Niedergang

Credit Suisse-Aktie verliert: Zusammenbruch der Credit Suisse als Gefahr für Schweizer Vermögensverwaltung - FINMA rechtfertigt AT1-Abschreibung

23.03.23 15:49 Uhr

Credit Suisse-Aktie verliert: Zusammenbruch der Credit Suisse als Gefahr für Schweizer Vermögensverwaltung - FINMA rechtfertigt AT1-Abschreibung | finanzen.net

Der Niedergang der Großbank Credit Suisse hat nach Einschätzung von Branchenexperten der Stellung der Schweiz als ein führender Platz für Vermögensverwaltung einen schweren Schlag versetzt.

Und sie sehen den Ruf des Landes in Bezug auf Stabilität, Regulierung und Corporate Governance in Gefahr. Die mit zahlreichen Skandalen und hohen Verlusten kämpfende Traditionsbank flüchtete sich am Wochenende in einer von der Regierung orchestrierten Rettungsaktion in die Arme der UBS. Der größere Rivale, der 2008 nach einem katastrophalen Ausflug in US-Hypothekenpapiere ebenfalls von der Regierung gerettet werden musste, ließ sich auf Druck von Notenbanken, Regulierungsbehörden und der Schweizer Regierung auf eine drei Milliarden Franken schwere Übernahme ein. Damit residiert in der Schweiz künftig nur noch eine Großbank, die sich mit den weltgrößten Geldhäusern messen kann.

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"Die Banker in Singapur werden die Korken knallen lassen", sagte Arturo Bris, Professor für Finanzen am International Institute for Management Development (IMD) in Lausanne. Die Schweiz stehe im Wettbewerb mit anderen Finanzzentren wie Luxemburg und insbesondere Singapur, das in den vergangenen Jahren stark gewachsen sei. Die Konkurrenz werde immer härter und die jüngsten Ereignisse würden dazu beitragen, dass Singapur die Schweiz schließlich überhole, warnte Bris. "Ich denke, das ist nur eine Frage der Zeit."

Denn die Glaubwürdigkeit der Alpenrepublik als stabiles, berechenbares Land habe durch die Rettungsaktion für die 167-jährige Credit Suisse gelitten. Der Zusammenbruch des Instituts und die Folgen - etwa dass die Gläubiger von sogenannten AT1-Anleihen leer ausgehen werden - dürfte sich als sehr schädlich erweisen.

Laut einer Studie von Deloitte aus dem Jahr 2021 werden in der Schweiz 2,6 Billionen Dollar an internationalen Vermögenswerten verwaltet. Damit hat die Alpenrepublik unter den großen Finanzplätzen der Welt die Nase vorne, noch vor den USA und Großbritannien.

OFFENE FRAGEN UND WENIG SANKTIONSMÖGLICHKEITEN

Bei der Schweizerischen Bankiervereinigung sieht man die Situation wenig überraschend anders. Die Finanzbranche sei in der Lage gewesen, ein großes Problem eines bedeutenden Spielers zu lösen, sagte der Präsident des Branchenverbandes, Marcel Rohner. "Angesichts des Ausmaßes des Problems und der Ernsthaftigkeit der Krise war dies meines Erachtens eindeutig ein Zeichen der Stärke und nicht der Schwäche." Der ehemalige UBS-Konzernchef geht nicht davon aus, dass das Vertrauen in die Bankexpertise der Schweiz zerstört wurde und sagte dem Finanzplatz eine erfolgreiche Zukunft voraus.

Andere Branchenkenner äußern sich skeptischer und weisen etwa auf die mangelnde Bereitschaft hin, sich mit den Missständen bei der Credit Suisse auseinanderzusetzen oder Verantwortung für die Folgen zu übernehmen. "Es gibt viele offene Fragen: die Anwendung von Notstandsgesetzen, die sich über die Meinung der Aktionäre hinwegsetzen, oder die Behandlung von Anleihegläubigern", sagte Stefan Legge vom IFF Institut für Finanzstudien der Universität St. Gallen. "Vielleicht sind einige Leute ein bisschen illusorisch und glauben wirklich, dass sie einen tollen Job machen."

Legge zufolge könnte der Zusammenbruch der Credit Suisse ein Weckruf sein und sogar dazu führen, dass neue Gesetze zur Verbesserung in der Unternehmensführung erlassen werden. In der Schweiz gibt es nur wenige Mechanismen, um Top-Banker für Missmanagement individuell zur Verantwortung zu ziehen. In andern Finanz-Zentren wie etwa Großbritannien müssen Top-Manager strafrechtliche Sanktionen fürchten.

Auch Politiker und Gewerkschaften kritisieren die Rettungsaktion, die dazu führen könnte, dass der Steuerzahler für Verluste in Milliardenhöhe geradestehen muss.

FINANZSEKTOR SCHRUMPFT - WIRTSCHAFTSLEISTUNG KAUM

Der übergroße Bankensektor des Landes steht spätestes seit dem Fall des Bankgeheimnisses unter Druck, weil die Regierungen anderer Länder versuchen, gegen die Steuerhinterziehung ihrer Bürger vorzugehen. Der Beitrag des Finanzsektors zur Schweizer Wirtschaft ist in den vergangenen Jahren zurückgegangen und die Branche trägt noch rund neun Prozent zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei. Andere Branchen wie etwa die Pharmaindustrie haben an Bedeutung gewonnen.

Dem Wirtschaftsforschungsinstitut BAK Economics zufolge dürften sich die Auswirkungen des Credit-Suisse-Debakels auf den Bankensektor beschränken. Es schätzt, dass bis zu 12.000 Arbeitsplätze verloren gehen könnten, die Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaft aber begrenzt sein werden. Jan-Egbert Sturm, Chef der KOF-Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich, bezifferte den Einfluss auf das BIP-Wachstum mit etwa 0,05 Prozent pro Jahr. Das liegt im Bereich der statistischen Rundungsfehler. Dank der langen Bankentradition und der strukturellen Vorteile dürfte die Schweiz auch in Zukunft stark im Bankgeschäft vertreten sein.

Schweizer Aufseher rechtfertigen Abschreibung der Credit-Suisse-Nachranganleihen

Die Schweizer Finanzaufsicht FINMA hat aufsehenerregende Abschreibung der eigenkapitalähnlichen AT1-Anleihen der Krisenbank Credit Suisse rechtfertigt. Die vertraglichen Bedingungen für den Ausfall seien wegen der Ausfallgarantie des Bundes für die außerordentlichen Liquiditätsdarlehen an die Credit Suisse erfüllt, teilte die Behörde am Donnerstag mit. Die von der Bank ausgegebenen AT1-Papiere sähen vor, dass sie im Falle eines sogenannten "Trigger-Ereignisses" vollständig abgeschrieben werden könnten. Ein solches Ereignis sei die Gewährung außerordentlicher staatlicher Unterstützung.

Die vom Bund am Sonntag in Kraft gesetzte Notverordnung habe die FINMA dazu ermächtigt, gegenüber der Darlehensnehmerin und der Finanzgruppe die Abschreibung des zusätzlichen Kernkapitals anzuordnen, hieß es weiter. Dadurch verlieren die Inhaber der Anleihen ihr eingesetztes Kapital. Insgesamt geht es um 16 Milliarden Schweizer Franken (16,1 Mrd Euro).

Dieser Schritt war vor allem im Ausland auf Kritik gestoßen und hatte zu Beginn der Woche zu Unruhe an den Finanzmärkten geführt. Anwälte bereiten in dieser Sache bereits Klagen vor. Die Bankenaufseher der Europäischen Union stellten am Montag klar, dass für den Fall einer Schieflage einer Bank in der EU die Verluste zuerst zulasten des Aktienkapitals gingen. Erst wenn dieses nicht ausreiche, würden die AT1-Nachranganleihen herangezogen.

Der FINMA zufolge sind AT1-Instrumente in der Schweiz so ausgestaltet, dass sie abgeschrieben oder in hartes Kernkapital gewandelt werden, bevor das Eigenkapital der betroffenen Bank komplett aufgebraucht oder abgeschrieben ist. Diese von Großbanken herausgegebenen Finanzinstrumente würden hauptsächlich von institutionellen Investoren gehalten. Sogenannte Tier-2-Anleihen würden dagegen nicht abgeschrieben, hieß es weiter.

AT1 steht für "Additional Tier One"-Kapital. Dieses ist dafür da, um im Krisenfall in Eigenkapital umgewandelt zu werden. Entsprechend erhöht sich durch die jetzige Abschreibung das Eigenkapital der Credit Suisse um den entsprechenden Betrag. Nach ihrer Notübernahme durch die UBS kommt es der neuen Gesamtbank zugute.

Compliance-Spezialist Mark Taylor verlässt Credit Suisse wohl bis Juni

Der Leiter der Compliance-Abteilung der britischen und europäischen Investmentbank der Credit Suisse wird das Unternehmen verlassen. Mark Taylor, ein Spezialist für den Bereich Compliance, der 2018 von Goldman Sachs zur Credit Suisse kam, werde die Schweizer Bank bis Juni verlassen, wie mit der Angelegenheit vertraute Personen der Zeitung Financial News berichteten. Die Credit Suisse wollte in der Sache keine Stellungnahme abgeben.

Die Schweizer UBS wird ihre in die Krise geratene Konkurrentin Credit Suisse übernehmen. Die Schweizer Nationalbank sichert die Übernahme mit bis zu 100 Milliarden Franken ab. Es ist die bedeutendste Bankenfusion in Europa seit der Finanzkrise. Die Geschäftsleitung der Credit Suisse habe den Mitarbeitenden mitgeteilt, dass sie davon ausgeht, dass die Fusion bis Ende 2023 abgeschlossen sein wird, und sie bittet die Mitarbeitenden, UBS bis dahin weiterhin als Konkurrenten zu betrachten, berichtet die Zeitung weiter.

In den kommenden Monaten stehen die Mitarbeiter vor der Herausforderung, ein komplexes Geflecht aus Compliance-, Backoffice- und Technologiesystemen zu entwirren, um die beiden Kreditinstitute zu integrieren. Die Investmentbank der Credit Suisse, die rund 17.000 Mitarbeiter beschäftigt, werde wahrscheinlich die Hauptlast des Stellenabbaus spüren, wenn die beiden Banken fusionieren.

Die Credit Suisse-Aktie verliert im Schweizer Handel zeitweise 3,54 Prozent auf 0,8014 Franken.

Zürich / FRANKFURT (Reuters / Dow Jones Newswires / dpa-AFX)

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