Airline tief in der Krise: Diese Optionen gibt es noch für Air Berlin
Seit Jahren stehen die Dinge schlecht um Air Berlin. Doch nun sieht es laut Wirtschaftsexperten besonders eng für die deutsche Fluggesellschaft aus. Eine Neuausrichtung muss her. Diese drei Szenarien zeigen, wie es nun weiter gehen könnte.
Seit nunmehr sechs Jahren steht es schlecht um Air Berlin: Fünf Konzernchefwechsel, Rekordverluste sowie Schulden in Höhe von rund 1,2 Milliarden Euro machen Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft zu schaffen. Wirtschaftsexperten bezweifeln, dass Air Berlin auf Dauer weiterhin allein bestehen kann und sehen die deutsche Fluglinie vor drei Szenarien.
Szenario 1: Insolvenz
Die Geschäfte bei dem Airline-Konzern laufen seit langem nicht rund: Ende 2016 lag die Nettoverschuldung bei knapp 1,2 Milliarden Euro, das Eigenkapital bei 1,5 Milliarden Euro Minus. Es wurde ein Jahresverlust von knapp 782 Millionen Euro verzeichnet - höher war das Minus zuvor noch nie ausgefallen. Bisher konnte sich die Fluggesellschaft vor allem durch Finanzspritzen des Großaktionärs Etihad über Bord halten. Bis zu 1,5 Milliarden Euro erhielt Air Berlin insgesamt von seinen arabischen Investoren. Ob weiterhin finanzielle Unterstützung von Etihad kommt, ist allerdings fraglich, da bei Abu Dhabis nationaler Staatsairline derzeit ein Konzernchefwechsel erfolgt. Damit verbunden ist auch eine Neuaufstellung, bei der sämtliche Beteiligungen vor allem an den verlustreichen europäischen Anteilen Air Berlin und Alitalia auf den Prüfstand gestellt werden sollen.
Eine Insolvenz der zweitgrößten Fluggesellschaft Deutschlands will jedoch niemand - weder in der Luftfahrtbranche noch in der Bundesregierung. Den Verlust von 9.000 Arbeitsplätzen will man so kurz vor der Bundestagswahl nicht verantworten. Zudem würde das für zahlreiche verärgerte Kunden sorgen. Reisende sind bei Fluggesellschaften im Falle einer Insolvenz nicht gesetzlich abgesichert und könnten neben den Flügen auch das bereits gezahlte Geld verlieren. Vor allem aber könnten die Fluggesellschaften Ryanair und Easyjet weiter in den deutschen Markt drängen, was der Lufthansa wohl kaum gefallen dürfte.
Szenario 2: Übernahme durch die Lufthansa
In Frankfurt laufen daher erste Verhandlungen über eine mögliche Zusammenarbeit mit Air Berlin. Die Rede ist von einer Übernahme durch den Rivalen Deutsche Lufthansa. "Die haben Bankgarantien und die Zustimmung der Politik eingeholt", so ein Lufthansa-Insider. Dabei können Piloten und Crew-Mitglieder übernommen sowie Flugzeuge anderweitig vermietet werden. Diese Option gilt unter Insidern als die wahrscheinlichste. Der größte Luftfahrtriese Deutschlands hat bereits 38 Maschinen samt Crews der Air Berlin gemietet. Nun ist eine weitere Übernahme der restlichen 75 Maschinen im Gespräch. Doch sind die Frankfurter nicht bereit, für die 1,2 Milliarden Euro hohen Schulen aufzukommen. Aufgrund dessen laufen derzeit Verhandlungen mit dem Großaktionär Etihad, für die der Lufthansa-CEO Carsten Spohr gemeinsam mit Angela Merkel zu Besuch nach Abu Dhabi gereist ist. Nur der arabische Großaktionär kann die Schuldenfrage Air Berlins lösen.
Etihad ist eine nationale Fluggesellschaft Abu Dhabis und gehört der Herrscherfamilie des ölreichen Golfemirats, die bis zu 29 Prozent der Air Berlin-Aktien hält. Im Rahmen der Verhandlungen bietet sich für die arabischen Anleger eine engere Partnerschaft mit der Lufthansa an. Konkret bedeutet das vor allem mehr Gemeinschaftsflüge und eine Aufnahme in das Lufthansa-Flugbündnis Star Alliance. Bisher ließ sich Etihad von derartigen Angeboten wenig beeindrucken, doch steigt angesichts zunehmend leerer Sitze an Bord auch bei den Arabern das Bedürfnis nach einer Neuausrichtung.
Szenario 3: Übernahme aus dem Ausland
Will Air Berlin als eigenständiges Unternehmen überleben, braucht die Airline neue Investoren mit frischem Geld und insbesondere mit neuen Ideen. Als möglicher Käufer kommt daher auch die britische Easyjet in Frage. Im Falle eines EU-Austritts Großbritanniens brauchen die Briten einen Standort innerhalb der EU, damit sie weiterhin lukrative Strecken innerhalb Europas bedienen können. Ob eine derartige Übernahme tatsächlich stattfinden wird, ist aber eher unwahrscheinlich. Luftfahrtexperte Cord Schellenberg lobte easyjet als eine Fluggesellschaft mit sehr guter Kostenstruktur. Die Wahrscheinlichkeit sei gering, dass diese ihr Geld in ein schlechtes Geschäft versenken.
Es mehren sich aber auch Gerüchte um chinesische Unternehmen als mögliche Käufer. Diese Kombination mit internationalen Investoren erweist sich allerdings als schwierig. Zum einen müssen diese sich mit der Schuldenkrise Air Berlins auseinander setzen und zum anderen sich gegen den mächtigen Konkurrenten Lufthansa und dessen Billigableger Eurowings behaupten. Außerdem müssten sie sich gegen Ryanair behaupten, der sich derzeit nach langer Zurückhaltung als Low-Cost-Branchenführer durchsetzt.
Ob und wie es mit der Berliner Fluglinie weitergehen wird, ist noch ungewiss. Experten schätzen, dass es Air Berlin in dieser Konstellation in vier Jahren nicht mehr geben wird. Momentan kann Air Berlin noch auf die Geldspritzen von Etihad hoffen. Ein neuer Kredit von 350 Millionen Euro läuft noch bis Ende 2021. Auch wurden weitere Millionenkredite aus Abu Dhabi bis April 2019 verlängert.
Redaktion finanzen.net
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