Die Börse ignoriert Unternehmertugenden
Damit hatte niemand gerechnet, am wenigsten wohl die Stiftung Familienunternehmen: Laut einer Studie der TU München schneiden familiengeführte Unternehmen an der Börse minimal schlechter ab als der Durchschnitt.
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von Jens Castner
Das Schizophrene daran ist, dass die operative Performance im krassen Widerspruch zur Kursentwicklung steht. Aber, wie uns die Baisse gelehrt hat, ist die Börse eben alles andere als rational.
Familienunternehmen erreichen etwas bessere Kapitalrenditen als fremd geführte Firmen und sind deutlich geringer verschuldet. Die Eigenkapitalquoten liegen mit durchschnittlich 50 Prozent weit über jenen von Nichtfamilienunternehmen (36 Prozent). Doch die Börsianer honorieren das keineswegs, noch nicht einmal in einer Finanz- und Kreditkrise, in der eigentlich zu erwarten gewesen wäre, dass eine Rückbesinnung auf traditionelle Unternehmertugenden einsetzt.
Die Gründe für das Auseinanderklaffen von Geschäfts- und Kursentwicklung sind vielschichtig. Zum einen sind zumindest deutsche Familienunternehmen bei ausländischen Investoren nicht sonderlich beliebt, da häufig vornehmlich stimmrechtlose Vorzugsaktien im Umlauf sind, was zu dem pauschalen Vorurteil führt, die Gründerfamilie könne ja eh machen, was sie wolle. An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass ein Familienunternehmen nach amerikanischer Definition bereits als solches gilt, wenn die Gründer fünf Prozent der Stimmrechte halten. In Deutschland spricht man erst ab einer Sperrminorität von 25 Prozent von einem Familienunternehmen, außerdem sollte wenigstens ein Familienmitglied in Vorstand oder Aufsichtsrat vertreten sein.
Ebenfalls plausibel für die schlechtere Börsenperformance erscheint eine Erklärung von Professorin Ann-Kristin Achleitner, der verantwortlichen Leiterin der Studie: Bei familiengeführten Gesellschaften handelt es sich in der Regel um kleinere Firmen, die in kritischen Börsenphasen eher gemieden werden, weshalb die Aktien volatiler sind.
Daher muss die Stiftung Familienunternehmen, von der die Studie in Auftrag gegeben worden war, das Ergebnis nicht unbedingt als Schlag ins Gesicht werten. Wäre die jüngste Börsenrally (von der Nebenwerte überproportional profitierten) in den untersuchten Zehnjahreszeitraum eingeflossen, hätte sich vielleicht ein anderes Bild ergeben, zumal sich die Unterschiede eher im Nachkommastellenbereich bewegen.
Und für Anleger ist die Vergangenheit ohnehin nicht entscheidend. Bereinigt um Größe und Zufälligkeiten, laufen die Aktien von Familienunternehmen nicht besser und nicht schlechter als andere – eine Erkenntnis, auf der sich aufbauen lässt. Da die Krise noch keineswegs überwunden ist, erscheint es derzeit als sicherere Wette, auf Firmen setzen, die viel Eigenkapital haben und eine ordentliche operative Performance zeigen. Und da ist die Trefferquote bei Familienunternehmen eben deutlich höher.