüfen die möglichen Effekte auf die jeweils eigene Wirtschaft. Die EU äußerte außerdem die Sorge, dass die Beschränkungen nicht mit der Notwendigkeit in Einklang stehe, den weltweiten Frieden zu schützen. Sie teilte außerdem mit, dass chinesische Partner geplante Treffen mit dem EU-Außenbeauftragten Josep Borrell kurzfristig abgesagt hätten. Vom Bundeswirtschaftsministerium lag zunächst keine Stellungnahmen vor.
Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder wertete die Ankündigung Chinas als Weckruf, die Anstrengungen für die digitale Souveränität Europas und Deutschlands zu intensivieren. "Dazu gehört auch die Versorgung mit Grundstoffen und Seltenen Erden." Die EU hat mit dem "Chips Act" bereits ein Programm aufgelegt, um die Ansiedlung von Halbleiter-Werken zu fördern. Dadurch soll der Weltmarkt-Anteil der Chip-Produktion bis 2030 auf etwa 20 Prozent verdoppelt werden.
NACHFRAGE UND PREISE STEIGEN
Doch in der Branche schlägt die Ankündigung bereits Wellen: Einem Manager eines chinesischen Germanium-Produzenten zufolge haben sich bei ihm bereits mehrere Kunden aus Japan, Europa und den USA gemeldet. Sie wollten bis zum Stichtag am 1. August so viele Rohstoffe wie möglich bunkern, weil sie damit rechneten, dass die Bearbeitungszeit für die Exportanträge bis zu zwei Monate in Anspruch nehmen werde. Die gestiegene Nachfrage habe die Germanium-Preise zuletzt um knapp zehn Prozent auf umgerechnet 1380 Dollar je Kilogramm in die Höhe getrieben. Die Aktien einiger chinesischer Bergbaufirmen wie Yunnan Lincang Xinyuan oder Yunnan Chihong gewannen ebenfalls bis zu zehn Prozent.
Der Nachrichtenseite Caixin zufolge gehörten 2022 Japan, Deutschland und die Niederlande zu den wichtigsten Abnehmern von Gallium-Produkten. Bei Germanium lägen Japan, Frankreich, Deutschland und die USA vorne. Diese Metalle werden vor allem in Computerchips, in der Telekommunikation, in Solar-Paneelen und Elektroautos eingesetzt.
Der deutsche Chip-Hersteller Infineon teilte auf Anfrage mit, seine Rohstoffe generell aus unterschiedlichen Regionen zu beziehen. "Derzeit sehen wir keine größeren Auswirkungen auf die Materialversorgung, die unsere Produktionskapazitäten beeinträchtigen würden."
AUGE UM AUGE, ZAHN UM ZAHN
Die USA haben in den vergangenen Monaten unter anderem den Export von Hochleistungschips sowie von Maschinen für deren Produktion eingeschränkt. Dem "Wall Street Journal" zufolge denkt die Regierung in Washington außerdem darüber nach, den Zugang chinesischer Firmen zu bestimmten Angeboten von US-Cloudanbietern zu begrenzen. Gleichzeitig wächst der Druck auf westliche Telekom-Konzerne, wegen Sicherheitsbedenken in ihren Mobilfunknetzen auf den Einsatz von Komponenten chinesischer Hersteller wie Huawei zu verzichten.
Die Volksrepublik hatte darauf bereits an anderer Stelle reagiert: So verbot sie bestimmten Unternehmen und Organisationen den Einsatz von Chips des US-Herstellers Micron. Ein Besuch von US-Außenminister Antony Blinken in China vor einigen Wochen hatte nicht zu einer nachhaltigen Entspannung der Beziehungen geführt. In dieser Woche wird US-Finanzministerin Janet Yellen in China erwartet. "Das Risiko einer Eskalation der Spannungen zwischen den USA und China ist nicht gerade gering", warnten die Analysten der Investmentbank Jefferies. Komme es nicht zu einer Entspannung, müsse mit weiteren Exportkontrollen für Seltene Erden gerechnet werden.
Habeck warnt nach Chinas verschärften Ausfuhrkontrollen vor Abhängigkeiten
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat angesichts von Chinas Ankündigung zur Exportkontrolle von Rohstoffen zur Herstellung von Chips und Radargeräten vor einer zu großen Abhängigkeit Deutschlands bei Rohstoffen gewarnt. Habeck machte sich in dem Zusammenhang erneut für einen zeitlich begrenzten subventionierten Industriestrompreis stark, um energieintensiven Betrieben während der Transformation zur Klimaneutralität zu helfen und so in Deutschland halten zu können. Auf europäischer Ebene sollte außerdem das Beihilferecht reformiert werden, damit schneller über staatlichen Hilfen entschieden werden könnte, so Habeck.
Habeck verwies während einer Veranstaltung in Berlin auf die Ankündigung Chinas, ab August die Ausfuhr von Gallium und Germanium, zwei Komponenten für Chips und Radargeräte, unter Kontrolle zu stellen. Das chinesische Handelsministerium will diese Exportkontrollen einführen, um die nationale Sicherheit und die Interessen Chinas zu schützen, wie es in einer Erklärung des Handelsministeriums hieß.
"Wenn das bei Lithium oder so was auch noch passiert, dann haben wir wirklich ein anderes Problem", warnte Habeck auf einer Veranstaltung zur Transformation der chemischen Industrie. "Wir müssen doch in den letzten Jahren gelernt haben, dass eine gewisse Souveränität der Produktion Energie- und Wirtschaftssicherheit bedeutet. Die Frage ist: Ist es uns das wert? Da geht es nicht nur um ökonomische Fragen, sondern auch um die Frage, ob wir jedenfalls die Kenntnisse der Produktion und gewisse Anteile der Produktion hier haben. Ich finde, die Antwort kann nur ja sein. Das muss es uns wert sein."
Er verteidigte in dem Zusammenhang den von ihm vorgeschlagenen, zeitlich begrenzten Industriestrompreis, mit dem energieintensive Unternehmen vom Staat mit Milliarden unterstützt werden sollen, bis genügend günstiger erneuerbarer Strom zur Verfügung steht.
Habeck betonte, dass man dieses Geld zwar sparen könne, aber dies habe am Ende auch einen Preis.
Man "hat am Ende keine Industrie mehr, jedenfalls keine energieintensive Industrie mehr. Der Stahl wird schon grün werden, aber die Frage ist, wird er in Deutschland grün werden. Auch die chemische Industrie wird grün werden. Die Frage ist, wird sie dann noch in Deutschland sein", so Habeck. Daher sei dies nicht nur eine ökonomische Frage, sondern es gehe auch um Rohstoffabhängigkeiten. Die chemische Industrie etwa habe hohe Bedeutung für Deutschland aber auch für Europa.
Der Industriestrompreis solle nicht dauerhaft gezahlt werden, sondern nur eine Brücke hin zu Verfügbarkeit von Ökostrom sein. Gleichzeitig müsse er so gestaltet sein, dass es für die Industrie weiterhin Anreize gebe, in die Transformation zu investieren, wie der Grünenpolitiker sagte.
Mit Blick auf die globalen Anstrengungen, den Umbau hin zur Klimaneutralität mit Subventionen zu fördern, sagte Habeck, dass Europa mithalten müsse. Die USA mit ihrem Inflation Reduction Act arbeite mit Steuergutschriften und daher sei unklar, wie teuer die Subventionen insgesamt würden. In der Europäischen Union seien solche Steuergutschriften nicht möglich wegen der hier geltenden Fiskalregeln. Aber es sei klar geworden, dass die EU das Beihilfeverfahren ändern müsse, da die Entscheidungen über zulässige staatliche Subventionen angesichts der Herausforderungen der Transformation zu lange dauerten.
Allen sei klar, dass dies geändert werden müsse, so Habeck.
Peking/Shanghai (Reuters) / BERLIN (Dow Jones)
Weitere News
Bildquellen: Andrew Park / Shutterstock.com