MARKT-AUSBLICK/Tech-Sektor belastet USA - Europa hat andere Themen
Von Michael Denzin
FRANKFURT (Dow Jones)--Weiter im Korrekturmodus auf hohem Niveau dürften Europas Aktienmärkte in der kommenden Woche laufen. Mit der ständigen Bedrohung durch Trumps Strafzölle und vor der EZB-Zinsentscheidung gibt es wenige Gründe zum Aufstocken. Kleinere Gewinnmitnahmen auf dem aktuellen Niveau bieten sich nach der DAX-Rally immer an. Ein Komplettausstieg aus Europas Aktien dürfte sich aber nicht lohnen - denn tatsächlich sieht es hierzulande besser aus als in den USA.
Gewinnmitnahmen im Tech-Sektor sinnvoll
Gewinnmitnahmen boten sich nachrichtlich vor allem im Tech-Sektor an. Besonders die Zahlen von Nvidia lieferten eine klassische Vorlage für eine danach folgende Seitwärtsbewegung. Denn an den Quartalszahlen selber gab es überhaupt nichts zu kritteln, es waren Rekorddaten. Nur hatte die Börse wie üblich auf deutlich übertroffene Erwartungen gesetzt - und bekam "nur etwas" überbotene Schätzungen. Das ernüchterte vor allem Anleger mit unrealistischen Wachstumserwartungen. Sie verkauften nach Nvidia alle Tech-Werte und aufgeblasene Assets wie den Bitcoin, der seit seinem Hoch schon über 20 Prozent zurückfiel.
Endkunden zahlen nicht gerne für KI - Noch immer fehlt die Killer-Anwendung
Anleger im Tech-Sektor scheinen genau zu wissen, wie überreizt ihr Blatt eigentlich ist. Das zeigte die Empfindsamkeit, mit der auf Berichte über angeblich gesenkte KI-Investitionen von Microsoft reagiert wurde. Anschließend zeigten dann auch harte Fakten, wie die Zahlen von Dell, dass die Nachfrage nach KI-Servern nicht ganz der Hoffnung entspricht.
Und in den Zahlen von Salesforce zeigte sich, dass auch die Endverbraucher nicht wirklich heiß auf KI-Hilfsmittel sind. Denn viele Endprodukte wirken bemüht, wirklich zwingende "Use Cases" kennt kaum jemand und die echte Killer-Applikation gibt es noch immer nicht. Unter dem Strich gibt es daher nur eine geringe Bereitschaft der Konsumenten, für KI zu bezahlen. Damit steht aber die Profitabilität der gesamten KI-Investitionen in Gefahr.
Europa nach oben nicht dabei - nach unten jetzt auch nicht
Die gute Nachricht dahinter ist eine gute Nachricht vor allem für Europa: Denn da man hierzulande bei der gesamten Tech-Rally nicht dabei war, ist man auch auf dem Weg nach unten auch nicht dabei. Die immensen Kapitalflüsse in Richtung Europas Aktien dürften daher weitergehen.
Das Anlagethema hier ist die Hoffnung auf eine bessere Konjunktur, teilweise gestützt auf den Wahlausgang in Deutschland. Wichtige Indikatoren für Anleger sind daher kommende Woche die Revisionen der Einkaufsmanager-Indizes (PMI). Schon in geringfügige Verbesserungen würden Investoren hineinlesen, dass Europa auf dem richtigen Weg nach oben ist.
Dazu stimmt in Europa der Zinsausblick: Während in den USA immer lauter die Inflationseffekte von Trumps Politik kritisiert werden, gibt es wenig Zweifel am Zinskurs der EZB nach unten. Investment-Leiter Dan Ivascyn vom Vermögensverwalter Pimco sieht seine Inflationsprognose für die USA deutlich über den Zielwerten der US-Notenbank liegen: "Die Fed dürfte ihre Geldpolitik auf absehbare Zeit unverändert belassen", folgert er daher.
Für Europa und mit Blick auf die EZB-Sitzung am Donnerstag rechnet Europa-Volkswirtin Ulrike Kastens vom Fondshaus DWS klar mit der sechsten Zinssenkung in Folge. Der Einlagensatz dürft um weitere 25 Basispunkte auf 2,50 Prozent gesenkt werden. Wegen der schwachen Stimmungsindikatoren aus der Wirtschaft rechnet sie damit, dass die BIP-Prognose für 2025 von derzeit 1,1 Prozent weiter nach unten revidiert wird. Daher dürfte der Zins bis zum Sommer auf 2,0 Prozent sinken.
Das Umfeld für die dringend nötigen Investitionen in Europas Infrastruktur verbessert sich damit weiter. Die Aufheben der Schuldenbremse in Deutschland dürfte dann nicht nur zu "Sondervermögen", also: neuen Schulden, für Panzer führen, sondern auch Infrastruktur-Pakete mitsichbringen. Wie jüngste Quartalsdaten von Baustoffhändler Saint Gobain zeigten, gibt es hier andere attraktive Invesmentthemen als in den USA.
Dazu kommen auch weiche Faktoren, wie eine zuversichtlichere Haltung von Europas Konsumenten. Denn genau anders als in den USA zeigte die neueste EZB-Umfrage, dass die Inflationserwartungen sinken. Damit steigt auch wieder die Konsumbereitschaft. In den USA verschlechtert sich dagegen das Sentiment immer weiter. Die Ausfälle bei Kreditkarten und Autokrediten steigen, dazu ist auch das Anlegersentiment an den Börsen eingebrochen. Die Analysten von Jefferies sprechen sogar von einem neuen Negativrekord mit über 60 Prozent Bären an den Börsen. Unter dem Strich besteht damit die Chance, dass es in Europa auch mal besser läuft als in den USA.
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February 28, 2025 05:33 ET (10:33 GMT)