Allianz-Stratege Gruber: „Wir erwarten keine hohen Inflationsraten“
Der Sinkflug des Euro ist kein Grund zur Sorge, sagt Andreas Gruber, Chefanlagestratege der Allianz Leben. Das 144-Milliarden-Euro-Portfolio baut Gruber mit Schwellenländer- und Immobilieninvestments aus.
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von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag
Mehr Warren Buffett als Gordon Gekko – als Chefanlagestratege des größten deutschen Lebensversicherers, Allianz Leben, ist Andreas Gruber für ein 146-Milliarden-Euro-Portfolio verantwortlich und damit für die Rendite der Allianz-Leben-Kunden in Deutschland. Der promovierte Mathematiker wirkt wie ein perfekter Gegenentwurf zum Typ des erfolgsgetriebenen Wall-Street-Bankers. Statt Golf spielt Gruber Tischtennis in der Landesliga, statt morgens als Erstes auf die Kurse in Asien zu blicken, macht der gebürtige Schwabe Liegestütze.
Seinem Investmentgeschick ist es zu verdanken, dass Allianz Leben über die größten Reserven für Investments verfügt. Gemeint ist damit nicht Bargeld, sondern die Differenz zwischen dem Buch- und dem Marktwert des Portfolios. Ende 2009 waren es elf Milliarden Euro, 8,4 Prozent des Portfolios. Die Wettbewerber hatten nur 2,4 Prozent Reserven. Weil Aktien im Wert durchschnittlich schneller zulegen als festverzinsliche Papiere, ist der relativ hohe Aktienanteil ein wesentlicher Grund für die Differenz: Bei der Allianz liegt der Aktienanteil bei 8,4 Prozent, bei der Konkurrenz beträgt er im Schnitt 4,1 Prozent.
Euro am Sonntag: Herr Gruber, nachdem Spaniens Bankenaufsicht vor dem Pfingstwochenende eine regionale Sparkasse vor dem Bankrott bewahrt hatte, setzte der Eurokurs seine Talfahrt weiter fort. Viele werten das als Alarmzeichen, Sie auch?
Andreas Gruber: Nein. Der Euro lag auch auf dem jüngsten Tief mit 1,22 Dollar komfortabel in der Bandbreite der Jahre 2004 und 2007. Das war eine Zeit mit soliden Wachstumsraten in Europa und weltweit. Bei der Einführung des Euro im Jahr 2002 lag er sogar noch tiefer. Die Sparmaßnahmen in den durch eine hohe Verschuldung gefährdeten Ländern an der Peripherie des Euroraums werden zudem langfristig zu einer Stärkung des Euro führen.
Die Gefahr, dass Deutschland durch einen Dominoeffekt der Griechenlandkrise später auch für Spanien Schulden bürgen muss, ist also gebannt?
In der Öffentlichkeit werden leider verschiedene Aspekte vermischt. Deutschland bürgt nicht für die bestehenden Schulden Griechenlands. Wir geben neue Kredite. Dies verschafft Griechenland, aber auch anderen Ländern wie Portugal, Spanien und Irland Extra-Zeit, die dringend notwendigen Reformen umzusetzen. Zugegeben, 750 Milliarden Euro - das ist der Umfang des Rettungspakets der Euro-Länder und des Internationalen Währungsfonds (IWF) - sind sehr viel Geld. Man darf aber nicht außer Acht lassen, dass die Unterstützung mit enormen Auflagen verbunden wurde. Die Umsetzung der Reformen wird den Euro wieder stärken.
Gehen Sie davon aus, dass zum Abbau der Verschuldung auch in Deutschland Steuern und Abgaben erhöht werden?
Steuer- und Abgabenerhöhungen sind nur ein Notnagel. Die Vergangenheit hat leider gezeigt, dass sich zweckorientierte Sonderabgaben als willkommene Einkommensquelle verselbständigen. Denken Sie zum Beispiel an den Solidaritätszuschlag. Dringend notwendig sind vielmehr Einsparungen und eine echte Haushaltskonsolidierung. Steuererhöhungen für Unternehmen müssen vermieden werden. Dies würde nur zu einer weiteren Verlagerung von Arbeitsplätzen hin zu den Absatzmärkten, also ins Ausland führen.
Der weiche Euro ist also nur ein Ausdruck dafür, dass wirtschaftliche Zusammenhänge und Verhältnisse nicht klar sind?
Ja. Beeinflusst wird das Geschehen derzeit überwiegend von Psychologie. Eine wirtschaftliche Tatsache ist, dass die Verschuldung des Euro-Raumes, einschließlich Griechenlands, viel geringer ist als jene der USA, Englands oder Japans. Zudem ist auch der Anstieg der Verschuldung viel geringer. Aus wirtschaftlicher Sicht sind also die Staatsfinanzen im Euro-Raum wesentlich solider als jene der USA, Englands oder Japans. Das Thema Griechenland so stark überzugewichten, ist aus meiner Sicht ökonomisch falsch. Risikoscheue liegt in der Natur der Anleger. Deshalb sind viele jetzt sehr vorsichtig – auch weil sie Griechenland nicht einschätzen können. Die finanzielle Lage der Haushalte der Euro-Länder ist ausreichend gut. Nachhaltig negative Folgen sind nicht zu befürchten, wenn die Reformen umgesetzt werden.
Hat die EZB mit ihrem Entschluss, Anleihen gefährdeter Staaten zu kaufen – zu dem sie offensichtlich von Banken gedrängt wurde –, nicht das Ausfallrisiko dieser Papiere von den Finanzinstituten auf die Steuerzahler verlagert?
Nein. Die Anleger, die durch diese Aufkäufe in den Fokus geraten sind, sind nicht hauptsächlich Banken. Im Übrigen haben deutsche Banken angekündigt, dass sie ihre bestehenden Griechenland-Anleihen im Volumen von acht Milliarden Euro zumindest drei Jahre lang nicht veräußern werden. Damit können sie gar nicht von den Käufen der EZB profitieren. Dieser Initiative haben wir uns als Allianz Deutschland angeschlossen.
Gibt es bei der Allianz Leben für den Kauf von Staatsanleihen jetzt eine Streichliste mit den Ländern aus dem Euroraum, deren Rating für einen Versicherer jetzt zu riskant werden könnte?
Nein. Wir richten unsere Anlagestrategie nicht an der Einschätzung von Ratingagenturen aus.
Die Sorge, dass es im Anleihemarkt zur einer ähnlichen Krise kommen könnte, wie sie durch die Lehman-Pleite verursacht wurde, ist bei Investoren weiter sehr groß. Ein mögliches Szenario?
Jetzt nicht mehr. Vor dem Eingreifen der EU und des IWF war Lehman 2 möglich. Mit dem 750-Milliarden-Euro-Paket ist das Szenario ausgeschlossen.
Wie hat Allianz Leben bei Anleihen strategisch auf diese Ereignisse reagiert?
Wir haben nichts Grundlegendes geändert. Allerdings schichten wir, unabhängig vom Thema Verschuldung im Euroraum, seit zwei, drei Jahren in Schwellenländeranleihen um.
Warum?
Die bislang sogenannten Weichwährungsländer haben ihre Situation gegenüber den Hartwährungsländern – so wurden die Industriestaaten genannt – klar verbessert. Wir haben in asiatischen Ländern und in Teilen von Südamerika gegenüber den Industrieländern eine deutlich geringere Verschuldung, stärkeres Wachstum und in vielen Ländern eine vorteilhafte demografische Struktur. Die Menschen sind im Durchschnitt deutlich jünger als in den Industrieländern. Allerdings darf man das Risiko der politischen Stabilität nicht unterschätzen. Die jüngste Eskalation in Thailand ist ein trauriges Beispiel dafür.
Wie hoch ist der Anteil dieser Anleihen im Portfolio?
Derzeit liegt er im niedrigen einstelligen Prozentbereich.
Ist ein zweistelliger Anteil mittelfristig denkbar?
Mittelfristig nicht, langfristig ja. Das hängt vor allem davon ab, wie sich die politischen Risiken in diesen Ländern verändern. Dass auch eine langjährig positive wirtschaftliche Entwicklung kein Garant für politische Stabilität ist, zeigen die Unruhen in Thailand. Und damit sind immer auch die Kapitalanlagen in diesen Ländern gefährdet .
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Mehrere Ökonomen waren davor, dass einige der westlichen Zentralbanken versuchen werden, ein Umfeld für höhere Inflationsraten zu schaffen, um die Schuldenlast der Staatshaushalte durch Wertminderung zu verringern.
Ich sehe das anders. Eine höhere Inflation wäre Bequemlichkeit, aber kein Ausweg aus der Verschuldung. Bedenken Sie, dass mit höheren Inflationsraten auch die Zinssätze steigen. Dann würde die Verschuldung teurer für die Länder. Wir erwarten keine höheren Inflationsraten. Erstens wird die EZB bei dem Ankauf von Staatsanleihen dem Markt anderweitig entsprechend Liquidität entziehen. Zweitens haben die Unternehmen wegen des starken globalen Wettbewerbs derzeit nicht die Möglichkeit, höhere Preise durchzusetzen. Drittens müsste die Kapazitätsauslastung der Produktion für steigende Inflationsraten deutlich höher sein. Wir gehen davon aus, dass die Auslastung der Betriebe auf Sicht der nächsten drei bis fünf Jahre nicht ausreichend hoch sein wird, um die Inflation anzuheizen.
Was wünschen Sie sich als langfristig orientierter Investor, um künftige Krisen wie Griechenland zu vermeiden?
Ich bin ein großer Freund des Euro und befürworte eine Erweiterung des Euro-Raums. Die Entwicklung in der Slowakei ist in dieser Hinsicht sehr positiv. Allerdings ist in jedem einzelnen Land und damit im Euroraum insgesamt eine Wirtschaftspolitik notwendig, die garantiert, dass die Entwicklung bei den Löhnen dem Produktivitätszuwachs im jeweiligen Land entspricht. Wenn die Löhne in Deutschland während der vergangenen zehn Jahre um jährlich zwei Prozent gestiegen sind, während es in anderen Ländern des gleichen Währungsraums vier Prozent und mehr waren, ohne dass dies durch eine stärkeren Anstieg der Produktivität gerechtfertigt war, dann läuft die Sache aus dem Ruder.
Griechenland hat gezeigt, dass das ohne massiven Druck nicht funktioniert.
Ich gehe davon aus, dass der EU klar geworden ist, wohin Maastricht-Kriterien ohne deutliche Maßnamen zu ihrer strikten Einhaltung führen können.
Wie viel Geld legen die Allianz Leben täglich neu an?
Wir legen über 100 Millionen Euro täglich neu an. Das Geld kommt aus den laufenden Zinsen und Dividendeneinnahmen bestehender Investments und natürlich aus den Beiträgen unserer Kunden. Damit können wir Chancen der Kapitalmärkte unmittelbar nutzen, auch ohne bestehende Anlagen verkaufen zu müssen.
Zum ersten Mal seit 2004 hat Alllianz Leben die Verzinsung von 4,5 auf 4,3 Prozent zurückgefahren. Wird der Trend anhalten?
Ich denke nicht. Der Schritt war eine Reaktion auf die niedrigeren Zinssätze am Kapitalmarkt während der vergangenen drei bis vier Jahre. Jetzt gehen wir zunächst von einer Stabilisierung und dann einem leichten Wiederanstieg der Zinsen aus. Und zum Vergleich: für zehnjährige Bundesanleihen gibt es aktuell 2,50 Prozent Zinsen, für zehnjährige Pfandbriefe drei Prozent und auf dem Sparbuch nur etwa ein Prozent. Eine Verzinsung von 4,3 Prozent bei gleich geringem Risiko zu bieten ist hochattraktiv, aber für mich als Kapitalanleger auch eine Herausforderung. Gemeinsam mit dem Schlussgewinn erhalten unsere Kunden derzeit sogar um die fünf Prozent.
Vor einem Jahr waren für Sie Unternehmensanleihen trotz der Rally am Aktienmarkt wegen ihres geringeren Risikos und der hoher Verzinsung das favorisierte Investment. Gilt das bei der Talfahrt der Börsen jetzt erst recht?
Ja. Zwar sind die Zinsen, also die Aufschläge für das Risiko, gesunken, das hat allerdings der Kursentwicklung geholfen. Wir werden unseren Anteil im Portfolio weiter vorsichtig ausbauen.
Der lag 2009 um diese Zeit bei etwa 14 Prozent.
Das stimmt, wenn auch ähnliche Papiere dazugerechnet werden. Derzeit liegt der Gesamtanteil dieser Investments bei etwa 16 Prozent. Weil wir davon ausgehen, dass die Märkte sehr volatil bleiben, haben wir uns ausreichend Pulver trocken gehalten, um Chancen zu nutzen, sowohl bei Unternehmensanleihen als auch bei Aktien. Bei Aktien investieren wir vorsichtiger.
Wie hat sich der Anteil verändert?
Seit Jahresbeginn liegt der Anteil bei gut acht Prozent. Wir gehen davon aus, dass es bis zum Jahresende so bleiben wird.
Was lässt Sie trotz der relativ hohen Aktienquote des Portfolios bei Aktien zögern?
Die hohe Verschuldung der Industrieländer muss jetzt durch Einsparungen und höhere Abgaben reduziert werden. Dies gilt nicht nur für die Südländer, sondern auch beispielsweise für Deutschland. Beides bremst das Wirtschaftswachstum. Die Maßnahmen werden einen überdurchschnittlich starken Anstieg der Unternehmensgewinne im Vergleich zu ihrem Niveau vor der Wirtschaftskrise verhindern. In den Kursen ist aber eine deutliche Wirtschaftserholung nach der Krise und damit eine gute Entwicklung der Unternehmensgewinne schon eingepreist.
Und das wird an den Aktienmärkten aus Ihrer Sicht dann auch zu ausgedehnten Phasen mit Gewinnmitnahmen führen?
Das ist möglich. Im gegenwärtigen Umfeld können die Aktienmärkte um weitere 20 Prozent korrigieren, aber genauso gut dann wieder um 30 Prozent zulegen.
Seit Kurzem investiert Allianz Leben stärker in gewerblich genutzte Immobilien. Ist der Sektor wieder interessant?
Ja. Nachdem wir den Anteil im Portfolio vor drei bis vier Jahren deutlich reduziert haben, weil uns die Preise damals zu hoch waren, bauen wir jetzt in Deutschland und Europa die Postionen wieder aus. Die Verzinsung der Investments in Gewerbeimmobilien in bester Lage liegt bei fünf Prozent. Das ist deutlich mehr als bei Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit. Ob auch Wertsteigerungen dazukommen, wird sich zeigen.
Wie viel und in welche Bereiche investieren Sie?
Wir suchen Shoppingcenter und Büros in erstklassigen Lagen europäischer Großstädte. Wenn wir geeignete Objekte finden, ist ein Investitionsvolumen von einer Milliarde Euro pro Jahr gut möglich. Kürzlich haben wir zum Beispiel mit Porta di Roma eines der größten Shoppingcenter in Italien erworben.
Ihr Wettbewerber, Generali Deutschland wagt sich seit Kurzen auch auf den risikoreichen Markt für Not leidende Kredite.
Da sind wir seit längerem aktiv. Allerdings sehr vorsichtig. Potenzielle Investments werden intensiv analysiert. Bei guter Auswahl lassen sich sehr attraktive Verzinsungen erzielen. Und wir stützen die Wirtschaft. Mit 500 Millionen Euro im Vergleich zum 135 Milliarden Euro Gesamtanlageportfolio haben diese Investments jedoch eine überschaubare Größenordnung.
Im Profil
Andreas Gruber (48), Vater von fünf Kindern, lebt mit seiner Familie in einem 5000-Einwohner-Ort bei Stuttgart. Urlaub machen die Grubers gern auf schwedischen Campingplätzen. Der Mathematiker ist Leiter des Finanzcontrollings der Allianz Leben. Er verantwortet die Anlage der Lebensversicherungsbeiträge, 146 Milliarden Euro.
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